Der französische Präsidenten, François Mitterrand spricht in der Karl-Marx-Universität in Leipzig.
Dort sagt er u. a.: "Zur Zeit gibt es zwei Staaten. Diese beiden Staaten haben eine souveräne Existenz. Jeder der beiden ist sein eigener Herr, weil er seinen Willen ausdrückt oder, davon geht man ja aus, den Willen einer Nation, eines Volkes ausdrückt. Man kann nicht mit einem Strich die europäische Realität auslöschen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Das ist nicht Ihr Fehler, das ist nicht meiner, aber es ist so.
Es ist also eine gewisse Ordnung - wenn man das so nennen kann - in Europa entstanden, um zwei Militärbündnisse herum, mit einem Gleichgewicht zwischen diesen beiden Bündnissen und auf der Grundlage von Grenzen, die durch internationale Abkommen zu Protokoll genommen und bekräftigt wurden, von denen die letzten die Abkommen von Helsinki von vor vierzehn Jahren sind.
(...)
Ich sage also, die deutsche Einheit hängt zuerst wesentlich vom deutschen Volk ab. Wenn das deutsche Volk entscheidet, dass es so sein soll, wird Frankreich sich dem nicht entgegenstellen.
Aber das deutsche Volk muss bei seiner Entscheidung das europäische Gleichgewicht berücksichtigen. Es kann nicht eine Realität missachten, die aus ihm, im Osten, ein sehr aktives Mitglied des Warschauer Pakt genannten Bündnisses mit starken ausländischen Truppen auf seinem Boden macht, genauso wenig wie die Bundesrepublik nicht eine vergleichbare Situation mit ihren westlichen Verbündeten missachten kann. Ich sage also, dass die deutsche Einheit zweitens eine Angelegenheit Ihrer Nachbarn ist, die sich nicht an die Stelle des deutschen Willens zu setzen haben, die aber das Gleichgewicht Europas zu wahren haben.
Das ist beinahe ein Widerspruch. Zwei verschiedene Elemente einer Analyse, die These und Antithese für eine Synthese sein können. Ich glaube dass es möglich ist, dass heißt, dass man gleichzeitig die Formen der deutschen und der europäischen Einheit voranbringen kann. Sonst kommt man zu einem Ungleichgewicht, über das Sie nachdenken werden müssen, wenn Sie wählen."
Er trifft sich mit Persönlichkeiten aus der DDR, so mit Kurt Masur und Stefan Heym.
Bei einem treffen mit Gregor Gysi sagt dieser: Eine Wiedervereinigung jetzt wäre ein Sieg der Rechten in Europa. Die Linke würde an den Rand gedrückt werden, auch die SPD, obwohl sie es noch nicht einsehen will. Meine Verantwortung sehe ich darin, meine Partei zu stabilisieren, weil davon abhängt, ob das Land stabilisiert werden kann. Wenn es unsere Partei nicht gäbe, würde ein politisches Vakuum entstehen, das keine andere Bewegung ausfüllen könnte. Wir haben die Organisation, wir haben kompetente Leute. Nur die Rechten könnten ein solches Vakuum ausfüllen.
Ohne unsere Partei geht es in der DDR nicht.
Nun kommt es darauf an, den wirtschaftlichen Kollaps durch einen Ausverkauf der DDR an die BRD zu verhindern. Wir versuchen, die Grenzöffnung zu halten. Wenn es nicht gelingt, müssten wir sie rückgängig machen. Mehrere Varianten könnte man ins Auge fassen, so z. B. den Abbau aller Subventionen, einen Geldumtausch oder eine Rücknahme der Visabefreiung. Wir denken nach, werden aber nicht handeln, ohne die anderen Länder zu informieren. Wenn es zu einem Ausverkauf der DDR kommt, werden wir Visapflicht für BRD-Bürger und Westberliner wieder einführen müssen.
François Mitterrand erzählte: Die BRD, Benelux und Frankreich wollten bereits jetzt alle Grenzen abschaffen, ohne auf 1993 zu warten. Kanzler Kohl legte großen Wert darauf, hatte aber eine Reihe von Vorbehalten. Und zwar brachte er die Argumente an, die alle Innenminister zu allen Zeiten vorbringen. Ich dagegen bestand darauf, dass man eine grundsätzliche politische Entscheidung für die Aufhebung unserer Grenzen trifft. Er war einverstanden, bis er an einem Abend anrief und mir mitteilte, die DDR sollte in dieses Abkommen eingeschlossen werden. Ich sagte Kohl, dass ich nicht dagegen sei. Aber hat denn die DDR einen solchen Einschluss gefordert? Hat die DDR Sie gefragt? Kohl antwortete: Nein. Die BRD ist also nicht beauftragt worden und hat dies selbst für sich in Anspruch genommen. Das Abkommen wurde nicht unterzeichnet.
Zwischen der DDR und Frankreich wird ein fünfjähriges Handelsabkommen und ein Abkommen über einen Jugendaustausch geschlossen.