Berlin (ADN). In einer Erklärung des Ministerrates der DDR, die Regierungssprecher Wolfgang Meyer am Dienstag der internationalen Presse in Berlin bekanntgab, heißt es: "Der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik hat in seiner Sitzung am 7. November 1989 beschlossen, zurückzutreten. Der Ministerrat hat einen entsprechenden Antrag an das Präsidium der Volkskammer gestellt. Auf der Grundlage des Artikels 50 der Verfassung und in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED, Egon Krenz, in der Fernseh- und Rundfunkansprache am 3. November 1989 wird die Regierung der DDR ihre verfassungsmäßigen Aufgaben bis zur Abberufung und der Wahl eines neuen Ministerrates durch die Volkskammer wahrnehmen.
Die Regierung wendet sich an die Bürger unseres Landes, in dieser politisch und ökonomisch ernsten Situation alle Kräfte dafür einzusetzen, dass alle für das Volk, die Gesellschaft und die Wirtschaft lebensnotwendigen Funktionen aufrecht erhalten werden. Dazu gehört, dass die volkswirtschaftlichen Aufgaben vollem Umfang erfüllt werden, dass Industrie, Bauwesen, Verkehrswesen, Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, Handel, Gesundheits- und Sozialwesen, kommunalwirtschaftliche Dienste und Leistungen, die Arbeit in allen gesellschaftlichen Bereichen reibungslos funktionieren. Das Interesse der Gesellschaft und des Volkes gebietet die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung.
Wir wenden uns auch an die Bürger, die sich mit der Absicht tragen, unsere Republik zu verlassen, ihren Schritt nochmals zu überlegen. Unser sozialistisches Vaterland braucht alle und jeden!" (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
Auf der Sitzung des Politbüros der SED wird beschlossen, am nächsten Tag zurückzutreten und eine Neuwahl durchzuführen.
Berlin (ND). Der Verfassungs- und Rechtsausschuss forderte in seiner Sitzung am Dienstag in Berlin nach mehrstündiger gründlicher Debatte die unverzügliche Einberufung einer Plenartagung der Volkskammer. In dieser Tagung soll über die gegenwärtige Situation in der DDR beraten werden. Die Abgeordneten missbilligten das Verhalten des Präsidiums der Volkskammer, das diese Plenartagung bis jetzt noch nicht einberufen hat, obwohl das bereits mehr als das erforderliche Drittel der Abgeordneten fordern. Sie berufen sich dabei auf Artikel 62, Absatz 3 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und § 2 der Geschäftsordnung der Volkskammer. (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
Demonstration in Berlin für freie Wahlen
Berlin. ADN/BZ Mehrere tausend Bürger, vor allem Jugendliche, demonstrierten gestern [07.11.] am späten Nachmittag im Berliner Stadtzentrum für freie Wahlen. Im Zug wurden Transparente getragen mit der Aufschrift "Für eine freie Kommunalwahl 1990" und "Wahlbetrüger vors Gericht". Vor der Volkskammer, dem Staatsratsgebäude und dem Haus des Zentralkomitees der SED riefen sie "Wir sind das Volk" und "Alle Macht dem Volke und nicht der SED". (Berliner Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Rund um die Weltzeituhr kam es am gestrigen Nachmittag [07.11.] zu einer spontanen Protestdemonstration gegen die Ergebnisse der Kommunalwahl vom Mai diesen Jahres. Mit Trillerpfeifen und dem Ruf "Auf diese Wahlen pfeifen wir", mit Transparenten wurde die Annullierung der Wahlergebnisse gefordert und zu Neuwahlen unter einem neuen Wahlgesetz aufgerufen. Es wurde die Forderung, dass dann auch neue Bewegungen und Parteien wie Neues Forum und SDP kandidieren müssten, erhoben.
Außenstehende, die"Der Morgen" befragte, bezeugten zum großen Teil ihre Sympathie. Teilweise klang aber auch Besorgnis an, da sich die Teilnehmer unversöhnlicher und teilweise auch aggressiver zeigten als bei vergangenen Veranstaltungen dieser Art - wenngleich Gewalttätigkeiten von uns nicht beobachtet werden konnten.
Der Zug bewegte sich dann vorbei am Palast der Republik zum Staatsratsgebäude und gegen 18 Uhr weiter zum Haus des SED Zentralkomitees. Dort konnte man die Situation durchaus als kritisch bezeichnen, da unmittelbar bis vor die Eingangstüren vorgedrungen wurde. Aus dem Gebäude herauskommende Fahrzeuge wurden zeitweilig aufgehalten, die Insassen von der Menge zum Aussteigen aufgefordert. Rufe wie "Da sind unsere Devisen!", "Bonzen raus!" oder "Bald fahrt Ihr im Trabbi!" erschollen.
Die Demonstration, an der sich etwa ein- bis zweitausend Personen beteiligten, dauerte bei Redaktionsschluss noch an.
Thomas Börold (Der Morgen, Mi. 08.11.1989)
Demonstrationen in mehreren Städten
In Wismar demonstrierten am Dienstagabend vor dem Rathaus rund 50 000 Einwohner. In Nordhausen kamen am gleichen Tag 35 000 bis 40 000 Bürger auf dem August-Bebel-Platz zusammen, und rund 20 000 Menschen versammelten sich in Meiningen. (Neues Deutschland, Do. 09.11.1989)
In mehreren Städten kommt es zu Demonstrationen.
In Anklam sollen es 1 200, in Bad Salzungen 5 000, in Bitterfeld 800, in Genthin 1 500, in Lobenstein 3 000, in Meißen 5 000, in Naumburg 1 200, in Penig 1 500, in Pulsnitz 1 000, in Rathenow 9 000, in Roßlau 2 000, in Schmiedefeld 800, in Weimar 45 000 und in Wittenberg rund 3 500 Menschen sein.
Vorsitzender der IG Metall abberufen
Berlin (Eig. Ber.) Mit einer Tagung des Zentralvorstandes in Berlin begann am Dienstag in der IG Metall die Diskussion über eine künftige eigenständige Arbeit der Metallarbeitergewerkschaft in einem freien, starken und unabhängigen Gewerkschaftsbund.
Das Sekretariat unterbreitete allen Mitgliedern den Vorschlag, über prinzipielle Konsequenzen aus Fehlern der Vergangenheit nachzudenken. Diese Konsequenzen reichten von einer eigenen Satzung der Industriegewerkschaft bis zu einer eigenen Wahlordnung, von der vollen Wahrnehmung der Verantwortung als Tarifpartner bis zur Neugestaltung der Finanzarbeit, sagte Joachim Pampel, stellvertretender Vorsitzender des Zentralvorstandes. Eine rasche Bestandsaufnahme sei schon deshalb wichtig, meinte Ingrid Saul, BGL-Mitglied im Kombinat Kraftwerksanlagenbau, weil es zur Zeit schwerer ist, im Betrieb Gewerkschaftsfunktionär zu sein als Sekretär eines Zentralvorstandes.
Vor der Presse hatte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralvorstandes über den Verlauf des ersten, geschlossenen, Teils der Tagung informiert. Nach seinen Worten verlangen die Mitglieder der IG Metall eine rasche, rückhaltlose Klärung aller Umstände, die mit dem Eigenheimbau des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralvorstandes, Gerhard Nennstiel, zusammenhängen. Gegenwärtig ermittelten die Generalstaatsanwaltschaft der DDR und der Staatsanwalt in Erfurt. Die Untersuchungsergebnisse würden veröffentlicht Gerhard Nennstiel wurde mit 87 gegen drei Stimmen als Mitglied und Vorsitzender des Zentralvorstands abberufen.
Zur notwendig gewordenen Neuwahl des Vorsitzenden informierte Joachim Pampel über die Entscheidung des Zentralvorstandes der gewerkschaftlichen Metallarbeiterorganisation der DDR, mehrere Kandidaten zur Diskussion vorzuschlagen, über die bis zum 27. November diskutiert werden sollte. (Tribüne, Mi. 08.11.1989)
Berlin (ND). Auf der 11. Tagung des Zentralvorstandes der IG Metall, die in geschlossener Sitzung am Dienstagvormittag begann, wurde Gerhard Nennstiel auf Grund der ungeklärten Umstände seines Eigenheimbaus als Vorsitzender und Mitglied des Zentralvorstandes der Industriegewerkschaft abberufen. Diese Entscheidung wurde mit 87 Stimmen bei drei Gegenstimmen gefällt. Am 27. November erfolgt die nächste Tagung des Zentralvorstandes. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Vorschläge für einen neuen Vorsitzenden unterbreitet. Einstweilen leitet das Sekretariat des Zentralvorstandes die Geschäfte der größten. Einzelgewerkschaft. Das erklärte Joachim Pampel stellvertretender Vorsitzender des Zentralvorstandes, gegenüber Journalisten.
Auf der Tagung lag ein Entwurf eines Standpunktes der 11. Tagung vor, der in den kommenden Wochen in den Gewerkschaftsorganisationen diskutiert und Ende des Monats verabschiedet werden soll. Darin werden Vorschläge zur Wirtschafts-, Tarif- und Sozialpolitik sowie zur Rechtssicherheit formuliert. So tritt die IG Metall für die Ausarbeitung eines neuen Arbeitsgesetzbuches und eines Gewerkschaftsgesetzes ein, in dem die Rechte der Gewerkschaften eindeutiger als bisher fixiert sind. (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
Gewerkschaft Gesundheitswesen sendet Brief an seine Mitglieder
Berlin (ADN). "Ein einheitlich geleitetes Gesundheitswesen mit einem einheitlichen Tarif" fordern das Sekretariat des Zentralvorstandes und Vorsitzende der Bezirksvorstände der Gewerkschaft Gesundheitswesen in einem am Dienstag ADN übergebenen Brief an deren Mitglieder. Ferner wird darin verlangt: "Schrittweise Beseitigung der großen Unterschiede in der Entlohnung und Besteuerung zwischen unserem Bereich und der materiellen Produktion, Angleichung der Mittel im Kultur- und Sozialfonds und im Prämienfonds an die Höhe dieser Fonds in anderen Bereichen sowie eine an die Leistung gebundene zusätzliche jährliche Vergütung" und "dass alle im Gesundheits- und Sozialwesen jährlich geplanten Lohnmittel zur Stimulierung zusätzlich hoher Leistungen der Mitarbeiter eingesetzt und nicht für andere Bereiche abgezogen werden".
Als Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitglieder der Gewerkschaft Gesundheitswesen stünden auf der Tagesordnung die Sicherung der materiellen Versorgung und personellen Besetzung der Einrichtungen, Überarbeitung des Rahmenkollektivvertrages, Sicherung der betriebsärztlichen Betreuung für alle Mitarbeiter, sinnvollere und schnellere Lösung der Wohnungsprobleme durch die staatlichen Organe, Einführung eines flexiblen Arbeitszeitregimes wegen des hohen Frauenanteils, mehr Teilnahmemöglichkeiten der Kinder an Ferienlagern.
"Wir stellen uns den vielen Vorschlägen unserer Mitglieder, den Arbeitsstil in der Gewerkschaft Gesundheitswesen grundlegend zu verändern", wird betont. Zur weiteren Erneuerung des Arbeitsstils werden Arbeitsgruppen zu folgenden Themen vorgeschlagen: Innergewerkschaftliche Demokratie - mit dem Vorschlag, wieder Fachgruppen für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker zu bilden; Lohn- und Tarifpolitik; Vorschläge zur Konkretisierung des Arbeitsgesetzbuches; Leistungsbewertung sowie Arbeits- und Lebensbedingungen. "Die Gewerkschaftsarbeit wird in der nächsten Zeit nicht einfach werden. Dessen sind wir uns voll bewusst. Wir werden alles daransetzen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen", steht in dem Brief. (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
Neuen Forum zum Entwurf des Reisegesetzes
Berlin. ADN In einer an ADN übergebenen Erklärung äußerte sich am Dienstag eine Initiativgruppe des "Neuen Forums" zum Entwurf des Reisegesetzes. Die Unterzeichner fordern einen Reisepass für jeden Bürger, generelles Ausreisevisum nach allen Staaten der Welt, das alle zwei, drei Jahre erneuert wird. Weiterhin sprechen sie sich gegen eine Befristung der Reisedauer und willkürlich auslegbare Einschränkungen aus. Das Ausreisevisum müsse dazu berechtigen, jeden Tag die Grenzen zu überschreiten, kurzfristig zu Ausstellungen, Veranstaltungen, Feiern und Besuchen fahren zu können. So werde ein enormer Aufwand an Verwaltung und Zeit eingespart. (Berliner Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Unabhängiger Ausschuss im Bezirk Karl-Marx-Stadt konstituiert
Karl-Marx-Stadt. ADN/BZ Ein Unabhängiger Ausschuss zur Untersuchung von Vorgängen im Zusammenhang mit Demonstrationen um den 7. Oktober im Bezirk Karl-Marx-Stadt konstituierte sich am Dienstag in der sächsischen Bezirksstadt. Ihm gehören Abgeordnete des Bezirkstages, Vertreter der "Neues Forum" und des Landeskirchenamtes der Evangelisch-lutherischen Kirche an. Auf ihrer ersten Tagung nahmen sie Berichte über den aktuellen Stand der Ermittlungen und Anzeigenbearbeitung von Beauftragten des Bezirksstaatsanwaltes und des Chefs der BdVP entgegen. So sind bis zum 7. November 15 Anzeigen gegen die VP eingegangen. (Berliner Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Offenen Brief an alle Mitglieder vom Sekretariat des DFD-Bundesvorstandes
Berlin (ND). Das Sekretariat des DFD-Bundesvorstandes wandte sich am Dienstag in einem offenen Brief an alle Mitglieder der Frauenorganisation. Wie die Pressestelle des Bundesvorstandes gegenüber ND mitteilte, wird darin die Aufgabe hervorgehoben, mit Frauen aller Bevölkerungskreise über Fragen der Gegenwart und Zukunft unseres Landes zu diskutieren, sich entschiedener und unnachgiebiger für die Belange und Interessen der Frauen einzusetzen. Die Zuschriften, Hinweise, Vorschläge und Kritiken, die dem Bundesvorstand zugingen, werden zur 8. Bundesvorstandssitzung, die für den 16. November einberufen wurde, ausgewertet.
Der Vorbereitung dieser Sitzung diente auch eine Problemdiskussion über die neuen Aufgaben des DFD. (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
NDPD wählt neuen Vorsitzenden
Auf der 6. Tagung des Hauptausschusses der National-Demokratischen Partei Deutschlands, die Dienstag in Berlin stattfand, wurde Günter Hartmann zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Heinrich Homann an, der vergangene Woche um Entbindung von seinem Amt ersucht hatte. Der neue Vorsitzende war in geschlossener Sitzung mit 92 von 126 Stimmen gewählt worden. Gustav-Adolf Schlomann, der als weiterer Kandidat zur Wahl stand, erhielt 30 Stimmen. Es gab vier Stimmenthaltungen. Wie Günter Hartmann in einer Beratungspause vor Pressevertretern erklärte, wurden zu Stellvertretern des Vorsitzenden gewählt: Manfred Flegel, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Uwe Laßen, bisheriger Vorsitzender des Bezirksverbandes Frankfurt (Oder), und Gustav-Adolf Schlomann, Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin.
Der Hauptausschuss beauftragte die NDPD-Fraktion der Volkskammer, Prof. Dr. Manfred Mühlmann, Professor an der Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität und 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Verfassungs- und Rechtsausschusses der Volkskammer, als Kandidat für das Amt des Präsidenten der Volkskammer und als Kandidat für das Amt des Stellvertreters des Vorsitzenden des Staatsrates vorzuschlagen.
Im Verlaufe der Tagung wurde auch das Präsidium des Hauptausschusses neu gewählt, da das bisherige vorher geschlossen zurückgetreten war. Auf Fragen der Presse, die den Standort und die Erneuerung der NDPD betrafen, verwies Günter Hartmann auf das Positionspapier seiner Partei, das am Wochenende veröffentlicht wurde. Hier seien Grundsätze und Ziele bei der gesellschaftlichen Umgestaltung der DDR formuliert. Sie seien darauf gerichtet, mit einer erneuerten NDPD im Erneuerungsprozess des Landes eine aktive, eine gesellschaftlich wichtige und bedeutende Rolle zu spielen. "Wir bewerten uns in diesem Papier als eine Partei der DDR, die für den Sozialismus in diesem Lande ist und die für Gleichberechtigung aller politischen Kräfte bei der Neugestaltung des Sozialismus in der DDR eintritt." Diese Anregungen und Vorschläge wurden vom Hauptausschuss in erster Lesung präzisiert und sollen nach Einbeziehung des von der 10. Tagung des ZK der SED zu erwartenden Aktionsprogramms auf der nächsten Sitzung des Hauptausschusses endgültig entschieden werden. Hierzu nahmen Kommissionen ihre Arbeit auf.
Auf das Verhältnis zur SED eingehend, sagte der NDPD-Vorsitzende: "Wir wollen der SED ein Partner im wahrsten Sinne des Wortes sein, ein hilfreicher, aber auch ein kritischer. Wir haben in unserem Dokument gesagt, es gehe um den Nachweis von Führungsfähigkeit. Und diesen Nachweis muss die SED erbringen." Zur Bündnispolitik betonte Günter Hartmann "Die neue Qualität besteht in der Gleichberechtigung aller im Bündnis, dass sich keiner bevormundet fühlt und dass auch keiner bevormundet wird." Befragt zum veröffentlichten Entwurf für ein Reisegesetz, erklärte der Vorsitzende, die NDPD sei für undifferenzierte Reisemöglichkeiten und bedauere, dass offenbar ein schwerfälliger Apparat in Bewegung gesetzt werden solle, um dieses Gesetz Wirklichkeit werden zu lassen. (Neues Deutschland, Mi. 08.11.1989)
Politbüro der SED hebt alle Beschlüsse über die Wohnsiedlung Wandlitz auf
Auf Anfragen zu Presseberichten über die Rückführung von Waren aus Wandlitz teilte das Konsultations- und Informationszentrum des Zentralkomitees der SED gestern mit: Das Politbüro hatte am 7. November 1989 alle seit 1960 gefassten Beschlüsse über die Wohnsiedlung Wandlitz aufgehoben. Damit wurde auch die ungerechtfertigte Versorgung der Bewohner der Siedlung eingestellt. Die bis dahin angebotenen Importwaren, die über das normale Niveau hinausgingen, wurden an entsprechende Einrichtungen des Außenhandels zurückgeführt. (Berliner Zeitung, Mi. 29.11.1989)
Zahl der Ausreisen von DDR-Bürgern über die ČSSR in die BRD steigt
München. ADN Die Zahl der DDR-Bürger, die ihre Heimat über die ČSSR in Richtung BRD verlassen, ist gestern im Laufe des Nachmittags erneut gestiegen. Ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes (BGS) in München teilte gegen 20 Uhr mit, dass seit dem Mittag etwa 5 000 neue Flüchtlinge in Bayern eingetroffen seien. Pro Stunde reisten gegenwärtig etwa 300 DDR-Bürger ein. Damit habe sich die Gesamtzahl der Übersiedler seit Samstag morgen auf etwa 33 000 erhöht. Insgesamt hätten seit Öffnung der ungarischen Grenze zu Österreich am 11. September fast 100 000 Menschen die DDR verlassen.
Der BGS teilte gestern mit, die Unterbringung der Übersiedler werde ständig schwieriger. Die Kapazität der rund 50 Erstaufnahmelager in Bayern hat ihre Obergrenzen erreicht. Es werden neue Erstunterkünfte eingerichtet, darunter auf einem Truppenübungsplatz und in BGS-Kasernen. Bremen stoppte wegen Überlastung der Lager die Aufnahme von Aus- und Übersiedlern am Dienstag. Wenn in den mittlerweile 61 Lagern täglich fast 10 000 Leute ankämen, meinte ein BGS-Sprecher, übersteige das jegliches Volumen. (Berliner Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Übersiedlern
Die Kapazität der Erstaufnahmelager für DDR-Flüchtlinge in Bayern ist nach Angaben von dpa erschöpft. Der Bundesgrenzschutz bemühe sich jetzt: in Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium, Ländern und Gemeinden neue Unterkünfte zu finden. Auch die organisatorische Abwicklung der Erstaufnahme werde neu gestaltet, um die Lager schneller wieder räumen zu können.
Allein bis zum frühen Dienstag morgen hätten innerhalb von 24 Stunden 9 000 bis 10 000 DDR-Bürger hauptsächlich die tschechoslowakisch-bayrischen Grenzübergänge Schirnding und Waidhaus passiert. Die Gesamtzahl seit Öffnung der ČSSR-Grenze am Freitag dürfte mittlerweile bei weit über 30 000 liegen.
HAMBURG (adn). Übersiedler aus der DDR, die in Wohnwagen auf einem Campingplatz in Hamburg-Schneisen untergebracht sind, haben sich öffentlich über "unhaltbare Zustände" beklagt.
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, kritisierte eine von ehemaligen DDR-Bürgern gegründete Initiative beengte Wohn- und Lebensverhältnisse, den Mangel an Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und hohe finanzielle Belastungen. So seien vier Personen in einem Wohnwagen auf 9,5 Quadratmetern Fläche untergebracht. Dafür müssten monatlich 320 DM Gebühren gezahlt werden. Die Nutzung eines leerstehenden Gebäudes sei den Übersiedlern von der Sozialbehörde verweigert worden.
Der Dachverband Hamburger Mieterinitiativen sprach von "unvorstellbaren Zuständen" auf dein Campingplatz, wo 270 ehemalige DDR-Bürger den Winter verbringen müssen. Bürger, die mit Lebensmittel-Spenden kämen, würden von einem Mitarbeiter der Sozialbehörde abgewiesen.
Die verstärkte Nachfrage der Neuankömmlinge nach sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen wie Kindergärten und soziale Betreuung übersteige ganz erheblich die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen, heißt es in einer Entschließung des BRD-Städtetages. Es müsse mit einer "Welle von Missgunst, Missstimmigkeiten und Hass" gegen die Übersiedler in den Städten und Gemeinden der BRD gerechnet werden. (National-Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Der Gesandte der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn unterrichtet das Bundeskanzleramt über das Reisegesetz
Lothar Glienke Gesandter der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn unterrichtet das Bundeskanzleramt darüber, dass die DDR beabsichtigt, den Teil des Reisegesetzes, der sich mit der ständigen Ausreise befasst, sobald als möglich in Kraft zu setzen. Von der BRD wird ein entschiedenes Auftreten gegen Ausreisen von DDR-Bürgern erwartet.
Kontrollen an der Grenze DDR-BRD gelockert
Die Kontrollen an der innerdeutschen Grenze sind zum Teil gelockert worden. Wie der Bundesgrenzschutz am Dienstag mitteilte, verzichten die DDR-Grenzbeamten beim Übergang Herleshausen auf den bisher üblichen Ausbau der Rückbank, das Durchsuchen der Kofferräume und das Öffnen der Motorhauben. Die Wartezeit sei auf etwa 15 Minuten gesunken. Auch die Wartezeit bei der Einreise in die DDR sei verkürzt. Reisende zitierten einen DDR-Kontrolleur. "Was sollen wir noch suchen? Wer will, kann ja über die Tschechoslowakei ausreisen."
Die Berufskraftfahrer sprechen von "beinahe westlichen Verhältnissen" bei der Abfertigung. Für sie sei die Wartezeit von drei Stunden auf eine Viertelstunde gesunken. Die DDR-Grenzbeamten setzten bei der Überprüfung der Ladung keine Spürhunde mehr ein und verzichteten auch bei Lastkraftwagen auf den Einsatz von Spiegeln. Von mehreren Grenzübergängen wird von einem "freundlicheren Verhalten" berichtet. Nach Angaben des Bundesgrenzschutzes in Braunschweig hat sich dagegen nicht überall eine wesentliche Änderung im Abfertigungsverhalten der DDR gezeigt. Während bei der Personenwagen-Abfertigung im Transitverkehr keine Änderung festgestellt wurde - dabei wird ohnehin schon weitgehend auf Durchsuchungen verzichtet -, melden die Bundesgrenzschutzstellen für den Schwerverkehr Unterschiedliches. Am Übergang Gudow (Autobahn Hamburg-Berlin) zum Beispiel werden die Lastkraftwagen weiterhin wie bisher überprüft. Dagegen war von der Bayerischen Grenzpolizei zu erfahren, dass die Grenzposten am Übergang Rudolfstein (Autobahn München-Berlin) keine Hunde mehr einsetzten und nur noch flüchtig die Ladung überprüften. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Unterredung zwischen dem DDR-Außenminister und dem Botschafter der UdSSR in der DDR
Bei einer Unterredung zwischen DDR-Außenminister Oskar Fischer und dem Botschafter der UdSSR in der DDR, Wjatscheslaw Kotschemassow, schließt Oskar Fischer eine Öffnung der Grenze zwischen der DDR und der BRD aus. Die Öffnung sei mit unkontrollierbaren Wirkungen verbunden.
Mit der ČSSR solle es Beratungen geben, ob es für die ČSSR Entlastung bringen würde, wenn ihre Grenzübergangsstelle zu Bayern Vojtanov/Brambach in die Ausreise von DDR-Bürgern einbezogen wird. Die Grenze zur ČSSR könne nicht geschlossen werden. Die ČSSR-Führung solle aber gefragt werden, ob sie die Grenze zur DDR schließen kann.
Die Kampagne in den DDR-Medien, um die Bürger zum Hierbleiben zu veranlassen solle verstärkt werden. Von der BRD-Führung wird verlangt, dass sie gegen die Einreise von DDR-Bürgern auftritt.
Leipzig. ADN/BZ Den akuten Problemen in Verkehr, Handel und medizinischer Versorgung, bei der Wintervorbereitung sowie beim Ausarbeiten eines realen Planes für 1990 stellen sich in Leipzig drei vom Rat der Stadt speziell gebildete Arbeitsgruppen. Wie der amtierende Oberbürgermeister, Günter Hädrich, gestern vor Journalisten informierte, seien Sofortmaßnahmen zum Aufrechterhalten des öffentlichen Lebens in der zweitgrößten DDR-Stadt ergriffen worden. Insgesamt mehr als 150 Angehörige der NVA und der Deutschen Volkspolizei, 30 Mitglieder des Rates der Stadt und 700 Studenten unterstützen als Fahrer oder Beifahrer die Verkehrs- und andere Betriebe, den Handel sowie das Gesundheitswesen oder sind als Rangierer bei der Deutschen Reichsbahn eingesetzt. (Berliner Zeitung, Mi. 08.11.1989)
Dialogveranstaltungen werden in Weißenfels und Zschopau abgehalten.
In der Reformierten Kirche in Leipzig gründet sich die SDP. Es wird ein Präsidium gewählt. Vorsitzender wird Karl-August Kamilli. Die Bildung von Betriebsgruppen wird abgelehnt. Nach einem Bericht des MfS nahmen an der Veranstaltung 200-300 Personen teil. Die Veranstaltung lief im Vorfeld als Veranstaltung des Neuen Forum. Nach der Gründung wurde im Rathaus mit Gründungsurkunde und Statut vorgesprochen um die Gründung mitzuteilen.
In dem MfS-Bericht ist zu lesen: "Die Stadtbezirksgruppe Mitte will sich am Sonnabend, 11.11.89, 19.00 Uhr in der Markusgemeinde konstituieren.
Die inoffizielle Quelle der KD Leipzig-Stadt ist mit der Teilnahme beauftragt."
Auch in Gera gründet sich eine Stadtverband der SDP.
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In das Lukas-Pfarrhaus lädt die SDP Karl-Marx-Stadt zu eine Versammlung ein.
Eine örtliche Gruppe des Neuen Forum gründet sich in Welzow.
Das Informationsblatt Nr. 1 des Neuen Forum Schwerin erscheint.
In der Herz-Jesus-Kirche in Dresden-Leuben wird auf einer Veranstaltung des Demokratischen Aufbruchs u. a. über eine Zusammenarbeit mit dem Neuen Forum gesprochen. Der Demokratische Aufbruch als Partei im Neuen Forum soll an Wahlen teilnehmen und im Parlament vertreten sein, während das Neue Form basisdemokratisch aktiv sein soll.
Im "Klubhaus der Einheit" in Gotha führen Demokratie Jetzt, Demokratischer Aufbruch, das Neue Forum und die Sozialdemokratische Partei in der DDR eine Veranstaltung durch. Wegen des großen Andrangs muss die Informationsveranstaltung zweimal durchgeführt werden.
Das Politbüro der SED beschließt, die Anmeldungen von Vereinigungen, wenn sie keine verfassungswidrigen Ziele vertreten, sollen angenommen werden. Mitglieder der SED sollen gezielt in den Vereinigungen mitwirken.
Der Untersuchungsausschuss des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zur Untersuchung der Vorgänge um den 07.10.1989 kommt zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Der Bezirksvorstand des Verbandes Bildender Künstler Karl-Marx-Stadt veröffentlicht einen Aufruf, der mit den Worten beginnt: "Beruhigt Euch nicht!". Der Prozess der demokratischen Erneuerung ist unumkehrbar.
Wolfgang Mayer wird neuer Regierungssprecher und Leiter des Presseamtes.
Aktuelle Daten zur Umweltsituation werden im Bezirk Leipzig ab heute veröffentlicht.