Berlin. Am 2. Juli soll die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen beiden deutschen Staaten komplett sein. Nach ihrem ersten Arbeitstreffen am Dienstag in Bonn bekräftigten Ministerpräsident Lothar de Maizière und Bundeskanzler Helmut Kohl "die Entschlossenheit ihrer Regierungen, dass die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 2. Juli dieses Jahres in Kraft treten kann".
Der mehr als dreistündige Meinungsaustausch im Bundeskanzleramt war der Auftakt für die kommenden Verhandlungen über einen Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR zur Schaffung der angestrebten Union. Wie der Regierungssprecher in Bonn erklärte, stimmen Kohl und de Maizière dann überein, die Ziele dieses Vertragswerkes sobald wie möglich zu verwirklichen.
Dazu wird es allerdings angesichts der Fülle der damit verbundenen Probleme einer gewaltigen Kraftanstrengung bedürfen. Auf die Journalistenfrage, ob er die Vorschläge Kohls "angenommen habe", antwortete der DDR-Ministerpräsident, er sei nicht nach Bonn gekommen, um etwas anzunehmen, sondern Vorarbeit zu leisten und Klärungen herbeizuführen. Es bedürfe bis zum Abschluss des Staatsvertrages noch mehrerer Verhandlungsrunden. Erst am Ende werde dann das Ergebnis festliegen. Die BRD-Regierung habe mit 1:1 bei Löhnen und Gehältern eine wesentliche Forderung der DDR-Bürger aufgenommen, und zwar mit der Einschränkung Subventionsabbau. Darüber allerdings müssten die Verhandlungspartner mit Blick auf Beschäftigte mit niedrigsten Gehältern noch einmal nachdenken. De Maizière hofft, dass der Vorschlag der Bundesregierung, pro Person Bargeld und Sparguthaben in Höhe von 4 000 Mark umzustellen, nicht unbedingt zum "zentralen Punkt" der deutsch-deutschen Verhandlungen gemacht werden muss. In dieser Frage sei in Rechnung zu stellen, dass - je höher man den Betrage der 1:1 umzustellenden Ersparnisse ansetzt - man gleichzeitig damit das Haushaltsdefizit vergrößert und so letztlich weniger Geld für soziale Leistungen zur Verfügung habe.
Kurz vor seinem Rückflug nach Berlin appellierte der neu- gewählte Ministerpräsident an die DDR-Bürger, die Diskussion um die Sparguthaben mit "mehr Gelassenheit" zu sehen schließlich seien die Zeiten noch nicht lange vorbei, dass die Menschen 5, 7 oder 10 Mark nach Westberlin getragen haben, um nur eine D-Mark dafür zu bekommen.
Helmut Kohl berichtete am Nachmittag vor Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion. Danach teilte Kohl vor Journalisten mit, am Dienstag sei kein Vertrag diskutiert, sondern über Arbeitspapiere gesprochen worden, damit unter Vertragspartnern ein „vernünftiges Gespräch" entstehen könne. Das ganze dürfe nicht zu einer Prozedur werden, in der die eine Seite einen Text überreiche, den die andere Seite zu akzeptieren habe. Da müsse "Punkt um Punkt durchgesprochen" werden. Die offiziellen Verhandlungen zwischen beiden Regierungen sollen heute in Berlin beginnen.
Von unseren Korrespondenten Werner Otto
(Neues Deutschland, Mi. 25.04.1990)
Die Bundesregierung übergibt der DDR-Regierung ein Arbeitspapier für die Gespräche über einen Vertrag zur Schaffung einer Währungsunion, Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft.
Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR.
Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes.
Anwendung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft nach Herstellung der staatlichen Einheit.
Der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD bei der DDR, Franz Bertele, begrüßte Lothar de Maizière nach seiner Rückkehr aus Bonn am Flughafen. Helmut Kohl ließ, nachdem er davon erfuhr, ihm mitteilen, derartiges in Zukunft zu unterlassen.