Berlin. ADN/BZ Ein sozialdemokratisches Wochenende in der DDR: Delegationen der SPD aus DDR und BRD trafen sich zur ersten Sitzung ihres gemeinsamen Ausschusses, die Sozialdemokraten Berlins und Halles hielten ihre Bezirks-, in Leipzig ihren Kreisparteitag ab.
Die Sozialdemokraten beider deutscher Staaten wollen politisch für die Organisierung der deutschen Einheit wirken. Darauf verständigte man sich während der ersten Sitzung des gemeinsamen Ausschusses. Vor der internationalen Presse äußerten sich gestern Abend der 1. Sprecher der SPD der DDR, Stephan Hilsberg, und der stellvertretende Vorsitzende der BRD-SPD, Johannes Rau, zu Ergebnissen des Treffens.
Rau nannte die staatliche Einheit einen unerlässlichen Weg, wenn man die Entvölkerung der DDR nicht mehr hinnehmen wolle. Die große Zahl der Übersiedler schwäche beide Systeme. All das sei nur zu ändern, wenn es für die DDR Perspektiven gibt. Deshalb sei die Frage der Wirtschafts- und Währungsunion sowie des Zusammenwachsens der volkswirtschaftlichen Prozesse ein wichtiges Ziel der politischen Arbeit. Er schloss eine Wirtschafts- und Währungsunion noch in diesem Jahr nicht aus.
Hilsberg forderte von Bundeskanzler Kohl Unterstützung bei der Verbesserung der Infrastruktur oder des Verkehrswesens der DDR.
Ein weiterer Themenkreis der Kommissionssitzung war der Wahlkampf. Die BRD-Schwesterpartei unterstütze die DDR-SPD dabei mit Material, Argumenten und Besuchen, so Johannes Rau.
(Berliner Zeitung, Mo. 05.02.1990)
Am Wochenende fanden in der DDR mehrere Bezirksparteitage der SPD statt, Thomas Krüger erklärte auf dem Berliner SPD-Bezirksparteitag, dass die SED-PDS und SPD zum Begriff des "demokratischen Sozialismus" jeweils etwas völlig anderes meinten. Zu weiteren Bezirksparteitagen trafen sich die Delegierten in Halle, in Stralsund und Neubrandenburg.
Walter Momper, der die These vertrat, die Deutschlandpolitik werde momentan in Westberlin gemacht, sprach sich auf dem Berliner Parteitag dafür aus, den deutschen Einigungsprozess mit dem europäischen Integrationsprozess zu verbinden. Wenn man nicht Hoffnungen und Perspektiven für die Menschen hier schafft, dann wird man die Fluchtrate nicht aufhalten können. Die Einheit beider deutscher Staaten wird möglicherweise noch schneller kommen als jetzt erwartet. Zu ihrer Gründungsversammlung trafen sich am Sonnabend in Berlin die "Jungen Sozialdemokraten". Zum 1. Vorsitzenden wurde der 20jährige Arne Grimm gewählt. Der gelernte Fotograf, der jetzt als Buchhersteller arbeitet, ist seit dem 9. Oktober 1989 SPD-Mitglied.
Am Rande der Gründungsversammlung sagte Ibrahim Böhme gegenüber ADN, dass er die Mitgliedschaft eines einheitlichen Deutschlands in der NATO, auch in der Version von Bundesaußenminister Genscher, "für nicht machbar" halte.
(Neue Zeit, Mo. 05.02.1990)
In Halle vertraten etwa 100 Delegierte die über 8 000 im Bezirk organisierten Sozialdemokraten. Zum Bezirksvorsitzenden wurde Dozent Dr. Rüdiger Fikentscher gewählt. Er sprach die Hoffnung aus, dass "Mitteldeutschland und besonders Halle wieder zu einer Hochburg der SPD" werde.
Die Delegierten des Bezirkes Neubrandenburg, wo die SPD gegenwärtig etwa 1 400 Mitglieder zählt, wählten den Röbeler Pfarrer Dr. Gottfried Timm zum Vorsitzenden ihres Bezirksvorstandes. Die in Stralsund versammelten 120 Delegierten aus dem Bezirk Rostock wollen den Wahlkampf unter dem Slogan "Der Norden braucht die SPD" führen und empfahlen den Bezirksvorständen Schwerin und Neubrandenburg die gemeinsame Bildung eines Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern.
(Neues Deutschland, Mo. 05.02.1990)
Der Bezirksparteitag der SPD für den Bezirk Halle findet vom 02.-04.02. im "Klub der Anlagenbauer" unter dem Motto "Wir sind wieder da!", statt. Der Mitbegründer der SDP Steffen Reiche nimmt neben Gästen aus der BRD, darunter Gerhard Schröder und Klaus von Dohnanyi, am Parteitag teil.
Einen Bezirksparteitag führte die SPD auch in Stralsund (Bezirk Rostock) durch.
In der Golgatha-Kirche in Berlin stellt die SPD ihre wirtschaftlichen Vorstellungen vor.
Im Berliner Palasthotel findet das erste Treffen des gemeinsamen Ausschusses der beiden SPDs statt. Auf der Präsidiumssitzung der SPD (BRD) am 12.02. sagte Anke Fuchs: "Unsere Seite sei nach Anzahl der Köpfe und Dauer der Reden äußerst massiv aufgetreten". Hans-Jochen Vogel bemerkte: "es sei wohl nicht in erster Linie die Anzahl der Teilnehmer von Bedeutung gewesen, sondern eher die Tatsache, dass es nicht von allen Vertretern der SPD aus der Bundesrepublik die notwendige Sensibilität gegeben habe".