Wie der Regierungssprecher mitteilte, hat der Ministerrat der DDR beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Volkskammer folgende Bestimmungen für Privatreisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt werden:
1. Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden von den zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizei-Kreisämter kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt.
2. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizei-Kreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Die Antragstellung auf ständige Ausreise ist wie bisher auch bei den Abteilungen Innere Angelegenheiten möglich.
3. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.
4. Damit entfällt die vorübergehende Erteilung von Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. über die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten. (Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Der sowjetische Botschafter in der DDR, Wjatscheslaw Kotschemassow, schreibt in seinem Buch "Meine letzte Mission" er sei über die Grenzöffnung nicht in Kenntnis gesetzt worden, auch habe er keine Signale aus Moskau erhalten. "Es gab, das möchte ich bestätigen, eine Abstimmung zwischen Krenz und mir zur Öffnung einiger Übergänge an der südwestlichen Grenze mit der BRD. Wir hatten dagegen keine Einwände."
Bilder von der Grenzöffnung in der Bornholmer Straße in Berlin-Prenzlauer Berg wurden in das Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen.
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Ein Jahr danach, Egon Krenz über seine Rolle bei der Öffnung der Grenze
ADN/JW. In einer am Montag [05.11.1990] in Berlin abgegebenen Erklärung hat der frühere DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär Egon Krenz seine Auffassung zu Hintergründen der Grenzöffnung vor einem Jahr dargelegt. In der Stellungnahme heißt es:
Nach dem Entwurf des Reisegesetzes, der schon am 6. November 1989 von der Bevölkerung abgelehnt wurde, habe ich auf der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der SED am 7. November 1989 vorgeschlagen, eine neue Reiseverordnung des Ministerrates der DDR auszuarbeiten, die jedem Bürger der DDR die Möglichkeit gibt, nach allen Staaten und Berlin (West) zu reisen. Am 9. November habe ich den vollen Text der neuen Verordnung des Ministerrates den Mitgliedern des Zentralkomitees zur Konsultation vorgelesen.
Gegen 21 Uhr des 9. November rief mich der Minister für Staatssicherheit an. Er meldete große Menschenansammlungen an der Berliner Mauer. Er äußerte die Befürchtung, dass es zu ernsthaften Zwischenfällen kommen könnte. Es ging in diesen Minuten um die schicksalhafte Frage: Öffnen der Grenzen oder Gewalt? Ich machte von meinem Recht als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates Gebrauch und entschied mich gegen die Gewalt.
Am 10. November sollte die Grenze ohnehin für den freien Reiseverkehr geöffnet werden. Ich schließe nicht aus, dass in dieser dramatischen Nacht an einzelnen Grenzübergängen in eigener Verantwortung entschieden wurde. Doch kein ernsthafter Mensch kann annehmen, die Schlagbäume hätten sich in Berlin wie an der deutsch-deutschen Grenze überhaupt ohne zentrale Entscheidung geöffnet. Diese Entscheidung konnte nur durch den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates getroffen werden. (Junge Welt, Di. 06.11.1990)
Egon Krenz schreibt in seinem Buch "Wenn Mauern fallen" 1990, er werde manchmal zu Talk-Shows oder Pressegespräche in die Bundesrepublik eingeladen. Er fliege dann meistens über den Flughafen Tegel. Dazu passiert er den Grenzübergang nicht weit von seinem Wohnhaus. "Meistens lächeln sie, [die Grenzer] wenn sie mir meinen blauen DDR-Pass zurückgeben. Vielleicht denken sie: Warum soll er nicht? - Schließlich war er es, der die Mauer aufgemacht hat."
Gedenken an die Pogromnacht vom 09.11.1938
Aus Anlass der Pogromnacht vom 9. November 1938 gedachten gestern in vielen Orten Bürger der Republik der Jüdischen Opfer der faschistischen Rassenverfolgung.
Karl-Marx-Stadt. "Wir sind nicht nur als Juden hier geblieben, um zu mahnen und zu erinnern. Wir fordern die Bürger dieses Landes auf, mit allen gesellschaftlichen Kräften entschieden Widerstand gegen aufkommenden Neonazismus und Ausländerfeindlichkeit zu leisten", sagte Siegmund Rotstein, Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, bei einer Kranzniederlegung an der Porphyrstele auf dem Karl-Marx-Städter Stephanplatz, wo vor 51 Jahren Nazi-Brandstifter die Synagoge vernichtet hatten.
Leipzig. Die ersten Exemplare der Dokumentation "Juden in Leipzig" übergab der stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirks Dr. Hartmut Reitmann. Empfänger waren Siegmund Rotstein und der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde.
Einige zehntausend Leipziger marschierten schweigend zum mit Kränzen umlegten Synagogenstein in der Gottschiedstraße. Sie protestierten damit, auch gegen rechtsradikale Tendenzen.
Erwin Martin, Vorsitzender der "Zur Geschichte der Leipziger Juden", überreichte Siegmund Rotstein einen Brief. Darin befürwortet eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Besucher beim Auftakt der ersten Leipziger "Tage der jüdischen Kultur" (7. bis 9. November), dass die DDR unverzüglich diplomatische Beziehungen zum Staate Israel aufnimmt.
Berlin. Mit einer Kranzniederlegung vor der Ruine der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin ehrten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde von Berlin, Bürger der Stadt sowie Vertreter des Magistrats, von Parteien und Massenorganisationen die Opfer der Pogromnacht.
Weitere Veranstaltungen fanden u. a. in Potsdam, Magdeburg, Schwerin und Halle statt. (Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Gemeinsam mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinden gedenken die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik heute der Opfer der faschistischen Pogromnacht des Jahres 1938 und werden bekunden, dass in unserem sozialistischen Staat kein Platz für Faschismus, Rassenhass und ist. Am Vormittag findet in Karl-Marx-Stadt an der Stele, die dort errichtet wurde, wo einst die Synagoge stand, eine Veranstaltung mit dem Präsidenten des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, Siegmund Rotstein, statt Berliner Einwohner werden sich am Nachmittag an der Ruine der Berliner Neuen Synagoge versammeln, die Centrum Judaicum als eine Stätte der Begegnung gestaltet wird. Hier spricht Dr. Peter Kirchner, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin. Stätte des Gedenkens an die sechs Millionen von den Faschisten ermordeter Juden ist am Nachmittag in Dresden der Platz an der Stele, die an die zerstörte Synagoge erinnert. Im faschistischen Novemberpogrom des Jahres 1938 fanden 91 jüdische Bürger den Tod. Mehr als 20 000 wurden verhaftet und in Konzentrationslager geschleppt. 191 Synagogen wurden gebrandschatzt, weitere 75 völlig zerstört, 815 Geschäfte und Restaurants demoliert und 29 Warenhäuser verwüstet. (Neues Deutschland, Do. 09.11.1989)
In Teterow findet eine Gedenkkundgebung zum Gedenken an die Opfer der Pogrome am 09.11.1938 statt.
Presseerklärung der Gemeinde Adass Jisroel Berlin
Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Adass Jisroel Berlin hat seine Enttäuschung darüber öffentlich gemacht, dass vor einem Jahr gegebene Zusagen der DDR nicht erfüllt wurden.
In einer Presseerklärung zum Jahrestag der antisemitischen Pogromnacht vom 9. November 1938 wird daran erinnert, dass zum 50. Jahrestag der nazistischen Pogrome vom Staatsoberhaupt der DDR gegenüber dem Vorstand und dem israelischen Oberrabbiner Itzhak Kolitz die volle Wiedereinsetzung von Adass Jisroel Berlin in alle ihr von den Nazis 1939 entzogenen Rechte und die Rückgabe ihrer Gemeinde-Stätten feierlich verkündet worden war. Diese Erklärung sei nicht eingelöst worden. "Damit sind die Erwartungen der überlebenden Mitglieder und deren Nachkommen und ihr in das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat gesetztes Vertrauen tief enttäuscht worden". Der Vorstand habe für Montag Politiker und weitere Persönlichkeiten zu einem Treffen eingeladen, um gemeinsam zu versuchen, geschwundenes Vertrauen wieder aufzubauen und den unwürdigen Zustand zu beenden. (Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Demonstrationen in mehreren Städten
Zur bisher größten Demonstration in Gera formierten sich am Donnerstagabend mehrere 10 000 Bürger der Bezirksstadt.
Auf dem Erfurter Domplatz forderten am Donnerstagabend rund 80 000 Bürger freie Wahlen, Rechtstaatlichkeit und Freizügigkeit. (Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Die Schließung des Werkes II des Zellstoffwerkes fordern rund 600 Personen in Heidenau.
In Welzow demonstrieren rund 2 000 Personen u. a. gegen Tiefflüge.
Demonstriert wird auch in Friedrichroda, Leinefelde, Stadtroda. In Rostock gibt es an diesem Tag drei Demonstrationen.
Demonstrationen von SED-Mitgliedern
Dresden. Mehrere tausend Genossen hatten sich am Donnerstagabend vor dem Haus der Bezirksleitung Dresden versammelt, um ihre Forderungen zur politischen Erneuerung zum Ausdruck zu bringen. Sie verlangten einen Sonderparteitag, mehr neue Leute im Politbüro und Bestrafung derer, die maßgeblich Schuld an der kritischen Situation im Lande haben.
Cottbus. Vor mehreren tausend Teilnehmern einer Kundgebung auf dem Berliner Platz sprach Albrecht Schauerhammer, 2. Sekretär der Bezirksleitung Cottbus. Auf dieser Zusammenkunft, auf der die Entbindung Werner Waldes von seiner Funktion bekanntgegeben wurde, unterstützten mehrere Redner, die sich auf der Tribüne als Mitglieder der SED vorstellten, den Plenumsbeschluss zur Einberufung einer Parteikonferenz.
Rostock. Über 20 000 Genossen von Rostocker Grundorganisationen begrüßten am Donnerstagabend den Erneuerungsprozess der Partei, der sich auf der 10. Tagung des Zentralkomitees zu vollziehen beginne. Obwohl die Teilnehmer den sofortigen Rücktritt der Sekretariate der Kreisleitungen und der SED-Bezirksleitung forderten, ergriff kein Genosse der Bezirksleitung das Wort. (Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Pressekonferenz des Neuen Forum nach der Bestätigung der Anmeldung
Nach der Bestätigung der Anmeldung des Neuen Forum als Vereinigung durch das Ministerium des Innern sei in Kürze ein landesweiter Kongress zur Konstituierung vorgesehen.
Das wurde auf einer internationalen Pressekonferenz in Berlin-Prenzlauer Berg gestern von Gründungsmitgliedern mitgeteilt. Auf Fragen von Journalisten betonten Bärbel Bohley, Eberhard und Jutta Seidel sowie Michael Göbel, dass das Neue Forum sich als Bewegung und nicht als politische Partei sehe.
Befragt nach ihrer Meinung zu bisherigen Veränderungen in der DDR, betonte Bärbel Bohley, die wichtigste Veränderung für sie sei die Tatsache, dass die "DDR-Bürger begonnen haben, sich selbstbewusst und eigenständig in die Politik einzumischen". Der Westen täte gut daran aufzuhören, über Grund und Boden der DDR nachzudenken.
Eingangs war die "Stellungnahme des Neuen Forum zur Bestätigung der Anmeldung" verlesen worden. Darin charakterisiert sich die Vereinigung als "Bewegung, die die Erkenntnisse aus dem ehrlichen Dialog als programmatische Forderung, oder Konzept in politisches Handeln" umsetzen will. Im Rahmen der vorgesehenen Gründungshandlungen wolle Neues Forum die Lizenz für eine eigene Zeitung beantragen, heißt es unter anderem. Der Wortlaut der Stellungnahme war bereits gestern vom CDU-Zentralorgan "Neue Zeit" veröffentlicht worden. (Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Wegen des großen Andrangs muss die erste Pressekonferenz des Neuen Forum von Bärbel Bohleys Wohnung in den Hof verlegt werden. Jutta Seidel sagt dort: "Mit der jetzt erfolgten Bestätigung der Anmeldung des Neuen Forums verbindet sich zwingend die Forderung andere oppositionelle Gruppierungen und Parteien zu legalisieren. Nur eine pluralistische Gesellschaft eröffnet die Möglichkeit einer tiefgreifenden und dauerhaften Umgestaltung in der DDR."
Treffen zwischen Neuem Forum und NDPD in Cottbus
Im Cottbuser Bezirksvorstand der NDPD trafen sich der Vorsitzende des Bezirksverbandes, Karsten-Olaf Müller, und weitere Mitglieder des Sekretariats des Bezirksvorstandes mit Vertretern des Neuen Forums.
In einem freimütigen Gedankenaustausch wurden die Grundvorstellungen der NDPD einerseits und des Neuen Forums andererseits über die gesellschaftspolitische Entwicklung in unserer Republik in Gegenwart und Zukunft erörtert. Übereinstimmend war der Standpunkt, dass die Erneuerung unserer Gesellschaft nur auf demokratischen Wege möglich ist.
Es wurde vereinbart, zu den vielfältigen aufgeworfenen Fragen den begonnenen gemeinsamen Dialog fortzusetzen. (National-Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Sorbischer Tisch
"Sorbischer Tisch" ist der Titel eines öffentlichen Diskussionsforums, das am Donnerstag erstmalig in Bautzen stattfand. Damit wird eine sorbische Tradition wiederbelebt, die in den 60er Jahren als nationalistisch abgestempelt und abgeschafft worden war. Der Lehrer Michael Komarnitzki wies darauf hin, dass die sorbische Sprache aus den Dörfern der Lausitz immer mehr verschwindet und etwa die Hälfte der rund 100 000 Sorben ihre Sprache nicht mehr versteht. Ein neues Volksbildungsgesetz müsse auch den Sorbischunterricht neu regeln. Mit einem entsprechenden Vorschlag wolle man sich an das Politbüro des Zentralkomitees der SED wenden. (National-Zeitung, Sa. 11.11.1989)
Gründung der Christlich-Demokratische Jugend bekanntgegeben
Die Gründung einer eigenständigen Jugendorganisation, die die legitimen Interessen junger Christinnen und Christen unseres Landes vertritt, ist gestern Abend in Berlin bekanntgegeben worden. Unter dem Namen "Christlich-Demokratische Jugend" (CDJ) will sie eine politische Plattform für das Wirken junger christlicher Menschen sein. Dabei sei, wie es in einem Aufruf heißt, eine enge Zusammenarbeit mit kirchlichen Jugendgruppen selbstverständlich.
Dem Aufruf ist weiter zu entnehmen, dass sich die Jugendorganisation als eine antifaschistische, auf den Frieden, die Schaffung von Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung sowie auf solidarisches Handeln mit der Zwei-Drittel-Welt orientierte Bewegung versteht. Die CDJ wolle "für die Schaffung eines wahrhaft demokratischen Sozialismus" wirken. Zugleich verstehe sie sich als Forum freien, humanistischen und demokratischen Denkens.
Die CDJ will eine Jugendorganisation der CDU sein, die jedoch eigenständig wirkt, ihre Leitung selbst wählt, sich ein eigenes Programm gibt und ihre Aufgaben unabhängig von der CDU festlegt. Die Arbeit der CDU soll kritisch begleitet werden.
Bei der Gründungsversammlung wurde deutlich gemacht, dass die CDJ für jeden jungen Christen offensteht und ihre Strukturen in einem wirklich demokratischen Entscheidungsfindungsprozess entstehen. Die politische Arbeit der Organisation müsse, so wurde gefordert, angesichts der Situation in unserem Land umgehend beginnen. Vorgeschlagen wurde ein eigener Entwurf für ein Gesetz für einen zivilen Wehrersatzdienst. (Neue Zeit, Fr. 10.11.1989)
Auf einem Dialogforum in der Friedrichstadtkirche in Berlin-Mitte gab Hennig Stoerk unter dem Beifall der Anwesenden bekannt, dass am selben Tag eine unabhängige christliche Jugendorganisation "Christlich-Demokratische Jugend" gegründet worden sei. (Neue Zeit, Sa. 11.11.1989)
Gründung eines Verbandes der Ärzte und Zahnärzte der DDR vorgeschlagen
In einer Willenserklärung, die dem ADN gestern in Berlin übergeben wurde, wird von namhaften Ärzten die Gründung eines Verbandes der Ärzte und Zahnärzte der DDR vorgeschlagen. Der vorgeschlagene Verband stellt sich die Interessenvertretung dieser Berufsgruppen zur Aufgabe. Dazu gehöre die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen im Interesse einer guten Betreuung der Patienten sowie die Beratung und Kontrolle der Arbeit des Volkskammerausschusses für Gesundheits- und Sozialwesen und des Gesundheitsministers. (Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Rücktritt der 1. Sekretäre der Bezirksleitung der SED in Cottbus und Halle
Am Donnerstag beschloss die Bezirksleitung Halle der SED auf einer außerordentlichen Tagung, Hans-Joachim Böhme von seiner Funktion als 1. Sekretär zu entbinden. Von den anwesenden 64 Mitgliedern stimmten vier dagegen. Der Abstimmung, die einem Antrag Hans-Joachim Böhmes entsprach, ging eine mehr als vierstündige Aussprache der Mitglieder und Kandidaten der Bezirksleitung sowie der 1. Sekretäre der Kreisleitungen voraus. (Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Die SED-Bezirksleitung Cottbus hat, wie mitgeteilt wurde, Werner Walde, Kandidat des Politbüros des ZK der SED, von seiner Funktion als 1. Sekretär und Mitglied der Bezirksleitung entbunden. Sie entsprach damit einem Antrag von Werner Walde. (Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Vorschlag des Neuen Forum Rostock die DDR völlig zu entmilitarisieren
Das Neue Forum Rostock geht in einem Aufruf von einem Finanzbedarf in den nächsten Jahren von 500 bis 1 000 Milliarden Mark aus. Es wird dazu aufgerufen, die DDR zu einem völlig entmilitarisierten Staat zu machen. Alle militärischen und paramilitärischen Organisationen werden aufgelöst. Die DDR stellt sich unter den Schutz der Vereinten Nationen. Die Nachbarn werden um die bedingungslose Garantie für unsere Grenzen gebeten. Die Bundesrepublik Deutschland soll sich gegenüber der DDR absolut neutral verhalten.
Möglicherweise Aufnahmestopp für Über- und Aussiedler in Städten der BRD
HANNOVER (adn). Mit einem Aufnahmestopp für Über- und Aussiedler in Städten der BRD rechnet der Vizepräsident des Städtetages und hannoversche Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg.
Die Reserven in vielen Großstädten und Ballungsgebieten seien erschöpft. Das gelte sowohl für den Wohnungs- als auch für den Arbeitsmarkt, sagte er in einem Interview mit der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse".
Bremen werde nicht die einzige Stadt bleiben, die eine weitere Aufnahme verweigere, "weil die Situation für viele Städte unerträglich wird". Auch Hannover könne bald zu diesem Schritt genötigt sein. Die Neuankömmlinge müssten in Turnhallen und an deren Notunterkünften unter gebracht werden oder monatelang in einem Übergangslager wohnen. "Das ist keine menschenwürdige Lösung", sagte Schmalstieg. "Wir sind in eine Lage gekommen, die auf Dauer nicht verkraftet werden kann."
Er müsse täglich in Gesprächen, Briefen und Bürgerversammlungen erfahren, "wie unsere Bevölkerung verunsichert ist". Da entsteht "Unwohlsein, Neid, Aggression und Antipathie" gegenüber den Übersiedlern aus der DDR, betonte Hannovers Oberbürgermeister unter Hinweis auf die große Zahl von Einheimischen, die vergeblich Arbeit und Wohnung suchen.
In Bonn wurden in der Nacht zum Donnerstag 510 Übersiedler aus der DDR, darunter auch Familien mit kleinen Kindern, in einem atomsicheren Bunker untergebracht, der im Fall eines Atomkrieges als "Hilfskrankenhaus" vorgesehen ist. (National-Zeitung, Fr. 10.11.1990)
In der Klosterkirche in Pirna versammeln sich 1 000 Bürger.
Informationsveranstaltungen der SDP finden im Gemeindesaal der Martin-Luther-Kirche in Dresden und in der Tauchaer Stadtkirche statt.
Beim Magistrat der Stadt Dessau beantragt der Sprecherrat der SDP Dessau die Zulassung der Partei.
Mit einem einem Appell wenden sich das Neue Forum und SDP an die Bürger in Dessau: "Wir bitten Euch dringend: Verlasst nicht das Land! Wer weggeht, gefährdet unseren Neuanfang. Jetzt wird jeder gebraucht!"
Am Abend wird in Berlin-Marzahn eine Basisgruppe der SDP gegründet. Die Gründungssitzung der SDP-Basisgruppe Berlin-Wilhemsruh–Rosenthal in einer Gaststätte, wurde, nachdem die Nachricht von der Maueröffnung bekannt wurde, abgebrochen, da viele die Gaststätte verließen.
Auch in Erfurt wird die SDP gegründet.
Der Vorsitzende der Sozialistischen Internationale (SI), Willy Brandt, lädt in einem Brief Vertreter der SDP zur Ratstagung der SI am 23./24.11. in Genf ein.
Treffen im Berliner Palast der Republik zwischen Vertreter der SDP und einer Delegation der sozialistischen Fraktion des Europaparlaments.
In Berlin triff sich Martin Gutzeit und Stephan Hilsberg (beide SDP) mit dem Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD).
In der Pädagogischen Hochschule in Potsdam besuchen ca. 1 000 Studenten und Lehrkräfte eine Veranstaltung mit Markus Wolf. Gefordert wird die Schaffung eines Staatssicherheitsgesetz. Markus Wolf verliest eine zweiseitige Erklärung, die auch den Medien zur Veröffentlichung übergeben wird.
Eine weitere Veranstaltung mit Markus Wolf findet im Haus des Kulturbundes "Bernhard Kellermann" statt.
Auf einem Bürgerforum im Haus der Kunst des Rates der Stadt Sondershausen und der Nationalen Front nimmt auf dem Podium auch ein Vertreter des Neuen Form Platz.
In Nordhausen findet eine Diskussion zur Bildung statt. Ein Punktekatalog wird zusammengestellt. Es wird der Rücktritt der Kreisschulrätin gefordert.
Beim Kreistag in Wismar wird ein Gerechtigkeitsausschuss gebildet.
Auf einem "Wahlseminar" wird über ein neues Wahlrecht diskutiert.
An der Leipziger Universität konstituiert sich ein Studentenrat. Als von einer Person verkündet wird, "Die Mauer ist offen!", wird darüber gelacht und gedacht, sie wolle nur provozieren.
Das Neue Forum Karl-Marx-Stadt richtet ein Appell an alle: Bleibt hier! Helft mit, dass unser Land nicht ausblutet! Mitglieder des Neuen Forum werden aufgerufen an den Grenzübergängen des Bezirkes zur ČSSR Ausreisewillige in Gesprächen davon zu überzeugen im Land zu bleiben.
An der Straße zum Grenzübergang Schönberg zur ČSSR wurden vom Demokratischen Aufbruch Plakate mit den Aufschriften, "Bleibt hier – wir brauchen euch", "Statt Schweigen und Ziehen – hier kämpfen und mitziehen", "Ihr habt noch Zeit zum Überlegen – denn nur hier könnt ihr was bewegen", aufgestellt.
Ab dem 03.11.1989 Abends war die Ausreise oder Besuch von DDR-Bürgern über die ČSSR in die BRD möglich.
Im Kino International in Berlin hat der Film "Coming out" Premiere. Ein Voraufführung fand bereits im März in der Akademie der Künste statt.
Nach einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums sind innerhalb dieses Jahres bisher 225 233 Übersiedler aus der DDR in die BRD gekommen.