Die Ehrenwache vor dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus Unter den Linden ist am Montagmorgen wieder aufgezogen. Die Soldaten hatten am Sonntag aus Protest gegen eine Kranzniederlegung des Westberliner Landesverbandes der Republikaner an dieser Erinnerungsstätte ihre Posten verlassen. Der Ostberliner Stadtkommandant hat das Verhalten der Wachposten und des Wachhabenden ausdrücklich gebilligt. Mit der Entfernung des Kranzes, dessen Schleifen die Inschrift "Den Opfern des Stalinismus" und "Landesverband der Republikaner Berlin" trugen, hat der Magistrat als Rechtsträger für dieses Objekt in der Nacht zum Montag die Bedingung der Stadtkommandantur erfüllt. Für die Ostberliner Polizei habe es keinen Grund gegeben, eine Kranzniederlegung der Republikaner am Mahnmal Unter den Linden zu verhindern, erklärte die Pressesprecherin des Polizeipräsidiums, Hauptkommissar Cornelia-Petra Bellin. Als eine "politische Geschmacklosigkeit" hat der Pressesprecher des Referats Inneres des Magistrats, Thorsten Schilling, die Kranzniederlegung bezeichnet. Es sei jedoch kein rechtliches Vergehen, erklärte er.
(Berliner Zeitung, Di. 19.06.1990)
Sonntag, 17. Juni 1990 - für die Ehrenwache am Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Militarismus Unter den Linden in Berlin ein Tag, den sie in "besonderer" Erinnerung behalten wird. Der Wachhabende erzählt warum:
Das VP-Revier 11 rief uns kurz noch neun Uhr an und teilte mit, dass sich für 13 Uhr eine Gruppe Republikaner zu einer Kranzniederlegung angesagt hätte.
Blieb`s bei dieser lakonischen Mitteilung der Polizei?
Nein. Es wurde uns zugesichert, eine Einsatzgruppe vor Ort zu stellen, die dann auch ab 12 Uhr da war. Kurz vor 13 Uhr kamen dann tatsächlich die Republikaner. Zwei von ihnen - militant schwarz gekleidet - legten den Kranz Sekunden vor dem traditionellen Ablösezeremoniell demonstrativ auf die Stufen vor dem Mahnmal.
Wie hast du als Wachhabender reagiert?
Sofort nahm ich den Kranz und brachte ihn zu der an der Seite bereitstehenden Einsatztruppe der VP, begleitet von einem Buh-Konzert der Reps, einer etwa 30 Mann starken Gruppe.
Was unternahm die VP-Truppe?
Gar nichts. Sie sah zu, wie die Republikaner den Kranz wieder ins Ehrenmal trugen.
Ich habe daraufhin meinen zuständigen Vorgesetzten telefonisch informiert. um eine Entfernung de dem Ehrenmal doch wohl in keiner Weise entsprechenden Kranzes zu erreichen. Als Antwort erhielt ich jedoch: Der Kranz wird zunächst nicht entfernt, warte wertere Entscheidungen ab.
Und die fielen wie aus?
Bis zum Sonntagabend keine. Obwohl ich zum Beispiel aus Protest bereits kurz vor 14 Uhr meinen Dienst für den Tag quittiert habe. Eine ganz persönliche Entscheidung. Ich ging. Unabhängig davon entschlossen sich auch die Soldaten zum selben Schritt.
Wer das nicht möglicherweise übereilt?
Ich denke nein. Wir warteten noch bis 16 Uhr im Wachlokal – aber nichts geschah. Trotz der Tatsache, dass es am Vormittag bereits Unklarheiten gab, als eine unangemeldete Gruppe aus der BRD zwei Kränze niederlegte. Was unüblich ist - normalerweise werden Kranzniederlegungen im Ehrenmal angemeldet, in diesem Fall entschieden unsere übergeordneten Stellen innerhalb von sechzig Minuten. – Bleibt die Frage, weshalb bei dem sogar im vorab angekündigten Auftritt der Republikaner, die bekanntlich bei uns nicht zugelassen sind, nichts geschah.
Interview: Jürgen Paul
(Junge Welt, Mo. 18.06.1990)
Die Stellungnahme [des Polizeipräsidiums] hat folgenden Wortlaut:
"Die Berliner Volkspolizei hatte Kenntnis darüber, dass der Westberliner Landesverband der Republikaner, am 17. 6. 90 eine Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus beabsichtigte. Die Volkspolizei war deshalb darauf eingestellt einzuschreiten, falls es zu faschistischen Aktivitäten, anderen Rechtsverletzungen oder Auftritten der verbotenen Republikaner aus Ostberlin bzw. der DDR gekommen wäre. Die VP Berlin wertet die Kranzniederlegung eindeutig als eine politische Provokation. Es gab für de VP keinerlei rechtliche Grundlagen einzuschreiten, da es sich um eine offizielle Delegation handelte und die Partei der Republikaner in Berlin (West) eine zugelassene Partei ist."
(Junge Welt, Mi. 20.06.1990)