Gewerkschaften

Erste Schritte unternahmen die IG-Metall, die IG Bau-Steine-Erden und die IG Chemie-Papier-Keramik bereits im Dezember 1989.

IG Bau-Holz

Auf der Außerordentliche Zentraldelegiertenkonferenz in der Gewerkschaftshochschule Bernau bei Berlin am 10./11.02.1990 definierte sich die Gewerkschaft Bau-Holz als eigenständige und unabhängige Industriegewerkschaft.

Es wurden ein geschäftsführender Vorstand und ein Hauptausschuss als ehrenamtliches Kontrollorgan gewählt.

Angenommen wurde ein Satzung, eine Wahlordnung und ein Aktionsprogramm.

Auf Landesebene werden Geschäftsstellen für die Bau- und die Holzindustrie eingerichtet.

Ab dem 1. März 1990 hatte sie die Finanzhoheit. Vom FDGB-Dachverband wurde ihr die ehemalige Schule des Deutschen Baugewerkschaftsbundes in Grünheide übertragen.

Neben der Forderung an die Volkskammer nach Verabschiedung des Gewerkschaftsgesetzes wurde u.a. eine Reform der Lohnsteuer und Tarifverhandlungen verlangt.

Zwischen der IG Bau-Holz (DDR) und der IG Bau-Steine-Erden (BRD) wird eine Vereinbarung über die gegenseitigen Beziehungen abgeschlossen. Die IG Bau-Steine-Erden demonstrierte im April 1989 in Westberlin gegen die Dumpingkonkurrenz von DDR-Baufirmen in Westberlin, wie es auf einer Kundgebung hieß.

Eine Vermögens- und Treuhandgesellschaft mbH der IG Bau-Holz wird gegründet. Zweck der Gesellschaft ist die treuhänderische Verwaltung von Vermögenswerten der IG Bau-Holz.

Die Delegierten beschließen am 22.09.1990 die Auflösung zum 31.10.1990.

IG Bergbau-Energie

Früh auf den Zug der Erneuerung versuchte die FDGB-Gewerkschaft IG Bergbau-Energie aufzuspringen. Einen Entwurf zur Erneuerung der gewerkschaftlichen Arbeit wurde vom Zentralvorstand am 10.11.1989 veröffentlicht. Das Sekretariat forderte am 09.12.1989 die Einberufung einer zentralen Delegiertenkonferenz. Außerdem wurde die Vertrauensfrage gestellt. Das Sekretariat musste zurücktreten und einem zehnköpfigen "Arbeitssekretariat" Platz machen. Der Führungsanspruch einer Partei, bis dahin der SED, wurde abgelehnt. Es wurde sich für einen Gewerkschaftsbund bei gleichzeitiger Tarifautonomie ausgesprochen. Ihrer bisheriger Vorsitzenden Günther Wolf wurde ausgeschlossen. Auf ihrem Kongress in Bernau vom 05.-07.04.1990 wurde ein Arbeitsprogramm beschlossen, eine neue Satzung verabschieden und ein neuer Zentralvorstand gewählt. Zum Vorsitzenden wird Peter Witte gewählt. Die Gewerkschaft wurde in Bergbau-Energie-Wasserwirtschaft umbenannt. Zunächst war die Namensänderung abgelehnt worden. Die Wasserwirtschaftler drohten mit ihrem Austritt aus der Gewerkschaft. Anwesend auf dem Kongress war auch die damalige Vorsitzende des FDGB Helga Mausch. Sie war Mitglied der IG Bergbau-Energie. Als Gast reiste Hans Berger 2. Vorsitzender der IG Bergbau und Energie der Bundesrepublik an.

Im April 1990 warf die IG Bergbau-Energie und Wasserwirtschaft (IG BEW) der DGB-Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) vor, sie wildere in fremden Revieren. Hintergrund war die Streiterei zwischen den DGB-Gewerkschaften ÖTV und der IG Bergbau und Energie (IG BE). In der BRD war die ÖTV zuständig für leistungsgebundene Energiebetriebe und Wasserwirtschaft. In der DDR war dafür die IG Bergbau-Energie und Wasserwirtschaft zuständig. Die IGBE versuchte diesen Bereich in der DDR für sich unter den Nagel zu reißen. Auch in der BRD hatte es Versuche gegeben die Atomkraftwerke von der ÖTV in ihren Organisationsbereich zu ziehen. Der DGB untersagte Mitglieder aus Atomkraftwerken aufzunehmen.

Die IG BE änderte am 07.09.1990 ihre Satzung. Sie beinhaltete eine Ausweitung ihres Organisationsbereiches auf die leistungsgebundene Energiebetriebe und der Wasserwirtschaft. Da eine Einigung zwischen der ÖTV und der IG BE scheiterte, erklärte das Schiedsgericht des DGB am 04.02.1991 die Ausdehnung des Organisationsbereichs der IG BE für unwirksam. Schon am 06.11.1990 erklärte der DGB-Bundesvorstand die Organisationsgrenzen der DGB-Gewerkschaften die in der alten BRD galten auch für die neue BRD für gültig. Die schon erfolgte Ausweitung des Organisationsbereiches durch Eintritt von Beschäftigten in die IG BE konnte aber nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Der Hauptvorstand der IG Bergbau-Energie und Wasserwirtschaft gab am 8. Mai 1990 seinen Austritt aus dem FDGB bekannt. Auf einem Kongress im September wurde die Auflösung zum 31.10.1990 beschlossen. Zuvor war noch eine Satzungsänderung nötig. Musste der Auflösung bisher eine Mitgliederbefragung vorausgehen.

Ihr Vorsitzender wurde auf dem Kongress der IG Bergbau und Energie im Mai 1991 in den Vorstand gewählt.

IG Chemie, Glas und Keramik

Die IG Chemie-Papier-Keramik (BRD) führte Verhandlungen mit der IG Chemie, Glas und Keramik (DDR). Ziel sollte die Vereinigung beider Organisationen sein. Wobei die IG Chemie-Papier-Keramik keinen Zweifel daran ließ, dass die Vereinigung nur zu ihren Bedingungen erfolgen kann. Die von der IG Chemie in der BRD betriebene Form der Sozialpartnerschaft war eine der Bedingungen. Die IG Chemie-Papier-Keramik stimmte ihr Vorgehen in der DDR vorher mit den Chemiearbeitgeben in der BRD ab. Zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie und der IG Chemie-Papier-Keramik wurden "Gemeinsame Verfahrensgrundsätze zur Entwicklung in der DDR" vereinbart. In Leipzig eröffnete die IG Chemie-Papier-Keramik 1990 ein Informationsbüro.

Auf der Außerordentlichen Zentraldelegiertenkonferenz der IG Chemie, Glas und Keramik in Bernau am 28./29.04.1990 wird die Fusion mit der bundesdeutschen IG Chemie-Papier-Keramik befürwortet. Es wurde ein neues Programm und Satzung angenommen. Gefordert wurde ein Umtauschkurs von 1:1 für Löhne, Gehälter und Sparguthaben. In einem Brief an den Ministerpräsident Lothar de Maizière wurden Sofortmaßnahmen zum Schutze des Binnenmarktes gefordert. Gleichzeitig sich dafür eingesetzt, ausländischen Investoren Vorzugsbedingungen einzuräumen, wenn sie Arbeitsplätze sichern oder neu anbieten. Hartmut Löschner wurde als Vorsitzender Bestätigt. Die delegierten sprachen sich mit großer Mehrheit für einen Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 Grundgesetz aus.

Schließlich wurde die IG Chemie (Ost) von der IG Chemie (West) mit Mann und Maus übernommen. Der antikommunistische Frontmann der DGB-Gewerkschaften, Hermann Rappe, von der DGB-Gewerkschaft IG Chemie-Papier-Keramik, geriet im Vorfeld des Gewerkschaftstages im Juni 1991 unter Beschuss, weil der ehemalige Vorsitzende der FDGB-Gewerkschaft IG Chemie, Glas und Keramik, früher SED dann SPD, auf ihm zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden sollte.

IG Druck und Papier

Die IG Druck und Papier hatte 1989 rund 152 400 Mitglieder. Der Organisationsgrad betrug 97,3 Prozent.

Die IG Druck und Papier fordert im Januar 1990 die Überführung der Zentrag- und der DEWAG-Betriebe in Volkseigentum. Die Verteilung der Papierkontingente sollte einem von der Volkskammer zu berufenden gesellschaftlichen Gremium (Medienrat) übertragen werden.

Die außerordentlichen Delegiertenkonferenz am 03./04.03.1990 in Berlin der IG Druck und Papier bestätigte Werner Peplowski als Vorsitzenden. Es wurde ein Aktionsprogramm verabschiedet. In der neuen Satzung bezeichnet sich die IG Druck und Papier als frei und unabhängig. Die Satzung habe laut IG Medien unverkennbar eine Nähe zur Satzung der IG Medien. Für einen Zusammenschluss von IG Druck und Papier und der Gewerkschaft Kunst, Kultur und Medien zu einer Mediengewerkschaft sprachen sich die Delegierten aus.

Folgerichtig wird einstimmig die Vorbereitung zur Bildung einer IG Medien aus IG Druck und Papier, der Gewerkschaft Kunst und dem Verband der Journalisten gebilligt. Neben einem Aktionsprogramm werden auf der Delegiertenkonferenz eine Satzung und eine neue Organisationsstruktur beschlossen. Dem FDGB wird das Recht abgesprochen, als Mandatsträger für die bevorstehenden Volkskammerwahlen und die Kommunalwahlen aufzutreten. Mit Mehrheit wird beschlossen, dass sich Mitglieder der IG Druck und Papier nicht als Kandidaten für die Volkskammer- und Kommunalwahl aufstellen werden.

Beratungen zwischen der IG Druck und Papier und der Gewerkschaft Kunst hatte es bereits im Februar 1990 gegeben. Der Deutsche Journalistenverband (DJV, BRD) vereinbarte mit dem Verband der Journalisten der DDR (VDJ) die Gründung einer gemeinsamen Kommission und einen Informations- und Erfahrungsaustausch. Die Fachgruppe Journalismus der IG Medien auch nicht faul, vereinbarte mit dem VDJ ein ständiges gemeinsames Koordinierungsgremium. Schließlich sprach sich der VDJ-Vorstand für die Bildung einer IG Medien aus. Wovon der DJV nicht gerade erfreut war.

Zwischen den Sekretariaten der IG Druck und Papier und der Gewerkschaft Kunst wurde bei einer Beratung am 12.02.1990 wurde eine Fusion zu einer einheitlichen IG Medien in der DDR verabredet. Auf den bevorstehenden Delegiertenkonferenzen beider Gewerkschaften soll darüber beraten werden. Die letzte Entscheidung sei einer Urabstimmung der Mitglieder vorbehalten.

Zwischen der Industriegewerkschaft Druck und Papier und der IG Medien wurde am 15.03.1990 ein Kooperationsvertrag unterzeichnet. Er sieht eine gegenseitige Unterstützung bei Arbeitskämpfen und eine Zusammenarbeit bei der betrieblichen Interessenvertretung vor Zwischen der IG Druck und Papier, der Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien und dem Verband der Journalisten der DDR wurde im April 1990 ein Kooperationsvertrag unterzeichnet, als einen Schritt zu einer IG Medien. Es wurde ein Konsultativrat gebildet.

Eine "unkontrollierte Überschwemmung" mit Erzeugnissen von Großverlagen aus der BRD beklagte der Hauptvorstand der IG Druck und Papier der DDR am 06.03.1990. Gegen die Aufteilung des DDR-Gebietes durch die Verlage Bauer, Burda, Gruner+Jahr und Springer wird protestiert.

Der Vorsitzende der IG Medien (BRD) war der einzige Vorsitzende einer DGB-Gewerkschaft, der zur 40-Jahrfeier der DDR anreiste. Vertreter von IG Medien und IG Druck und Papier (DDR) sprachen 1990 bei der SED-Druckerei vor, um Unterstützung bei den bevorstehenden Tarifauseinandersetzungen in der BRD zu erhalten. Es sollte verhindert werden, dass BRD-Zeitungen dort gedruckt werden konnten, wie es in der Vergangenheit schon geschehen war.

Gewerkschaft Unterricht und Erziehung

Auf ihrer Zentralvorstandstagung am 03.02.1990 trat die Vorsitzende der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung, Helga Labs, zurück.

Der Bereich Unterricht und Erziehung war besonderer Kritik im Herbst 1989 ausgesetzt. Bei der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung gingen Beschwerden ein, die Gewerkschaft würde sich nicht genügend schützend vor ihre Mitglieder stellen.

Zu einem Warnstreik rief die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung im Mai 1990 auf. Forderungen waren die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse, Kündigungsschutz, Erhalt ihrer Alterversicherung und Verbleib der Kindergärten im Bildungsbereich.

Schon vor der Länderbildung in der DDR gründeten sich die Landesverbände Brandenburg, Ostberlin, Sachsen und Thüringen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Initiativen dazu gingen von Gewerkschaftern der DDR aus. "Die demokratische Revolution in unserem Land erfordert auch eine pädagogische Revolution in den Bildungseinrichtungen sowie eine Erneuerung des Wissenschaftsbetriebs. Zugleich müssen sich die Beschäftigten gegen Verschlechterungen an den Arbeitsplätzen schützen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen eintreten", ist im Gründungsaufruf der Ostberliner GEW zu lesen.

Am 01.04.1990 wird in Gera die GEW und ihr Landesverband Thüringen gegründet.

Zwischen dem GEW-Bundesvorsitzender Dieter Wunder und der FDGB-Gewerkschaft Unterricht und Erziehung (GUE) Zentralvorstandschef Friedhelm Busse wurde sich über "Eckpunkte für eine geeinte GEW" geeinigt. Eine einheitliche Bildungsgewerkschaft sollte über zu schaffende GEW-Gliederungen in den künftigen Ländern der DDR angestrebt werden. Vereinzelt gab es aus Westverbänden Proteste. Sie sahen in der Vereinbarung eine Aufwertung der FDGB-Gewerkschaft.

Auf der Mitgliedervollversammlung der GEW Ostberlin am 18.6.90 wurde einstimmig beschlossen:

1. Der Aufbau von GEW-Organisationen in der DDR erfolgt nur durch einzelne Übertritte von GUE/GW-Mitgliedern [Gewerkschaft Wissenschaft].

2. Bei Neuwahlen müssen intensive Personaldebatten abgesichert werden (keine Wiederholung von GUE-Methoden).

3. Die GEW der BRD, vor allem ihr HV wird aufgefordert, sich öffentlich zu den GEW-Organisationen in der DDR zu bekennen; es wird gefordert, dass sich der HV gegen die Möglichkeit der Schaffung von GEW-Strukturen aus GUE-Strukturen ausspricht, dass der HV öffentlich erklärt, keine Funktionäre und Arbeitsverträge von der GUE zu übernehmen.

Kurz vor ihrer Auflösung rehabilitierte die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung die Mitglieder des Sekretariats, die nach dem 17. Juni 1953 gemaßregelt und aus ihren Funktionen entfernt wurden.

Industriegewerkschaft Transport und Nachrichtenwesen

Im November 1989 kamen Mitglieder des Bereichs Transport, der Gewerkschaft Transport- und Nachrichtenwesen IG TN zu der Auffassung eine eigene Transportgewerkschaft zu gründen. Der Zentralvorstand der IG TN beschloss auf seiner 11. Tagung am 15.12.1989 die IG TN aufzulösen. An ihrer Stelle sollten drei neue Gewerkschaften treten.

Daraufhin bereitete der Transportbereich eine Delegiertenkonferenz zur Gründung der IG Transport (IG T) für den 22./23.02.1990 in Berlin vor. Zum Vorsitzenden wurde Karl-Heinz Biesold gewählt. Die IG T verstand sich als eine erneuerte Gewerkschaft und wollte am liebsten als Paket in die ÖTV eintreten. Dieses Ansinnen stieß aber bei der ÖTV auf keine Gegenliebe. Mit der IG T wurde am 04.04.1990 ein Kooperationsabkommen geschlossen. Bestandteil war eine Versicherung nicht für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Von Seitens der ÖTV gab es die Befürchtung es könne sich eine Transportgewerkschaft gründen, die auch im Westen Befürworter haben könnte. Es gab Überlegungen zusammen mit den Eisenbahnern eine Transportgewerkschaft zu gründen. Die Eisenbahner wollten aber lieber unter sich bleiben und gründeten eine Woche vor der IG T eine Eisenbahnergewerkschaft. Zwischen der IG T und dem Verkehrsministerium wurde eine Vereinbarung geschlossen, das nicht nur für den Verbleib der Gewerkschaft in den Betrieben aussprach, sondern auch noch materielle Unterstützung vorsah. Ihre Auflösung wurde von den Delegierten der IG Transport am 29.09.1990 zum 02.10.1990 24 Uhr mit großer Mehrheit beschlossen.

Die Eisenbahner gehörten zur Industriegewerkschaft Transport und Nachrichtenwesen (IG TN). Der Zentralvorstand der IG TN beschloss bereits auf seiner 11. Tagung am 15.12.1989 die IG TN aufzulösen.

Auf der Konferenz der Eisenbahner am 14.02.1990 werden eine vorläufige Satzung und ein Aktionsprogramm beschlossen. Außerdem wird ein Vorstand gewählt.

Die Eisenbahner im FDGB vertraten auch die Interessen der im Westen beschäftigten der Reichsbahn. Mit der Reichsbahn-Generaldirektion konnte der Westberliner Bezirksvorstand ein Rationalisierungsschutzabkommen für Westberliner Bedienstete mit mindestens 20 Jahren Dienstzeit geschlossen werden. Die Reichsbahn wurde in ihrer Gesamtheit nach dem Krieg von der DDR betrieben. Dazu gehörte auch die S-Bahn in ganz Berlin. 1980 wurde der Westberliner Teil der S-Bahn von der BVG übernommen. Die DDR wollte nicht mehr für das Defizit in aufkommen.

Die Deutsche Reichsbahn wurde von der DDR-Führung nie umbenannt. Zu groß war die Angst an dem von den Siegermächten des 2. Weltkrieges festgelegten Statuts zu rütteln. Auf den in Westberlin liegenden S-Bahnhöfen hisste die DDR zu Jahrestagen auch Mal ihre Fahne. Was in der Westberliner Politik entsetzen hervorrief und zu verhindern versucht wurde.

Gewerkschaft Gesundheitswesen

Die Gewerkschaft Gesundheitswesen (GSW) wählte auf ihrer außerordentlichen Delegiertenkonferenz am 29.01.1990, kurz vor dem außerordentlichen FDGB-Kongress, einen neuen, kleineren Vorstand. Dem bisherigen Zentralvorstand wurde das Vertrauen entzogen. Das neue Mandat gilt nur bis zur ordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz im April. Die alte Satzung wurde außer Kraft gesetzt. Mit sofortiger Wirkung wurde die Finanzhoheit übernommen. Auch wurde beschlossen, das "Du" durch das "Sie" zu ersetzen. Ein vorgesehenes Referat musste nach zehn Minuten wegen Proteste abgebrochen werden. Die GSW verstand ihren außerordentlichen Kongress als Neugründung. Die Gewerkschaft Gesundheitswesen wurde in Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen umbenannt.

Um die Mitglieder der GSW entbrannte ein erbitterter Kampf zwischen der DGB-Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr und der damals nicht zum DGB gehörende Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG). Die DAG versprach der GSW Unterstützung für ihre Eigenständigkeit im vereinten Deutschland und Soforthilfe. Eine Zusammenarbeit entsprechend der Zusammenarbeit zwischen der DAG und dem Marburger Bund wurde versprochen. Ende März 1990 beschießt der Vorstand der GSW sowohl der ÖTV als auch der DAG ein Kooperationsangebot zu unterbreiten.

Währenddessen wurden immer mehr Stellen, hauptamtlich als auch ehrenamtlich, der GSW reduziert. Grund war der Mitgliederschwund und immer geringere Einnahmen. Wegen der großen Unsicherheit bezahlten manche auch ihren Beitrag auf ein BGL-Konto ein.

Wurde zunächst eine Zusammenarbeit mit den sich neu gegründeten Ärzte-, Hebammen- und Virchowverband vom Zentralvorstand abgelehnt, wurde dieser Schritt aber bald wieder revidiert.

Auf der zentralen Delegiertenkonferenz am 02./03.05.1990 stimmten die Delegierten mit großer Mehrheit für eine Zusammenarbeit mit der ÖTV. Eine eigenständige Gewerkschaft GSW war damit auch vom Tisch. Der Vorsitzende der GSW, der eine eigenständige berufsspezifische Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen favorisierte und zur DAG neigte, trat zurück. Sein Nachfolger wurde der bisherige Stellvertreter. Ein Teil der Mitglieder ging zur DAG.

Am 22.09.1990 beschließen die Delegierten in der Gewerkschaftshochschule in Bernau die GSW zum 02.10.1990, 24 Uhr aufzulösen.

Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen

Die DGB-Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV) eröffnete im Februar 1990 acht Büros in der DDR. Objekt der Begierde waren die Gewerkschafter der Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss auch die der Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft. Womit sie ihn Konkurrenz zur DAG und ÖTV trat. Den Sparkassenbereich konnte die HBV für sich sichern. Am 23./24. Juni 1990 wurde in der DDR die Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen gegründet. Ebenso Nahrung, Genuss und Gaststätten. Der Sparkassenbereich in der alten BRD war mit Ausnahme des Saarlandes ÖTV-Gebiet. Nach dem DGB-Schlichter 1992 gibt es eine gemeinsame Zuständigkeit für den Sparkassenbereich.

Gewerkschaft Kunst

Der Zentralvorstand der Gewerkschaft Kunst wählte die spätere Mitbegründerin des Unabhängigen Frauenverbandes, Walfriede Schmitt, am 01.12.1989 zu ihrer Vorsitzenden. Nebulös erklärte das Sekretariat zuvor die Gewerkschaft wolle aus dem Schatten dirigistischer Administration heraustreten. Des Weiteren wurde sich für Tarifautonomie und den Neuaufbau eines Gewerkschaftsbundes als freiwilliger Dachverband ausgesprochen. Der Name der Gewerkschaft wurde um Kultur und Medien erweitert.

Auf der Außerordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz der Gewerkschaft Kunst, Kultur und Medien am 19./20.03.1990 in Berlin wurde Ruth Martin zur Vorsitzenden gewählt. Beraten wurde über ein Aktionsprogramm, eine neue Satzung und die Zusammenarbeit mit der westdeutschen IG Medien. Die bisherige Vorsitzende, Walfriede Schmitt, sagte: "Das Kapital muss und wird die Gewerkschaften vorbereitet finden."

Die Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien beschloss auf ihrem außerordentlichen Gewerkschaftstag am 28.05.1990 Fusion mit der Industriegewerkschaft Medien der BRD anzustreben. Angestrebt wird die Wahl von Betriebs- und Personalräten und den Aufbau einer Vertrauensleutestruktur. Eine Wappnung für die kommenden Auseinandersetzungen mit dem Kapital sei eine einer radikalen und schnellen Übernahme der Kampfformen und -methoden der bundesdeutschen Partnergewerkschaft von Nöten, so ihre Vorsitzende Ruth Martin.

Am 10.09.1990 wird die Auflösung zum 01.10. beschlossen.

Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst

Die Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst führte Anfang März 1990 eine außerordentliche Delegiertenkonferenz in Bernau bei Berlin durch. Durch die Annahme einer eigenen Satzung trat die Gewerkschaft als eigenständige Organisation auf die gesellschaftliche Bühne. Zur Vorsitzenden wurde Marianne Sandig gewählt. Sie gehörte bisher dem Arbeitssekretariats des Zentralvorstandes an.

Der Zentralvorstand der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst, beschloss auf seiner Sitzung am 10.02.1990, Landes-, Bezirks- und Gebietsgeschäftsstellen einzurichten.

Auf der Zentral Delegiertenkonferenz am 22.09.1990 im Internationalen Jugendzentrum Bogensee wird die Auflösung beschlossen. Die Mitglieder der Gewerkschaft werden aufgerufen, der Gewerkschaft Gartenbau, Land und Forstwirtschaft im DGB beizutreten.

IG-Metall

Die IG-Metall (BRD) vereinbarte mit der IG-Metall (DDR) ein Sofortprogramm. Es sah neben einer Schulung von IG-Metall-Funktionären (DDR) Betriebspartnerschaften, z.B. zwischen den Berliner Werken Osram und dem VEB Berliner Glühlampenwerk Stammbetrieb des Kombinates NARVA "Rosa Luxemburg", vor. Nachdem am 01.11.1989 in der Berliner Zeitung über den Eigenheimbau des Vorsitzenden der IG Metall (DDR) berichtet wurde, trat dieser zurück. Auch als Mitglied des Präsidiums und des Bundesvorstandes des FDGB. Einen Monat später sagte er, dass ihm ein Darlehn aus gewerkschaftlichen Mittel versprochen worden wäre.

Für die Beschäftigten im privaten Metallhandwerk des Bezirkes Erfurt schloss die IG Metall im März 1990 einen Tarifvertrag. Im Juli 1990 wurde ein Tarifvertrag für die Metallindustrie geschlossen. Von der IG Metall in ganz Berlin wurde im Juli 1990 eine "Qualifizierungsgesellschaft Energie und Umwelt mbH" initiiert.

Auf ihrer Delegiertenkonferenz im April 1990 in der FDGB-Gewerkschaftshochschule in Bernau wurde der bisher kommissarisch amtierenden Vorsitzenden Hartwig Bugiel zum neuen Vorsitzenden gewählt. Wie in der IG Metall (West) wurde auch in der IG Metall (Ost) ein Geschäftsführenden Vorstand anstelle des bisherigen Sekretariats des Zentralvorstandes, gewählt. Zwischen den beiden IG Metalls werde eine rasche Vereinigung angestrebt war allenthalben zu hören. Als Gast auf dem Kongress war der IG Metallvorsitzende Franz Steinkühler.

Bei einem Treffen am 28.03.1990 in den Barkas-Werken in Karl-Marx-Stadt bekräftigten die Vorsitzenden Hartwig Bugiel und Franz Steinkühler die angestrebte Vereinigung der Industriegewerkschaften.

Auf ihrer 12. Zentrale Delegiertenkonferenz der IG Metall am 08./09.04.1990 wurde Hartwig Bugiel als Vorsitzenden bestätigte. Es wurde ein neues Statut angenommen. Von Delegierten wurde darauf hingewiesen, dass Volkseigentum nicht das Eigentum staatlicher Leiter ist. Es wurde erklärt: Ein Umtauschkurs für Sparguthaben, Löhne, Gehälter und Renten anders als 1:1 geht nicht mit der IG Metall. Als Gast auf dem Kongress nahm der IG Metallvorsitzende Franz Steinkühler mit einer Delegation teil. Beide Organisationen bekräftigten, eine einheitliche Organisation anzustreben.

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft IG Metall der DDR, Hartwig Bugiel, forderte Ende Juli 1990 in einem Interview Sitz und Stimme im Verwaltungsrat der Treuhandanstalt der DDR.

Im August wurde von der IG Metall aus Frankfurt/Main abweisende Töne bezüglich der IG Metall (Ost) zu hören. Ablehnung ihrer Funktionäre bei den Beschäftigten und ein desolater Zustand der Organisation wurden ausgemacht. Die IG Metallführung in Frankfurt/Main hatte dies schon nach einem guten halben Jahr herausbekommen. Mitglieder sollten in der DDR ab sofort mit Wirkung zum 01.01.1991 aufgenommen werden. Da in der DDR mit einem massiven Arbeitsplatzabbau in der Metallindustrie gerechnet wurde, und einen damit verbundenen Mitgliederrückgang konnte auch nur ein kleinerer Mitarbeiterstab finanziert werden.

Die IG Metall der DDR löste sich zum 31.12.2008 endgültig auf. Vorangegangen war ein Streit mit der Unabhängigen Kommission, der Treuhandanstalt und der BvS um Vermögen des FDGB und Beitragszahlungen der Mitglieder. Eine erste Auflösung fand bereits im Internationalen Jugend-Centrum Bogensee am 06.10.1990 statt.

Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft

Auf der erweiternden Zentralvorstandstagung am 22.11.1989, der Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft (MSK), Gewerkschaft des FDGB, gab es einen Misstrauensantrag gegen den Vorsitzenden, der aber abgeschmettert wurde. Auf ihrer 12. Tagung am 27.11.1989 wurde eine Organisationsreform beschlossen. Es sollten Fachverbände gebildet werden. Eine Führung der Gewerkschaften durch die Partei der Arbeiterklasse wurde abgelehnt. Zwischen der MSK und der Modrow-Regierung wurde am 07.12.1989 eine "Vereinbarung zur Regelung der arbeitsrechtlichen Fragen für die Mitarbeiter der Regierungsorgane, die im Zusammenhang mit Strukturveränderungen und Rationalisierungsmaßnahmen eine andere Arbeit aufnehmen". An dem darin enthaltenen dreijährigen Überbrückungsgeld machte sich vor allem die Empörung an dieser Vereinbarung fest. Es wurde vermutet, die Mitarbeiter der Staatssicherheit profitieren auch davon. Die Mitarbeiter des MfS waren aber weder gewerkschaftlich organisiert, noch fielen sie unter diese Vereinbarung. Nach den Protesten wurde die Regelung zurückgenommen. In Suhl führten Beschäftigte des Fahrzeug- und Jagdwaffenwerkes am 08.01.1990 einen Warnstreik durch. An den Ministerrat der DDR wurde ein Offener Brief gerichtet, indem die Rücknahme gefordert wurde.

Am 05.01.1990 erklärte der Regierungsbeauftragte für die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, Dr. Peter Koch, im DDR-Fernsehen, dass die ehemaligen Mitarbeiter des AfNS dem Wehrdienstgesetz unterliegen. Die dort geregelten Dinge über Versorgung werden auch auf diese Mitarbeiter angewendet.

Über Rücktritte innerhalb der MSK wurde Anfang Januar 1990 berichtet. So soll der Bezirksvorstand Suhl, etwa 30 Kreisvorstände und rund ein Fünftel der Gewerkschaftsleitungen zurückgetreten sein. Ein neuer Vorsitzender wurde am 03.01.1990 gewählt nachdem der alte plötzlich verstorben war. Der Zentralvorstand weigerte sich eine Vertrauensfrage für das Sekretariat zu stellen. Auf Initiative der MSK kommt es am 20.12.1989 zu einem ersten Gespräch zwischen der MSK und der ÖTV in Stuttgart. Eine Bitte um Unterstützung in Fragen der Tarifarbeit wurde von der MSK an die ÖTV am 22.02.1990 herangetragen. Mit der HBV gab es Gespräche über den Bereich Banken und Versicherungen und deren Ausgliederung.

Am 15.03.1990 wurde die MSK in Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) umbenannt. Einen Tag zuvor auf der Zentralvorstandssitzung werden Arbeitskontakte zur HBV und ÖTV befürwortet. Gleich nach der Volkskammerwahl sprach sich das Sekretariat der GÖD für die deutsche Einheit, die Einführung der Marktwirtschaft und für die Währungs-, Wirtschaft- und Sozialunion aus. Der GÖD-Zentralvorstand drängte in einem Papier am 20.03.1990 darauf, konkrete Schritte zur Vereinigung der GÖD und der ÖTV einzuleiten.

Nicht sehr angetan war die GÖD von Überlegungen der ÖTV in der DDR eine ÖTV zu gründen. Befürchtungen, ausmanövriert zu werden, sollten sich später Bewahrheiten. Gegenüber der MSK/GÖD gab es von Seiten der ÖTV Berührungsängste. Roch doch die MSK/GÖD zu sehr nach DDR-System. Die ÖTV wollte sich auch nicht den Vorwurf aussetzen, sie würde Überbleibsel des DDR-Regime bei sich integrieren. Bewerbungen auf eine Anstellung bei der ÖTV wurden daher abschlägig beschieden.

Andererseits stand die ÖTV in Konkurrenz zu den DGB-Gewerkschaft IG Bergbau und Energie, Handel Banken und Versicherungen und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Hinzu kam noch die Deutschen Angestelltengewerkschaft und der Beamtenbund. Auch gab es Befürchtungen, es könnten sich Branchengewerkschaften gründen. Oder aus FDGB-Gewerkschaften heraus eine ÖTV in der DDR. Die ÖTV warf im April 1990 der IG Bergbau und Energie vor, sie mache sich zum Sprachrohr einer FDGB-Gewerkschaft.

Von Seiten der ÖTV wurde der GÖD ein Entwurf für ein Kooperationsabkommen vorgelegt. Nachdem sich die GÖD geweigert hatte schriftliche Erklärungen von hauptamtlichen Funktionären, nicht für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben, abzugeben, wurde dieser Passus gestrichen. Sauer stieß bei ihnen auf, dass sie in der DDR Erklärungen über ihre Westverwandtschaften oder Westkontakte angeben mussten und nun in der neuen Zeit wieder eine Erklärung abgeben sollten.

Nachdem sich nach der Volkskammerwahl eine rasche deutsche Einheit abzeichnete, wurde die Vereinbarung zurückgezogen. Stattdessen wurden am 30.05.1990 sechs FDGB-Gewerkschaften eine Vereinbarung, "Auf dem Weg zur geeinten ÖTV" vorgelegt und unterschrieben, die eine Verpflichtung zur Selbstauflösung beinhaltete. Versüßt wurde es durch die Bildung von Ausschüssen.

Auf der Zentraldelegiertenkonferenz der GÖD am 08./09.06.1990 werden die Bereiche Banken und Versicherungen und Öffentlicher Dienst gebildet. Der Kurs auf ÖTV wird bekräftigt.

Auf der Delegiertenkonferenz der GÖD am 02.10.1990 wurde die Auflösung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu 24 Uhr beschlossen.

Die ÖTV richtete im Februar 1990 in Ostberlin eine Informationsstelle ein. Das Büro des Hauptvorstandes sollte der Koordinierung der Kontakte mit den für die ÖTV infrage kommenden Gewerkschaften dienen. Auch sollte die Westberliner Dependance der ÖTV entlastet werden. Im Januar war bereits eine Steuerungsgruppe eingerichtet worden. Zunächst wurden 15 ÖTV-Berater in die Bezirke der DDR entsandt. Auch andere BRD-Gewerkschaften schickten Beauftragte in die DDR. Neben den DDR-Gewerkschaftlern wurde oftmals die Nähe zur örtlichen SPD und Neuem Forum gesucht, um Kontakte zu knüpfen.

Manche Gewerkschafter in der DDR scharten mit den Hufen, um ein Gewerkschaftspendant der Westgewerkschaften zu gründen. Die Entsendung von Gewerkschafter aus dem Bundesgebiet, nicht nur von der ÖTV, musste doch als "jetzt geht's los" verstanden werden. Am 06.03.1990 wurde ein Aufruf einer Initiativgruppe aus Frankfurt (Oder) "ÖTV in der DDR" verbreitet. Ein Aufruf aus Berlin zur Gründung einer ÖTV in der DDR datiert vom 14.03.1990 wurde verbreitet. Eine weitere Initiative bildete sich in Halle/Merseburg. Von ihr stammt ein "Merseburger Appell" zur Gründung einer ÖTV in der DDR.

Auch in Plauen ließ man sich nicht lumpen. Wie in Halle wurde auch dort Anfang April 1990 zu einer Gründungsversammlung eingeladen. Am 01.04.1990 wurde in einem Flugblatt zum 06.04. zur Gründungsveranstaltung eingeladen. Neben der GÖD sprach sich auch die ÖTV mit Sitz in Stuttgart gegen die Gründungen aus. Gründungen die nicht von ihnen ausgingen waren beiden suspekt. Bei der GÖD und den anderen FDGB-Gewerkschaften im ÖTV-Einzugsgebiet gab es Befürchtungen nur noch fünften Rad am Wagen zu sein. Der Geschäftführende Hauptvorstand der ÖTV verweigert dann auch ihren Segen. Wodurch die Initiatoren sich vor den Kopf gestoßen fühlten. Die FDGB-Gewerkschaften drängten unter dem Damoklesschwert ÖTV-DDR auf einen raschen Zusammenschluss mit der ÖTV.

Da die Sache aber schon so weit fortgeschritten war, kam es in Halle am 05.04.1990 doch zu einer ÖTV-Gründung in der DDR mit Urkunde, Pressemitteilung und Aufnahmeformulare. Danach wurde die Sache aber nicht an die große Glocke gehängt. Dem von der ÖTV nach Halle geschickten Sekretär wurde mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, wird die Gründung nicht abgeblasen.

Initiativen zur Gründung einer ÖTV in der DDR gab es auch in Karl-Marx-Stadt, Magdeburg und in Suhl. Die Bestrebungen eine ÖTV in der DDR zu gründen wurden in "Initiativgruppen" umbenannt.

Am 09.04.1990 wurde vom Geschäftführende Hauptvorstand der ÖTV beschlossen, den Namen ÖTV in der DDR urheberrechtlich schützen zu lassen. Initiativen in der DDR wurde untersagt den Namen ÖTV ohne Zustimmung der ÖTV-Zentrale zu benutzen. Wozu überhaupt keine rechtliche Grundlage bestand. Als erster Schritt zu einer ÖTV auch in der DDR sollte eine Satzungsänderung bringen. Nach ihr konnten Beschäftigte in der DDR Mitglied der bestehenden ÖTV werden. Die Öffnung sollte zum 01.11.1990 erfolgen. Berliner konnten laut Satzung sofort beitreten. Als das Mitglieder des Energiekombinates Berlin wollten wurde das aber abgeblockt. Ab dem 01.06.1990 konnten dann Ostberliner Mitglieder in der ÖTV werden.

Ende Mai wurde den FDGB-Gewerkschaften klar gemacht, dass für sie kein Platz mehr vorgesehen ist. Im Mai wurden Vorbereitungen für die Gründung der ÖTV in der DDR getroffen. Eine "kleine" Gründung erfolgte am 11.05.1990 in Magdeburg. Die "große" Gründung sollte am 09.06.1990 im Klubhaus Georgi Dimitroff in Magdeburg erfolgen. Abgesichert wurde es durch einen Beherrschungsvertrag. Mit der deutschen Einheit sollte sich die gerade gegründete Gewerkschaft wieder auflösen. Kritik gab es wegen fehlender demokratischer Legitimierung von Delegierten und des Fehlens eines Beirates. Die Berliner ÖTV stand der Gründung ablehnend gegenüber.

Die vom Geschäftführende Hauptvorstand der ÖTV aus Stuttgart ins Leben gerufene ÖTV-DDR fand aber nicht den erhofften Anklang. Kamen bisher die Vorgaben von der SED, so jetzt aus Stuttgart. Was nicht gerade Begeisterungsstürme auslöste. Gab es für einige Gründe, in ihrer bisherigen Gewerkschaft zu bleiben, wollten manche direkt in die ÖTV. Die begrenzte Resonanz der ÖTV-DDR war aber auch hausgemacht. Die ÖTV-DDR sollte zunächst alle organisieren, die sich in den bestehenden FDGB-Gewerkschaften nicht aufgehoben fühlten. Eine zu enge Zusammenarbeit mit FDGB-Gewerkschaften war nicht erwünscht.

Für den öffentlichen Dienst führte dann die ÖTV-BRD, beauftragt von ihrem Subunternehmen ÖTV-DDR, als Generalunternehmer die Tarifverhandlungen in der DDR. In Grenznahen Gebieten war die ÖTV schon vorher an der Schließung von Tarifverträgen beteiligt. Die ÖTV setzte sich dafür ein, dass ein kommunaler Arbeitgeberverband gegründet wird, um einen Ansprechpartner für Verhandlungen zu haben. Dadurch sollte eine Vielzahl von Einzeltarifverträgen vermieden werden. Auch in der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik (ČSFR) wurden ein ÖTV-Vertreter, die Friedrich-Ebert-Stiftung und der Verband der kommunalen Arbeitgeberverbände beratend in dieser Richtung tätig.

Einschränkungen für von Gewerkschaften geschlossenen Verträge gab es durch den Vorbehalt aus der Wirtschaft-, Währungs- und Sozialunion ab 01.07.1990. Die Arbeitgeber (West) waren dann auch bei Tarifverhandlungen mit der ÖTV in der DDR dabei. Dei Volkskammer hatte zudem ein Gesetz verabschiedet, das Rationalisierungsschutzabkommen als rechtsunwirksam erklärte.

Die DDR-Gewerkschaften, deren Mitgliedschaft denen der ÖTV entsprach wollten sich aber nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie erhoben eigene Tarifforderungen. Sobald die ÖTV das spitz bekam, konterte sie mit einer Forderung in gleicher Gesamthöhe aber mit einer Kindergeldkomponente und ging als Sieger in dieser Auseinandersetzung hervor.

Obwohl absehbar war, dass es in Zukunft auch auf dem Gebiet der DDR eine Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes geben wird, waren die FDGB-Gewerkschaften, die in diesen Bereich fielen nicht in der Lage eine einheitliche Gewerkschaft zu bilden. Zu gering war die Bereitschaft mal über den eigenen Schatten zu springen.

Deutsche Postgewerkschaft

Die Deutsche Postgewerkschaft in der DDR hatte nur ein kurzes Leben. Die am 10./11.03.1990 auf einer außerordentlichen Zentral-Delegiertenkonferenz in der Gewerkschaftshochschule in Bernau gegründete DPG (Sitz Berlin) wurde nach 31 Wochen zum 31.10.1990 aufgelöst. Beschlossen, von den 128 Delegierten bei einer Stimmenthaltung, auf den 1. und einzigen ordentlichen Kongress am 12./13.10.1990 in Bernau. Mit der Abwicklung der Liquidation wurden zwei Liquidatoren beauftragt. Mit ihrer Kontrolle wurde ein Beirat beauftragt. Vermögen der DPG (Sitz Berlin) sollte an die DPG mit Sitz in Frankfurt/Main übertragen werden.

Die Postler und Fernmelder waren bis zur Gründung der DPG/Berlin in der Industriegewerkschaft Transport und Nachrichtenwesen organisiert gewesen.

Auf einem außerordentlichen Kongress am 29./30.10.1990 beschloss die DPG mit Sitz in Frankfurt/Main die Ausdehnung auf das Gebiet der ehemaligen DDR zum 01.11.1990.

IG Textil, Bekleidung und Leder

Die IG Textil, Bekleidung und Leder ruft, Massenarbeitslosigkeit vor Augen, im Mai 1990 zu einem einstündigen Streik auf.

Gewerkschaft Wissenschaft

Die FDGB-Gewerkschaft Wissenschaft stand auf verlorenem Posten. Sie war klein und hatte keinen Zwilling bei den DGB-Gewerkschaften in einem einheitlichen Deutschland. Die Überlegung, assoziiertes Mitglied des DGB zu werden entpuppten sich als unrealistisch. Auch wenn es Kooperationsprojekte zwischen der Gewerkschaft Wissenschaft und der bundesdeutschen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gab, letztlich wurde die GEW als Lehrergewerkschaft wahrgenommen. Schließlich blieb nur noch die ÖTV.


Einem Aufruf an die Mitarbeiter der Deutschen Post der DDR in dem für den 12.12.1989 in den Kultursaal des Hauptpostamtes Erfurt eingeladen wurde, folgenden nur 40-50 Personen. Ziel war die Gründung einer freien, unabhängigen Postgewerkschaft. Es konstituierte sich eine "Initiativgruppe zur Gründung einer freien unabhängigen Gewerkschaft". Der Gründungsaufruf wurde auf einer Demonstration auf der Marienwiese des Erfurter Domes verlesen. Im Januar 1990 löste sich dieser Versuch in Luft auf.

Eine Interessengemeinschaft für das Cockpitpersonal hatte sich im Januar 1990 bei der INTERFLUG gebildet. Es wurde mit einer Luftfahrtgewerkschaft geliebäugelt.

Eine Gewerkschaftsorganisation der Berufssoldaten gründete sich am 04.01.1990 an der Militärpolitischen Hochschule "Wilhelm Pieck". Ein Verband der Berufssoldaten gründete sich am 20. Januar in Leipzig.

Eine Interessengemeinschaft für Volkspolizeiangehörige bildete sich am 05.12.1989. Sie fühlten sich nicht gewerkschaftlich vertreten, so ihre Begründung.

In Potsdam wurde am 18. Januar 1990 die "Deutsche Volkspolizei Gewerkschaft" (DVPoLG) gegründet. Initiiert von der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (BRD). Ihr war aber kein langes Leben vergönnt.

Am 20.01.1990 wurde in Berlin-Marzahn die Gewerkschaft der Volkspolizei (GdVP) gegründet. Auf ihrem Kongress in Aschersleben im Bezirk Halle, Anfang April 1990, betonten sie frei und unabhängig zu sein. Sie wollten unter dem Dach des FDGB arbeiten. Am 14.02.1990 führte die GdVP Demonstrationen durch. Neben der Fortsetzung der Sicherheitspartnerschaften wurden die Verabschiedung eines Beamten- und eines Gewerkschaftsgesetzes gefordert.

In der GdVP gab es eine "Berufsvertretung Feuerwehr". Im März 1990 bildete sie die "Abteilung Feuerwehr der ÖTV/DDR". Die Freiwillige Feuerwehr "Otto Schieritz" Berlin-Prenzlauer Berg rief im Januar 1990 dazu auf einen eigenen Verband zu gründen.

Der erste Bezirksverband des "Interessenverbandes Beamtenbund" (IBB), gründete sich in Berlin am 09. 02.1990. Eine Bürgerinitiative für einen Beamtenbund bildete sich im Januar 1990. Sie setzte sich für einen Beamtenstatus der Mitarbeiter der Staats- und Kommunalorgane der DDR ein. Der DDR-Beamtenbund wurde am 24.02.1990 in der Berliner Kongresshalle gegründet. Die Gründung erfolgte bevor es überhaupt Beamte in der DDR gab.

Eine Eisenbahnergewerkschaft gründet sich am 14.-15.02.1990 in Berlin.

Am 12. Februar 1990 gründete sich in Gera die Christliche Gewerkschaft Deutschlands (CGD).

Ein "Genossenschaftsverband der LPG und GPG" gründete sich am 02.03.1990 in Markkleeberg. Es wurde gefordert, dass die Ergebnisse der Bodenreform bestand haben müssen. Außerdem wurden klare Aussagen der Regierung zum Eigentum an Grund und Boden verlangt.

In Plessow, Kreis Potsdam fand am 03.03.1990 der Gründungskongress der Gewerkschaft der Zöllner statt. Es wurde eine Satzung und ein Aktionsprogramm angenommen.

Die Deutsche Angestelltengewerkschaft "Energieversorgungsunternehmen Berlin-Brandenburg" (DAG-EVU) gründete sich im April 1990. Eine DAG-Fachgewerkschaft "Wohnungswirtschaft Berlin-Brandenburg" wurde am 01.05.1990 in Berlin-Köpenick gegründet. Sie umfasst die Bezirke Berlin, Cottbus, Frankfurt und Potsdam.

Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) der SPD gründete sich am 22. September 1990 im Chemnitzer "Forum".

Überlegungen, Richtungsgewerkschaften, wie z. B. in Frankreich oder Spanien, zu gründen, gab es in der DDR nicht. Es gab eine eindeutige Orientierung auf die Gewerkschaften im DGB.

Es gab in der DDR fast 1 500 Gewerkschaftsbibliotheken.

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