Der Magdeburger Bezirksvorstand Bildender Künstler hatte seine Mitglieder und alle Bürger am Sonnabend zu einer Demonstration für Offenheit, Ehrlichkeit, Rechtssicherheit, durchgängige Fachkompetenz in allen Ebenen und gegen konjunkturelles Reformertum aufgerufen. Nach Schätzung der Veranstalter hatten sich auf dem Domplatz rund 40 000 versammelt. In einer von Schriftsteller Bernd Wolff verlesenen gemeinsamen Erklärung der Künstlerverbände hieß es unter anderem: "Im Dialog darf niemand behindert oder eingeschränkt werden. Wir treten ein für eine faire Auseinandersetzung, gegen jede Form von Diktatur, Bevormundung, Besserwisserei und Herabwürdigung, gegen Übergriffe und Gewalt von beiden Seiten."
Zu dieser fairen Auseinandersetzung kam es auf dem Domplatz jedoch leider nicht. Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Werner Eberlein, Mitglied des Politbüros des ZK der SED, und Oberbürgermeister Werner Herzig konnten die an sie gerichteten Fragen kaum beantworten, weil sie von lauten Zwischenrufen immer wieder unterbrochen wurden.
Befragt nach seinem persönlichen Leben bestätigte Werner Eberlein, dass sein Vater und weitere Verwandte während der Zeit der Repressionen in der Sowjetunion umgebracht wurden. Er selbst habe acht Jahre hart in Sibirien gearbeitet, um zum Sieg über den deutschen Faschismus beizutragen. Der OB erklärte nun seine Bereitschaft zum Dialog auch in großen Sälen und auf Marktplätzen.
In Jena waren rund 40 000 Einwohner am Sonnabendnachmittag der Einladung des Rates auf den Platz der Kosmonauten gefolgt. Oberbürgermeister Hans Span konnte über erste Veränderungen seit dem Rathausgespräch vom vergangenen Montag informieren: So wurde an den Schulen der Wehrkundeunterricht ausgesetzt, die Offenlegung der Umweltdaten begann, und über 200 Mitarbeiter des Rates, aus dem Apparat von Parteien und Massenorganisationen werden in den kommunalen Bereich delegiert.
In Lauscha beteiligten sich nach einem Gottesdienst in der Kirche am Sonnabendabend 2 000 Einwohner an einer Demonstration.
Am Sonnabend waren in Rostock über 30 000 Bürger auf die Straße gegangen.
Suhl. Über 20 000 Bürger des Bezirkes Suhl fanden sich am Sonnabend auf dem Ernst-Thälmann-Platz der Stadt zusammen. Zuvor hatten sie sich an Kirchen eingefunden, in denen Friedensgebete stattfanden. Danach formierten sie sich zu einer genehmigten Demonstration durch das Stadtzentrum.
(Neues Deutschland, Mo. 06.11.1989)
Zu einem Vorbereitungsgespräch für ein Einwohnerforum auf dem Platz der Kosmonauten am kommenden Sonnabend [04.11.] trafen sich in Jena Oberbürgermeister Hans Span und weitere Persönlichkeiten mit Vertretern politischer Bürgerinitiativen und kirchlicher Kreise der Stadt. Sie unterbreiteten einen Themenkatalog, der von Fragen des Wahlrechts über die Effektivität der Wirtschaft, Medienpolitik, "weiße Flecken" in der DDR-Geschichte, Bildungspolitik und freie Gewerkschaften bis zu kommunalpolitischen Detailfragen reichte.
(National Zeitung, Mi. 01.11.1989)
Arnstadt: Mehrere Tausend Demonstranten zogen durch das Zentrum von Arnstadt. Auf Transparenten forderten sie freie Wahlen und die Zulassung des "Neuen Forum", Pressefreiheit und den Rücktritt der Regierung.
Altenburg: Auf einer genehmigten Demonstration forderten 10 000 bis 12 000 Bürger ungehindertes reisen und freie Wahlen.
Röbel: Für eine demokratische Erneuerung und eine Wende in der Politik der DDR sprachen sich am Sonnabendnachmittag mehr als 3 500 Einwohner der Kreisstadt in einer zweistündigen Demonstration aus.
(Freie Erde, Mo. 06.11.1989)
Einer Kundgebung vor dem Rathaus in Freiberg schließt sich eine Demonstration von ca. 5 000 Personen an. Es wird die Zulassung des Neuen Forum, freie Wahlen, die Abschaffung des MfS und die Trennung von Staat und SED gefordert.
Nach einem Gottesdienst in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lengenfeld (Kreis Reichenbach) formiert sich am Abend ein Demonstrationszug mit rund 3 000 Personen. Es werden u.a. freie Wahlen gefordert.
In Plauen beteiligen sich 30 000 Personen an der Demonstration im Stadtzentrum. Sie führt vorbei an der Kreisdienststelle des MfS, dem Kreiskommando der NVA und der SED-Kreisleitung. Vor dem Rathaus findet eine Kundgebung statt.
In Wittenberg bewegen sich rund 10 000 Demonstranten vom Elbe-Elster-Theater zum Marktplatz. Auf der Kundgebung werden der Bürgermeister, der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED und der Generaldirektor des VEB Agrochemie ausgepfiffen. Der Kundgebung schließt sich eine Gesprächsrunde an.
Nach einem Bericht des MfS vom 05.11. nehmen in Potsdam 20 000 Personen an einer genehmigten Demonstration teil. "... heftige Sprechchöre konzentrierten sich vorrangig auf die Diffamierung des MfS", ist dort zu lesen. "('Stasi raus', 'Stasi in die Produktion', 'Schließt euch an')". Nach Ende der Demonstration bewegen sich 500 Personen zur Bezirksverwaltung des MfS. Sie rufen "Stasi raus" und "wir kommen wieder".
In Potsdam auf dem Luisenplatz, damals Platz der Nationen, wurde am 04.11.2020 ein "Denkmal für die Potsdamer Demokratiebewegung im Herbst 1989" eingeweiht.
Während die Vertreter der Staatsmacht in Magdeburg ausgepfiffen werden schlägt Hans-Jochen Tschiche vom Neuen Forum Sympathie entgegen.
Auch in vielen anderen Städten der DDR wird demonstriert. So in Annaberg, Crimmitschau, Dahme, Dresden, Gadebusch, Lauscha, Ludwigslust, Oberpöllnitz, Parchim, Schwerin.