Nach der Aussage von Horst Teltschik stammt die Idee, Helmut Kohl solle während der Haushaltsdebatte im Bundestag eine Rede über den Weg zur Deutschen Einheit halten, von ihm. In einer Besprechung am 23.11. beim Bundeskanzler machte er den Vorschlag, die Haushaltsdebatte in der folgenden Woche zu nutzen. Die Anzahl der Punkte wird mit 10 gewählt, um den Eindruck zu vermitteln, dies sei eine runde Sache. Teltschik befürchtete, die SPD und die FDP könnten der CDU zuvorkommen.
Dass diese Furcht nicht ganz unbegründet war, zeigen die Überlegungen des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Horst Ehmke vom 20.11.1989.
"Eine deutsche Konföderation könnte, immer die Zustimmung der Deutschen in beiden deutschen Staaten vorausgesetzt, in einem länger dauernden Prozess schließlich zu einem Bundesstaat weiterentwickelt werden. Dieser müsste Mitglied der EG sein, was die Zustimmung der anderen Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft voraussetzt. Andererseits könnte ein solcher deutscher Staat nicht Mitglied der NATO sein." Und mit dem Satz schließt: "Willy Brandt hat daher zu Recht gesagt, es gehe darum, in einer europäischen Friedensordnung das erreichbare Maß an Einheit zu verwirklichen."
Bereits während der Beratung des SPD-Parteivorstandes am 30.10.1989 bemängelte er, dass es im Entschließungsentwurf keine Aussage zur Wiedervereinigungsfrage gebe. Überall im Westen, aber auch im Osten werde diese Frage diskutiert.
Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel sagte vor dem Deutschen Bundestag am 08.11.1989: "Ein konkreter Schritt hin zur Einheit sollte sofort getan werden. Und das ist die Beseitigung von Stacheldraht und Sperranlagen an der deutsch-deutschen Grenze und die vollständige Öffnung der Mauer."
Hans Modrow schlug bereits in seiner Regierungserklärung am 17.11. eine Vertragsgemeinschaft zwischen der DDR und der BRD vor. In Punkt 4 erklärt sich Helmut Kohl bereit diesen Gedanken aufzugreifen.
Der Botschafter der Sowjetunion in der BRD, Juli Kwizinski, schlug im November seiner Regierung vor, mit einem Plan für ein konföderatives Deutschland die Initiative zu ergreifen. Was abgelehnt wurde.
Bei seinem Treffen mit dem US-Außenminister James Baker am 12.12.1989 sagte Helmut Kohl, er habe befürchtet von der Sowjetunion würde wie 1952 die deutsche Einheit zum Preis der Neutralität angeboten. Dem wollte er mit seinem 10-Punkte-Plan zuvorkommen. Einer NATO-Zugehörigkeit kommt aber in seinem Plan nicht vor.
"Wir alle waren damals gehalten, das Wort 'Wiedervereinigung' mit Blick auf unsere völlig irritierten Verbündeten im Westen nicht in den Mund zu nehmen, geschweige denn aufzuschreiben. Deshalb war in diesen zehn Punkten auch nur von den 'konföderativen Strukturen' die Rede", schrieb Axel Hartmann, zu der Zeit stellvertretender Leiter des Ministerbüros beim Chef des Bundeskanzleramts Rudolf Seiters, später.
Bundeskanzler Kohl sollte seinen Plan während der Haushaltsdebatte im Bundestag vortragen. Um den Überraschungseffekt zu sichern, soll auch innerhalb der Bundesregierung niemand vorher von dieser Initiative erfahren, so Teltschik.
Kohl unterrichtete das CDU-Präsidium und den Parteivorstand am 27.11. darüber, am nächsten Tag einen Stufenplan zur deutschen Einheit im Bundestag vorzutragen.
Horst Teltschik und Rudolf Seiters führten am Vorabend der Bundestagsdebatte mit ausgewählten Journalisten von Presse, Fernsehen und Rundfunkanstalten ein Hintergrundgespräch über die Rede des Bundeskanzlers am nächsten Tag.
Auch der Bundespräsident wird einen Tag vor der Rede unterrichtet.
Robert L. Hutchings schreibt in seinem Buch "Als der Kalte Krieg zu Ende war": "Auch wenn mir kein deutsches Regierungsmitglied diese Vermutung je bestätigte, hielt ich diese Rede dennoch nicht nur für ein Signal an Paris, London und Moskau, sondern auch für eine Warnung an Washington - am Vorabend von Bushs Abreise zum Gipfeltreffen nach Malta -‚ dass Bonn sich die Initiative bei der deutschen Frage nicht nehmen lassen und die Führungsrolle weder an eine der vier Mächte noch an die Viermächtegruppe insgesamt abtreten werde."
Hans-Jochen Vogel fasste als erster Redner am 28.11. die Position der SPD in fünf Punkten zusammen. Obwohl er von Kohls Plan wusste, auch wenn er ihn nicht kannte, vergab er doch eine Chance Kohl als erster Redner an diesem Tage zuvorzukommen. Auf der ersten Seite der Frankfurter Rundschau war am morgen zu lesen: "Kohl legt heute Plan zur deutschen Einheit vor". Eine Überschrift auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung an diesem Tag lautete: "Kohl legt Stufenplan zur Wiedervereinigung vor".
Nach Kohls Ausführungen war von Vogels "fünf Punkte Plan" in der Öffentlichkeit keine Rede mehr. Während Vogel in seiner Rede von Konföderation sprach, sprach Kohl von konföderative Strukturen.
Eine Woche zuvor, auf dem EG-Gipfel in Paris versicherte Kohl den Teilnehmern, dass die europäische Einheit Vorrang vor der deutschen Einheit habe.
Kohl unterrichtete vorab in einem Brief nur die US-Administration von seinem 10-Punkte-Programm. Er bittet den US-Präsidenten, seine Politik gegenüber Michael Gorbatschow zu unterstützen.
Außerdem schreibt Kohl: "Ich bitte Sie nachdrücklich - gerade auch im Sinne dessen, was ich eingangs ausgeführt habe -‚ keinen Festlegungen zuzustimmen, die als Einschränkung (containment) für eine Politik ausgelegt werden könnten,
'auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt'.
Dieses unser Ziel haben sich die Staats- und Regierungschefs der NATO in ihrer Erklärung vom 30. Mai 1989 erneut zu eigen gemacht und haben wir der Sowjetunion gegenüber bereits 1970 bei Abschluss des Moskauer Vertrages bekundet."
Bis zum US-Präsidenten gelangte die Information aber nicht sofort. Gorbatschow, die EG-Partner und Modrow werden während der Rede des Bundeskanzlers unterrichtet.
Hans-Jochen Vogel schreibt in seinem Buch "Nachsichten Meine Bonner und Berliner Jahre", seine und Kohls Aussage seinen selbst bei kritischer Betrachtung in dem Punkt der konföderativen Strukturen mit dem Ziel einer Föderation, eine bundesstaatliche Ordnung zu schaffen, deckungsgleich. "Ich sah daher keinen Grund, die weitgehende Übereinstimmung zu verschweigen. Im Einvernehmen mit Karsten Voigt deshalb als nächster sozialdemokratischer Redner unsere Zustimmung zum Inhalt des Kohlschen Zehn-Punkte-Programms, da es zu unserem Programm keine wesentlichen Differenzen erkenne lasse. Und er wiederholte erneut unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit."
Während seines Gesprächs mit den Präsidenten der USA, George Bush, am 03.12.1989 sagte Kohl. Es wäre ein wirtschaftliches Abenteuer, wenn die Wiedervereinigung schon in zwei Jahren erfolgen würde, wie das Henry Kissinger vorausgesagt habe. Das wirtschaftliche Gefälle sei zu groß. Erst müsse ein gewisses Gleichgewicht hergestellt werden.
Vor dem polnischen Parlament sagte der polnische Außenminister Krzysztof Skubiszewski am 07.12.1989: "Ich spreche deshalb vom polnischen Staatsinteresse, weil der Hauptmangel des 10-Punkte-Programms von Kanzler Helmut Kohl, das am 28. November d.J. im deutschen Bundestag vorgelegt wurde, darin besteht, dass es die Fragen der Grenzen beider deutscher Staaten zu den Nachbarn, insbesondere zu Polen, übergeht."
Und: "Nach dem zweiten Weltkrieg wurde weder ein Friedensvertrag mit Deutschland (als Deutschland noch unter der Besatzung der vier Großmächte existierte) noch mit beiden derzeitigen deutschen Staaten abgeschlossen. Ich erinnere daran, dass das Potsdamer Abkommen bezüglich der Westgrenze Polens keinen Friedensvertrag erwähnt, sondern sich eines breiteren Begriffs, des Begriffs 'friedliche Regelung' oder 'friedliche Erledigung' im englischen Original 'peace settlement', bedient. Eine solche Regulierung oder Erledigung lässt sich auf dem Wege einer Reihe von Traktaten sowohl bilateraler als auch multilateraler Verträge ohne den herkömmlichen Friedensvertrag erzielen. Die Angelegenheit der polnisch-deutschen Grenze wurde eben auf diese Weise schon seit langem geregelt. Und wenn es irgendwann zu einem Friedensvertrag mit Deutschland kommen sollte, dann könnte er lediglich das bestätigen, was schon lange vollendete Tatsache war.
Das polnische Volk und die polnische Gesellschaft haben also keinen Grund, sich wegen Kohls Programms bezüglich der Grenzen zu beunruhigen. Praktisch bestätigen alle europäischen Staaten, dass unsere Westgrenze feststeht."
Einen Tag vor Kohls Rede vor dem Deutschen Bundestag stellte der Generalsekretär der CDU, Volker Rühe, in Bonn die Aktion der CDU-Bundesgeschäftsstelle "Wir sind ein Volk!" vor. Die von der bundesdeutschen CDU kreierte Parole "Wir sind ein Volk" ist, neben der in der DDR gerufenen Parole "Wir sind das Volk", als "die Parolen der friedlichen Revolution in der DDR" auf dem "Einheitsdenkmal" vor dem Humboldtforum in Berlin, wo einst Wilhelm I. stand, vorgesehen. Und nicht die in der DDR gerufene Parole "Deutschland einig Vaterland".