12.01. Verzicht auf Nachfolgeeinrichtungen der Staatssicherheit vor der Volkskammerwahl
14.01. Deutsch-Deutsche Wirtschaftskonferenz
15.01. "Sturm" auf die Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg
17.01. Die erste Ausgabe der Anderen Zeitung in Magdeburg erscheint
18.01. Die Bundesregierung stellt klar, die vereinbarte Vertragsgemeinschaft vor der Volkskammerwahl wird es nicht geben.
19.01. Ingrid Matthäus-Maier von der bundesdeutschen SPD schlägt eine Währungsunion vor
25.01. Die Regierung verabschiedet eine Joint-venture-Verordnung
28.01. Die Volkskammerwahl wird auf den 18.03. vorgezogen
Mi. 31. Januar 1990
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FDGB Kongress
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Über eine grundlegende Neugestaltung der Gewerkschaftsarbeit in der DDR diskutieren seit Mittwoch Vormittag in einer zum Teil turbulenten, aber zu Beginn wenig ertragreichen Debatte 2 516 Delegierte auf dem Außerordentlichen FDGB-Kongress in Berlin. Ihnen liegen der Entwurf einer neuen Satzung, ein gewerkschaftliches Aktionsprogramm, ein Entwurf für ein Gewerkschaftsgesetz, das der Volkskammer zugeleitet werden soll, sowie eine Reihe von weiteren Grundsatzanträgen und mehrere Rechenschaftslegungen wie ein Finanzbericht vor.
Der FDGB soll künftig nur noch Dachverband ohne eigenen Territorialapparat sein. Schnelle Schritte seien erforderlich, so der Vorsitzende des Vorbereitungskomitees, Werner Peplowski, damit die Industriegewerkschaften und Gewerkschaften künftig Tarifautonomie, und Finanzhoheit besitzen, wie es der Entwurf der neuen Satzung vorsieht Ob der FDGB seinen Namen ändern solle oder nicht darüber gingen in der Diskussion die Meinungen auseinander. Nach langwieriger, widersprüchlicher Debatte entschied die Mehrheit der Delegierten, dass der Bund vorerst seinen alten Namen behält. Endgültig soll darüber in einer Urabstimmung der Basis entschieden werden.
Der gewerkschaftliche Ausschuss zur Untersuchung von Korruption und Amtsmissbrauch erstattete einen vorläufigen Bericht der im vollen Wortlaut in der Gewerkschaftspresse veröffentlicht wird. Die Delegierten plädierten dafür, dass der ehemalige Vorsitzende Tisch und alle anderen an der Veruntreuung gewerkschaftlicher Gelder Beteiligten umgehend strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Der Kongress richtete einen entsprechenden Appell an den Generalstaatsanwalt der DDR.
In der Debatte um den Entwurf des Gewerkschaftsgesetzes waren sich die Sprecher der IG und Gewerkschaften weitgehend einig, dass dieses Gesetz so schnell wie möglich von der Volkskammer beraten und beschlossen werden soll. Auf jeden Fall müsse dies vor dem 18. März geschehen. Dieser Forderung werde auch notfalls durch einen Streik Nachdruck verliehen, erklärten einige Redner. Zustimmung gab es auch zum Vorschlag, Streikrecht und Aussperrungsverbot zusätzlich in die Verfassung aufzunehmen.
In der Nachtsitzung, die bei Redaktionsschluss noch andauerte, war die Diskussion zum Satzungsentwurf in vollem Gange.
(Neues Deutschland, Do. 01.02.1990)
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SPD Leipzig
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Der Kreisvorstand der Leipziger SPD hat nach Bekanntwerden der Gründung eines Kreisverbandes der Republikaner gestern von der Justiz gefordert, unverzüglich strafrechtliche Schritte gegen die Leipziger Mitglieder der Schönhuber-Partei einzuleiten. Wie der Leipziger SPD-Chef Karl Kamilli erklärte, habe die SPD in jüngster Zeit mehrfach Drohbriefe erhalten, die unverkennbar rechtsradikalen Inhalt offenbaren. Die junge Demokratie in der DDR müsse dazu imstande sein, konkrete Bedrohungen von rechts abzuwehren.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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Neues Forum
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Die Vereinigte Linke Rostock fordert ein Betriebsrätegesetz
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Die sofortige Schaffung eines Betriebsrätegesetzes hat die Vereinigte Linke Rostock gefordert. Es soll die demokratische Wahl von Betriebsräten garantieren und deren Rechte und Pflichten festlegen. In einer künftigen Wirtschaft müssten starke Betriebsräte und Gewerkschaften Hand in Hand gehen.
(Bauern-Echo, Mi. 31.01.1990)
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DIE NELKEN
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Die Nelken versagen der Regierung Modrow - Luft die weitere Unterstützung. Sie betriebe eine Politik, die zum Massenruin führe. Der Wahltermin stelle die bisherige Arbeit des Runden Tisches in Frage. Die am Runden Tisch vertretenen Parteien und Vereinigungen hätten Vergünstigungen - finanzielle und materiell-technische - , die andere, auch die Nelken, nicht haben.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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KPD gegründet
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Die Kommunistische Partei Deutschlands auf dem Territorium der DDR ist am Mittwoch in Berlin wiedergegründet worden. Mit der von acht Mitgliedern des Komitees zur Wiedergründung der KPD unterzeichneten Gründungsurkunde verpflichtet sich die Partei zum Humanismus, Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit. Das versammelte Gremium wählte eine bis zum 10. Februar wirkende geschäftsführende Zentrale unter Vorsitz von Klaus Sbrzesny.
(Neues Deutschland, Do. 01.02.1990)
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LDPD und F.D.P.
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Die LDPD und die sich gründende F.D.P. der DDR könnten möglicherweise noch vor den Parlamentswahlen eine Partei der Mitte werden, stellten gestern in Dresden Abgeordnete mit LDPD-Mandat in örtlichen Parlamenten des Elbebezirkes fest. An ihrer Beratung nahm der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende im BRD-Bundestag, Wolfgang Mischnick teil. Seine Partei sei bereit, mit den Führungen von LDPD und F.D.P. der DDR zu sprechen, was man mit Blick auf die geplante gemeinsame liberale Partei tun könne.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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Sozialdemokratische Plattform der SED-PDS
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Die Mitglieder der sozialdemokratischen Plattform der SED-PDS haben auf ihrer Berliner Versammlung am Mittwoch beschlossen, sich als Plattform aufzulösen und als Sozialdemokratischer Arbeitskreis (SDA) zu konstituieren.
Die SDA bekennt sich zu den fortschrittlichen Traditionen der Sozialdemokratie, die zum Erbe aller linken Kräfte der Gegenwart gehören. Er versteht sich als parteiübergreifend und ist offen für all jene, die sich diesen Traditionen verpflichtet fühlen. Der SDA ist zur theoretischen und praktischen Zusammenarbeit mit all jenen Parteien, Gewerkschaften und Bewegungen bereit, die sozialdemokratisches Gedankengut vertreten.
Die Mitglieder des SDA wollen zur Aufarbeitung sozialdemokratischer Geschichte und Gegenwart beitragen. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei einerseits der Popularisierung des Werkes und Wirkens solcher herausragenden sozialdemokratischen Persönlichkeiten wie August Bebel, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg, Heinrich Cunow, Eduard Bernstein, Rudolf Hilferding, Otto Bauer und andererseits aktuellen Strömungen und Fragestellungen in der Entwicklung der Sozialdemokratie seit 1945 in beiden deutschen Staaten.
Der SDA verstehe sich nicht als akademischer Debattierklub, erklären die Mitglieder, sondern als große Informations-, Bildungs- und Diskussionsrunde, die jüngere wie ältere Arbeiter und Bauern, Handwerker und Angehörige der Intelligenz vereint.
(Berliner Zeitung, Fr. 02.02.1990)
Im Oktober 1990 bekam der Sozialdemokratischer Arbeitskreis e. V. eine Aufforderung vom SPD-Parteivorstand den Begriff "sozialdemokratisch" im Namen und in der Satzung zu unterlassen. Um den juristischen Streit aus dem Wege zu gehen wurde eine Umbenennung in "Kautsky-Bernstein-Kreis e. V. Zum Studium sozialdemokratischer Geschichte und Politik" vorgenommen.
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Die Vorverlegung des Wahltermins trifft auf Für und Wider
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Der Kompromiss zwischen der Regierung Modrow und Vertretern der Parteien und Gruppierungen am Runden Tisch - hinsichtlich Regierungsbeteiligung und Vorverlegung des Wahltermins - trifft auf ein "Für", bei nicht am Runden Tisch vertretenen Gruppierungen auf ein "Wider".
So benannte jetzt der geschäftsführende Ausschuss von "Demokratie Jetzt" Dr. Wolfgang Ullmann als parteiunabhängigen Minister für die Regierung. Man hoffe, dass Dr. Ullmann als Experte für Rechtsfragen die notwendige Reform des politischen Systems hin zu freien Wahlen auf Regierungsebene vorantreibt. Die "Initiative für Frieden und Menschenrechte" betraut Gerd Poppe mit einer Funktion in der Modrow-Regierung.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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Lehrlinge demonstrieren in Berlin
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Die Weltzeituhr [Berlin Alexanderplatz] ist dicht umlagert, es sind rund 5 000 Lehrlinge, die sich zur zweiten Demo finden. Mancher ist nicht gekommen, weil ihm sein Lehrmeister mit Disziplinarmaßnahmen drohte. Unter Rufen wie "Mehr Geld" und "Wir sind die Zukunft!" zieht man durch die Stadt. Angemeldet ist die Demo nicht, trotzdem hält die VP die Straßen frei. Vor dem Haus der Ministerien angekommen, ist zunächst Geduld gefragt. Schließlich erscheint Bodo Weidemann [stellvertretender Minister für Bildung] und bittet, megaphon-akustisch verstärkt, verantwortliche Sprecher zu benennen, mit deren er sich zusammensetzen wird.
(Junge Welt, Do. 01.02.1990)
Für höheres Lehrlingsgeld und mehr Urlaub demonstrierten um Mittwochvormittag in Berlin rund 1 000 Lehrlinge. Mit Rufen wie "Mehr Geld" und "Mehr Urlaub" verliehen sie ihren Forderungen vor dem Haus der Ministerien, dem Sitz des für Berufsbildung verantwortlichen Stellvertreters des Ministers für Bildung, Nachdruck. Über Megaphon wandte sich daraufhin Minister Bodo Weidemann an die versammelten Jugendlichen. Das Lehrlingsentgelt werde ab 1. Mai 1990 um 50 Prozent erhöht, kündigte er unter dem Beifall der Versammelten an.
(Der Morgen, Do. 01.02.1990)
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Proteste gegen Dreck und Fluglärm
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"Mutti, ich möchte Erdbeeren ohne Kerosin!" oder "Was lebt, braucht Luft!" ließen die Leute aus Bohnsdorf am Mittwochabend von ihren Plakaten und Transparenten prangen. Und wer aus ferneren Stadtteilen ins südöstliche Randgebiet kam, fand rund um das Volkshaus eine Menschenmenge, die die harmlose Mitteilung, Bürgerinitiative "Leben in Bohnsdorf“ - Treffen mit Verantwortlichen zum Thema Flughafen Schönefeld, nicht hätte erwarten lassen. Zugeparkt die Straßen rund um die Dahmestraße auch Karossen westlich ausladender Spurbreite darunter - Lautsprecher übertragen die Debatten im Inneren vor das Gebäude, das vermutlich seinen Namen noch nie so verdiente wie an diesem Abend. Einige tausend Anwohner, zusammengekommen im Interesse ihrer Gesundheit und um der Ökologie im Terrain willen, gegen einen Schutz der stählernen Vögel.
(Neue Zeit, Fr. 02.02.1990)
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Interessenvertretung für Menschen mit geistiger Behinderung
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Am letzten Tag im Januar trafen sich mehr als 100 Angehörige und Betreuer geistig behinderter Menschen in der Rehabilitationswerkstatt Bernhard-Bästlein Straße 12 in Berlin. Sie waren sich dann einig, dass die geistig Behinderten eine starke Interessenvertretung brauchen. Uneinigkeit herrschte jedoch in der Frage, ob dies eine selbständige Vereinigung sein müsste oder ob eine Sektion im Rahmen des Behindertenverbandes diese Aufgabe erfüllen könnte. Die Probleme geistig behinderter Mitmenschen sind zu defizil und spezifisch, als dass sie in einem undifferenzierten Behindertenverband effektiv zu lösen wären. Mit den Ausschlag für das "Ja" zu einem selbständigen Verein gab das Argument, dass es dann auch bessere Möglichkeiten gäbe, finanzielle Mittel verfügbar zu machen und einzusetzen. In Anlehnung an den Schwesternverband in der BRD entschieden sich die Anwesenden für den Namen "Vereinigung Lebenshilfe für geistig behinderte Menschen Berlin".
Ein eigenes Statut wurde aufgestellt, dass unter anderem folgende Aufgaben der Vereinigung verankert: Einflussnahme auf die Gesetzgebung in Bezug auf die Rechte geistig Behinderter und ihrer Angehörigen und Betreuer, deren Umsetzung in der Kommunalpolitik, die Kontrolle der Einhaltung getroffener Festlegungen sowie die Förderung aller Maßnahmen, Initiativen und Einrichtungen zum Wohle geistig Behinderter. Die Mitgliedschaft im Behindertenverband wurde beantragt. Für April ist geplant, dass sich die 15 bestehenden Interessengruppen für die Belange geistig Behinderter in der DDR zu einer landesweiten "Vereinigung Lebenshilfe DDR" zusammenschließen.
(Berliner Zeitung, Sa. 17.02.1990)
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Sorbischunterricht wird aufgewertet
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Der Sorbischunterricht an 64 Oberschulen im zweisprachigen Gebiet der DDR, den gegenwärtig etwa 6 000 Kinder zusätzlich zum obligatorischen und fakultativen Unterricht erhalten, wird ab nächstem Schuljahr bedeutend aufgewertet. Sorbisch wird künftig als ein wahlobligatorisches Sprachfach an den Oberschulen, erweiterten Oberschulen, Fach- und Hochschulen anerkannt. Das sieht eine Ende Januar vom Ministerium für Bildung getroffene Grundsatzentscheidung vor. Somit ist Sorbisch ab 5. Klasse dem Fremdsprachenunterricht gleichgestellt und kann anstatt von Russisch, Englisch oder Französisch erlernt werden.
(Berliner Allgemeine, Mi. 14.02.1990)
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Berufsverband für das gesamte mittlere medizinische Personal
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Über 309 Schwestern, Physiotherapeuten, Laboranten, Pfleger, Zahntechniker sowie Krippenerzieherinnen gründeten gestern in Berlin den Berufsverband für das gesamte mittlere medizinische Personal der DDR.
Zusätzlich lagen für diese Gründung zirka 2 500 Zustimmungserklärungen vor.
Hauptanliegen ist es, mehr Mitspracherecht bei großen Entscheidungen im Gesundheits- und Sozialwesen zu erlangen, um damit auch den gesellschaftlichen Stellenwert des mittleren medizinischen Personals anzuheben. Auf der Gründungsveranstaltung wurde ein Forderungskatalog verlesen, der bereits der Arbeitsgruppe Gesundheits- und Sozialwesen beim Runden Tisch vorgelegt wurde. Er beinhaltet sowohl Tarifforderungen - unter anderem die Erhöhung des Grundgehalts auf das Doppelte - als auch Mitspracherecht bei Kaderentscheidungen, die ausschließlich nach fachlicher Kompetenz gefällt werden sollten. Um in medizinischen und sozialen Einrichtungen nicht weiter ständig zu improvisieren, ist unbedingt eine Erhöhung des Anteils des Gesundheitswesens am Nationaleinkommen vonnöten.
Dieser Katalog wird dem Ministerium für Gesundheits- und Sozialwesen übergeben. Bleibt er ohne Resonanz, ist das mittlere medizinische Personal von den Anwesenden aufgerufen, sich am 3. März an landesweiten Protestdemonstrationen zu beteiligen.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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In Dessau werden Waffen vernichtet oder unbrauchbar gemacht
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Entgegen dem Regierungsbeschluss sowie einer Empfehlung des zentralen Runden Tisches wurden gestern in Dessau vor allem veraltete Waffen von insgesamt elf Kampfgruppeneinheiten unter öffentlicher Kontrolle vernichtet oder unbrauchbar gemacht. Dabei handelte es sich um fast 1 300 Maschinenpistolen und -gewehre, über 80 Panzerbüchsen sowie rund 170 Pistolen. Die Aktion war vom Runden Tisch der Muldestadt beschlossen worden, da eine sichere Lagerung - wie bisher in der Republik üblich durch die VP nicht gewährleistet werden konnte.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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Regionalausschuss zwischen den Bezirken Rostock und Schwerin mit dem Bundesland Schleswig-Holstein konstituiert sich
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Das BRD-Bundesland Schleswig-Holstein und die DDR-Bezirke Rostock und Schwerin bilden gemeinsam einen "vorläufigen Regionalausschuss". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete gestern, dass sich der Ausschuss nach Mitteilung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm unter, anderen mit Fragen der Verkehrsinfrastruktur, der wirtschaftlichen Qualifikation von Beschäftigten und der Abfallbeseitigung befassen wird. Er soll seine Arbeit am 31. Januar mit einer konstituierenden Sitzung in Lübeck aufnehmen.
(Bauern-Echo, Do. 18.01.1990)
In Lübeck konstituiert sich zwischen den Bezirken Rostock und Schwerin mit dem Bundesland Schleswig-Holstein ein vorläufiger Regionalausschuss. Er geht auf Beschlüsse der Räte der Bezirke Rostock und Schwerin und der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 16.01.1990 zurück. Der Bezirk Neubrandenburg trat später bei.
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"Wirtschaftswoche" veranstalteten deutsch-deutschen Wirtschaftsdialog
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Rund 600 hochkarätige Gäste aus der BRD, Westberlin und der DDR trafen sich gestern [31.01.] zu einem von der Zeitschrift "Wirtschaftswoche" veranstalteten deutsch-deutschen Wirtschaftsdialog im Berliner Palasthotel.
Dabei ging es um beste Bedingungen für eine engere Kooperation der Firmen aus Ost und West, um die Bildung von gemischten Unternehmen (Joint ventures), um die Möglichkeiten der Konvertierbarkeit der DDR-Mark und um das, was die angesagte Wirtschaftsreform in der DDR dafür an Voraussetzungen schafft.
Am Podiumsdialog beteiligt: Wirtschaftsministerin Prof. Luft, Außenhandelsbankpräsident Prof. Polze, EKO-Generaldirektor Dr. Döring und sein Amtskollege vom Fritz-Heckert-Kombinat Prof. Winter, der Chef des "Demokratischen Aufbruchs" Schnur (alle DDR), sowie aus der BRD die Vorstandschefs von Hoesch, Dr. Rohwedder, von Thyssen, Dr. Spethmann, und von der Deutschen Bank, Dr. Zapp.
Die Debatte, an der sich auch die Zuhörer mit Fragen und Statements beteiligen konnten, zeigte einerseits, dass die von Frau Luft dargelegten Gedanken zur Wirtschaftsreform (das Paket liegt heute der Regierung vor) auf viel Gegenliebe stießen. Dazu gehören die Joint-venture-Verordnung, die Zusicherung für volle Gewerbefreiheit, die Veränderung des Bankensystems usw.
Andererseits verdeutlichte das Streitgespräch, dass den Geschäftsleuten aus dem Westen die Eigentumsfragen noch zu wenig auf die Herausbildung eines starken privaten Mittelstandes orientieren, die noch eingeschränkte freie Preisbildung als Hindernis erscheint und die Entflechtung der Kombinate mit ihrer Warenhausproduktion nicht energisch genug betrieben wird.
Nach dem vorsichtigen Schlagabtausch auf dem Podium schien die deutsch-deutsche Wirtschaft aber ganz anders zur Sache zu gehen. Beim anschließenden Empfang konnte man Generaldirektoren Ost mit Managern West über sehr konkrete gemeinsame Geschäftsanbahnungen reden hören.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
Der Bericht über das Treffen in der "Wirtschaftswoche" schließt mit den Sätzen: "Privatwirtschaftliche Investoren denken nicht an Hilfe, sondern an Gewinn. 'Investitionen müssen sich rechnen, so einfach ist das', betonte Thyssen-Chef Spethmann. Damit war eigentlich alles gesagt."
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Angehörige der NVA bewerben sich bei der Bundeswehr
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Angehörige der Nationalen Volksarmee, darunter auch aktive Stabsoffiziere, haben sich bei der Bundeswehr beworben, erklärte gestern ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Bonn. Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) befürwortete in einem Fernsehinterview grundsätzlich eine Aufnahme von Soldaten der NVA in die Bundeswehr. Junge Männer, die nur bei der NVA gedient haben, könnten ohne grundsätzliche Probleme bei der Bundeswehr eingestellt werden.
(Berliner Zeitung, Do. 01.02.1990)
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Partnerschaft zwischen Bayern und den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig
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Der Beginn einer Partnerschaft zwischen dem Freistaat Bayern und den drei sächsischen Bezirken Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt wurde am Mittwoch bei Gesprächen zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Max Streibl sowie den Vorsitzenden der Räte der Bezirke Prof. Dr. Wolfgang Sieber, Joachim Draber und Lothar Fichtner markiert. Noch im Februar wird eine Arbeitsgemeinschaft für eine Zusammenarbeit auf allen Gebieten gebildet. Erste Gespräche dazu nahmen auch die in Begleitung Streibls nach Dresden gekommenen Experten aus Wirtschaft und Finanzwesen mit Ratsmitgliedern sowie Vertretern basisdemokratischer Parteien und Gruppierungen der Bezirke auf.
Im Verlauf des eintägigen Besuchsprogramms führte der bayerische Ministerpräsident Gespräche mit Mitgliedern der DSU und kirchlichen Vertretern.
Vor der Presse erklärte Max Streibl, der Freistaat Bayern werde keine breitangelegte Zusammenarbeit mit Partnern in der DDR vor den Wahlen am 18. März unternehmen. Erst müsse in der DDR das Wirtschaftssystem vom Kopf auf die Füße gestellt und klar von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergegangen werden. Er kündigte an, die DSU im Wahlkampf zu unterstützen, "wenn gewünscht, auch mit Rednereinsatz".
(Neues Deutschland, Do. 01.02.1990)
In Max Streibels Gefolge befindet sich auch Prinz Albert von Sachen. Er sagte: "Ich fühle mich hier zuhause, und ich meine nach der Wahl wenn eine allgemein legitimierte Regierung ins Amt kommt, müsste man die Frage des Wohnsitzes und der Eigentumsrechte aufgreifen."
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Ein ADAC soll in der DDR gegründet werden
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München (AP/DM). Der ADAC in der Bundesrepublik wird zusammen mit dem "KFZ-Hilfsdienst" der DDR einen Allgemeinen Deutschen Automobil Club gründen. An der neuen DDR-Pannenserviceorganisation werde sich der "KFZ-Hilfsdienst" mit 51 Prozent und der ADAC mit 49 Prozent beteiligen, teilte die Münchner Zentrale des Autoklubs am Mittwoch mit. Sobald es rechtlich möglich sei, sollten beide Partner jeweils 50 Prozent der Anteile am ADAC der DDR hatten.
(Der Morgen, Fr. 02.02.1990)
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Bürgerforum "Olympische Spiele 2000 in Berlin" gegründet
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Ein Bürgerforum "Olympische Spiele 2000 in Berlin" ist am Mittwoch gegründet worden. "Gemeinsame Olympische Sommerspiele im Jahr 2000 in Berlin entsprechen dem Willen der meisten Bürger," wird betont. Das NOK, alle Parteien und Bürgerinitiativen sind aufgerufen, sich zu äußern.
(Berliner Zeitung, Fr. 02.02.1990)
Bei dem Treffen am 19.06.1989 zwischen dem Generalsekretär der SED, Erich Honecker, und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, schlug Walter Momper vor, ganz Berlin solle sich für die Olympischen Spiele 2004 bewerben. Soweit er wisse, antwortete Erich Honecker, werde Leipzig seine Kandidatur für die Olympischen Spiele 2004 abgeben.
Leipzig. ADN Im Zusammenhang mit der nach dem Gespräch zwischen Erich Honecker und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin (West), Walter Momper, aufgeworfenen Frage zur Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahre 2004, erklärte der Leipziger Oberbürgermeister Dr. Bernd Seidel gegenüber Journalisten, die Stadt Leipzig habe die Absicht, zum gegebenen Zeitpunkt einen Antrag an das Internationale Olympische Komitee zu stellen.
(Berliner Zeitung, Mi. 21.06.1989)
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BRD Außenminister Hans-Dietrich Genscher Keine NATO-Ausdehnung nach Osten
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Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat sich gegen Neutralität in einem wiedervereinigten Deutschland ausgesprochen. In einer Rundfunksendung warnte Genscher am Mittwoch, ein "neutralisiertes Deutschland" würde "eher einen Faktor der Unsicherheit" in Europa darstellen. Es sei im übrigen auch nicht das Ziel der Sowjetunion. Wohl aber müsse man erkennen, dass die Bündnisse heute ihre Aufgaben veränderten. Sie würden immer mehr politischen Charakter annehmen und schließlich aufgehen in gesamteuropäischen kooperativen Sicherheitsstrukturen, erklärte Genscher.
Deshalb empfehle sich für die Bundesrepublik Deutschland zunächst der weitere Verbleib im westlichen Verteidigungsbündnis NATO. Dies könne natürlich nicht bedeuten, dass die integrierte NATO-Verteidigung nach Osten vorrücke und die DDR mit einschließe, betonte Genscher.
(Der Morgen, Do. 01.02.1990)
Gegen die Einverleibung vier DDR in die NATO hat sich BRD-Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf einer Tagung in Tutzing bei München ausgesprochen. Gleichzeitig wandte er sich jedoch auch dagegen, dass die Bundesrepublik im Falle einer deutschen Einheit aus der NATO austritt.
Genscher betonte in diesem Zusammenhang, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heiße naher an die Grenzen der Sowjetunion heran, werde es nicht geben. Diese Sicherheitsgarantien seien für die Sowjetunion von elementarer Bedeutung. Weiter stellte er fest: "Vorstellungen, dass der Teil Deutschlands, der heute die DDR bildet, in die militärischen Strukturen der NATO einbezogen werden solle, würden die deutsche Annäherung blockieren." Das schließe allerdings den Verbleib der BRD in der NATO ein, denn "ein deutscher Neutralismus würde niemandem nutzen". Genscher setzte sich für die Entwicklung kooperativer Sicherheitsstrukturen ein, In denen später die beiden Militärbündnisse aufgehen könnten.
(Der Morgen, Fr. 02.02.1990)
BRD Außenminister Hans-Dietrich Genscher stellt in der Evangelischen Akademie in Tutzing die Frage was vereint werden soll und antwortet: "… die beiden deutschen Staaten einschließlich Berlin. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Grenzgarantie an alle unsere Nachbarn muss die erste gemeinsame Willensbekundung der beiden freigewählten deutschen Parlamente und Regierungen sein."
"Sache der NATO ist es, eindeutig zu erklären: Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben."
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Scharfer Briefwechsels zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Shamir
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Das Thema Wiedervereinigung ist nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch zum Gegenstand eines scharfen Briefwechsels zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Shamir geworden. Kohl hätte in einem Brief energisch gegen wiederholte Erklärungen des israelischen Premiers protestiert, wonach von einem wiedervereinigten Deutschland eine "tödliche Gefahr für die Juden" ausgehen könne.
Shamir habe in einem "schroffen Antwortschreiben" nichts von seinen Äußerungen zurückgenommen.
(Junge Welt, Do. 01.02.1990)
Die erste Nummer des "Thüringer Anzeigers" ist in Erfurt verkauft worden. Sie erklärte sich als unabhängig und will besonders den neuen Parteien die Spalten öffnen.
(Berliner Zeitung, Mi. 31.01.1990)
In Bischofswerda hält Lothar Späth, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, vor dem Rathaus über Megaphon eine Rede.
In Sondershausen löst sich der Demokratische Aufbruch auf.
In Oppurg (Saale-Orla-Kreis) wird eine Ortsgruppe der SPD gegründet.
In Dresden gründet sich der örtliche Sozialdemokratische Jugendverband. Er ist auch provisorisch für den gleichnamigen Bezirk zuständig.
In Berlin wird die Kommunistische Partei Deutschlands wiedergegründet.
Eine Industrie- und Handelskammer für das Land Sachsen-Anhalt wird in Magdeburg gegründet. Das teilt die Nachrichtenagentur ADN mit.
Vor der Presse in Dessau werden vom örtlichen Bürgerkomitee Waffen aus den Beständen des MfS/AfNS vernichtet.
In einem Aufruf des Bürgerkomitees Magdeburg an die Bevölkerung wird gefordert: "Schwerter zu Pflugscharen", "Stasi-Waffen zu Pflugscharen".
Die Begleitung und Aufklärung von Schiffen der Bundesmarine und der NATO durch die Volksmarine wird eingestellt.
Beratung der deutsch-deutschen Kommission "Nationalparks, Naturparks".
In Kopenhagen treffen sich Delegationen aus der DDR und Israel um über die Verbesserung der Beziehungen beider Länder zu sprechen.
Nach Angaben des Statistischen Amtes der DDR betrugen die "Auswanderungsverluste der DDR gegenüber der BRD" im Januar 40 820 Personen.
Nach einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums sind im Januar 58 043 Übersiedler aus der DDR in die Bundesrepublik gekommen.
Um Platz in einer Kaserne in Hamburg für Übersiedler frei zu machen, sollen zwei Kompanien der Bundeswehr verlegt werden. Dagegen kommt es zu Protesten.
Im Bundeskabinett kündigt Bundeskanzler Helmut Kohl ein Konzept für einen Stufenplan bis zur Vereinigung beider deutschen Staaten an. Arbeitsstäbe sollen eingerichtet werden. Mit der Modrow-Regierung soll es keine weiteren Gespräche über eine Vertragsgemeinschaft mehr geben.
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