Verteidigungsminister Admiral Theodor Hoffmann traf gestern mit Armeeangehörigen des Standortes Beelitz zusammen.
Gegenstand des Gesprächs war ein Forderungskatalog von Soldaten und Unteroffizieren, in dem die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zwölf Monate, der Einsatz in der Volkswirtschaft sowie die Verbesserung der Dienst- und Lebensbedingungen enthalten sind. Bei einigen Fragen entschied der Minister sofort deren Klärung, andere wird er der Volkskammer und dem Ministerrat zuleiten.
Im Anschluss teilte der Verteidigungsminister mehreren hundert Armeeangehörigen seine Entscheidungen mit. Das betrifft beispielsweise die Abschaffung der Standortbereiche für den Ausgang, das Recht, ständig über den eigenen Personalausweis verfügen zu können, die Möglichkeit des Klublebens auch nach 22 Uhr und den Wegfall der gemeinsamen Esseneinnahme als "Dienstpflicht". Noch in dieser Woche, so Admiral Hoffmann, werden entsprechende Weisungen für die Teilstreitkräfte erlassen.
Forderungen aus dem Standort Beelitz hatten sich Soldaten aus Basepohl, Neuseddin, Erfurt und Warin angeschlossen.
(Berliner Zeitung, Mi. 03.01.1990)
Am Dienstag traf sich Verteidigungsminister Admiral Theodor Hoffmann mit Angehörigen der NVA des Standortes Beelitz. Diese hatten einen 24 Punkte umfassenden Forderungskatalog vorgelegt. In einer Diskussion mit den Sprechern der Soldaten sicherte der Minister die Erfüllung einiger Forderungen sofort zu. Das betraf unter anderem die Rückführung und den Einsatz von Ausbildungssoldaten in die Nähe ihrer Heimatorte, die Abschaffung von Privilegien für Offiziere und der Standortbereiche für den Ausgang, die Verlängerung des Klublebens nach 22 Uhr, den Wegfall der gemeinsamen Essenseinnahme als "Dienstpflicht" und das Recht, über den Personalausweis ständig verfügen zu können.
Genaue Weisungen dafür gibt es noch in dieser Woche. Andere Forderungen wie die Erhöhung des Verpflegungssatzes oder die Verkürzung des Wehrdienstes sollen so schnell wie möglich geregelt werden. Nach der Bekanntgabe der Position des Ministers sprach "Tribüne" mit einigen am Protest beteiligen Unteroffizieren und Soldaten.
• Wann begann eure Aktion?
Feldwebel Jens R(...): In der Silvesternacht. Die ersten waren die Leute von der Ausbildungsbasis und der Artillerie. Nach und nach schlossen sich alle Einheiten an.
• Warum habt ihr den Dienst verweigert? Gab es keine anderen Möglichkeiten, sich mit den Verantwortlichen zu einigen?
Unterfeldwebel Asbjörn R(...): Der Frust war mittlerweile groß geworden. Die angekündigten Reformen werden nur schleppend verwirklicht. Mit profanen Zugeständnissen wie das Tragen eines Oberlippenbartes oder von Zivilkleidung im Ausgang können wir uns nicht zufriedengeben.
Feldwebel R(...): Entscheidend war euch, dass an wichtigen Stellen noch Stalinisten sitzen. Man kann nicht allen Offizieren den guten Willen absprechen, manche unterstützten uns aktiv. Aber die meisten haben sich nicht geändert.
• Wie verhielt dich die Bevölkerung?
Unterfeldwebel R(...): Die Leute haben sich mit Herz und Seele dahintergeklemmt. Sie versorgten uns mit heißen Getränken, Brot und Wurst. Auch die moralische Unterstützung ist groß gewesen.
• Seid ihr mit den Ergebnissen zufrieden?
Soldat L(...): Mit dem, was wir soeben hörten, schon. Das andere muss man erst abwarten.
M. W.
(Tribüne, 04.01.1990)
BERLIN (adn). Soldaten und Unteroffiziere des NVA-Standortes Neuseddin haben sich in der Nacht zum Dienstag solidarisch erklärt mit den am Neujahrstag von Armeeangehörigen in Beelitz erhobenen Forderungen zur rascheren Durchsetzung einer Militärreform.
In einer dem ADN übermittelten Erklärung brachten sie insbesondere ihre Unterstützung für die Forderung nach Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zwölf Monate zum Ausdruck. Unteroffiziere auf Zeit sollten künftig nicht mehr drei Jahre, sondern nur noch 24 Monate dienen, beißt es in der Erklärung der Neuseddiner Armeeangehörigen. Zugleich fordern sie die Auflösung der NVA-Bauregimenter wegen "Unrentabilität und veralteter Technik". Alle Soldaten sollten In ihre Heimatbezirke zurückkehren und bis zur Vollendung der zwölfmonatigen Grundwehrdienstzeit in ihren Heimatbetrieben gegen Entlohnung in Höhe des Wehrsoldes arbeiten.
(National-Zeitung, Mi. 03.01.1990)
In Beelitz geht der Streik der Soldaten in der Friedrich Wolf Kaserne weiter. Gefordert wird auch die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes. Dem Angereisten Verteidigungsminister, Theodor Hoffmann, wird ein Forderungskatalog mit 24 Punkten vorgelegt. Nach den Verhandlungen mit den Soldaten, verkündet Theodor Hoffmann, nach der Beendigung der Ausbildung am 26.01. werden die Soldaten zu ihren heimatlichen Wehrkreiskommandos zurückgeführt. Es ist der Einsatz dort in der Volkswirtschaft vorgesehen. Die Soldaten kehren in die Kaserne zurück.
Theodor Hoffmann sagt in einem Interview in der Zeitschrift "Stern" Nr. 3, 11.-17.01.1990: "Ich bin dort aufgetreten und habe den Soldaten die Situation erklärt. und ich muss sagen, die Soldaten dort haben das verstanden. Was hätte ich sonst tun sollen? Was wäre gewesen, wenn wir versucht hätten, das mit Gewalt zu klären? Das sind Männer, die an Waffen ausgebildet sind, die Waffen handhaben können. Aber wir wollten natürlich Waffen in der gegenwärtigen Zeit nicht einsetzen."