Bonn. ADN/BZ Angesichts des gewandelten Charakters der Montagsdemonstrationen in Leipzig, in denen jetzt "nationalistisches Pathos" vorherrsche, bestehe ein "Konsens aller neuen demokratischen Kräfte, sich aus dieser Montagsdemonstration zurückzuziehen".
Darüber informierte der stellvertretende Vorsitzende der SPD in der DDR, Karl-August Kamilli, in einem gestern vom Parlamentarisch-Politischen Pressedienst (PPP) in Bonn veröffentlichten Interview.
Gefragt, ob das einer Niederlage der demokratischen Kräfte gleichkomme, antwortete Kamilli, zumindest sei es kein Sieg. "Wenn man sieht, was sich in den letzten Monaten in diesem Land getan hat, muss man eingestehen, dass einige naiv-demokratische Blütenträume zerstoben sind sagte er. Es habe sich gezeigt, dass die Parteien des Rechtsblocks "Positionen haben, die sich mit dem Grundkonsens der frühen Reformkräfte nicht vertragen". So hätten sich diejenigen, die in Leipzig das Fanal für eine friedliche Revolution gesetzt haben, "die Entwicklung nicht vorgestellt". Doch sie nähmen die Herausforderung notgedrungen an.
Kamilli wies die von Kanzlerberater Teltschik geäußerte These zurück, dass der "Schlüssel zur deutschen Einheit" in Bonn liegen solle. Dies sei, so Kamilli, nur "eine Wunschvorstellung des Herrn Kohl". Der stellvertretende SPD-Vorsitzende bezeichnete es als "sozialdemokratisches Grundanliegen", das neue Deutschland nur im Konsens mit seinen Nachbarn zu verwirklichen. Die NATO bis zur polnischen Westgrenze auszudehnen, "ist für uns absolut unakzeptabel", betonte der SPD-Funktionär.
(Berliner Zeitung, Mi. 28.02.1990)
Warschau. ADN/BZ Ihre Betroffenheit über die "Woche für Woche wachsende Ausländerfeindlichkeit" in Leipzig äußert gestern die polnische Jugendzeitung "Sztandar Mlodych". In einem Bericht wird festgestellt, dass Leipzigs Stadtzentrum während der Montagsdemonstrationen für Ausländer "praktisch geschlossen ist". "Tauchen Neger, Vietnamesen oder Angehörige anderer außereuropäischer Rassen auf, werden sie beschimpft, geschubst oder geschlagen", schreibt der Korrespondent. Viele junge Lateinamerikaner, die an der Karl-Marx-Universität studieren, befänden sich aufgrund der bei solchen Übergriffen erlittenen Verletzungen im Krankenhaus.
Aber auch an anderen Tagen trauten sich Ausländer wegen "von DDR-Bürgern zu erwartenden Unannehmlichkeiten" kaum noch auf die Straße.
(Berliner Zeitung, Mi. 28.02.1990)
Berlin (ADN). "Betroffenheit und Empörung erfassen uns angesichts zunehmender Überfälle auf ausländische Bürger in Leipzig. Selbst in ihren Wohnheimen sind Ausländer nicht mehr sicher", erklärt der Koordinierungsausschuss der Vereinigung der Freunde Lateinamerikas in der DDR. Die Volkspolizei tut offenbar wenig oder nichts, den Ausschreitungen Einhalt zu gebieten, heißt es. Wir fordern die Polizei zur Wahrnehmung ihrer Pflichten auf.
Ihre Betroffenheit über die "Woche für Woche wachsende Ausländerfeindlichkeit" in Leipzig äußert am Dienstag auch die polnische Jugendzeitung "Sztandar Mlodych". Es wird festgestellt, dass Leipzigs Stadtzentrum während der Montags-Demonstrationen für Ausländer "praktisch geschlossen ist". "Tauchen Neger, Vietnamesen oder Angehörige anderer außereuropäischer Rassen auf, werden sie beschimpft, geschubst oder geschlagen."
(Neues Deutschland, Mi. 28.02.1990)