Nach 40 Jahren Friedhofsruhe rast die Zeit - auch für die Metaller der DDR. De Lage im Lande, speziell die in den Betrieben, erfordert zwingend klare Verhältnisse. Wenn das Kapital antritt, um sich an den DDR-Betrieben gütlich zu tun, wenn es in den DDR-Unternehmen selbst jede Menge wendeeilige Chefs gibt, die dabei sind, die ihnen ehemals als staatliche Leiter anvertrauten Betriebe ohne Rücksicht auf soziale Verluste marktwirtschaftlich zu verhökern, dann stehen die Zeichen auf Sturm. In dieser Situation tagte am Sonntag und Montag in Bernau die 12. Zentraldelegiertenkonferenz der IG Metall der DDR.
Es ging den Delegierten um nicht weniger als um die endgültige Wiedergeburt einer starken, eigenständigen und unabhängigen IG Metall, die allein in den kommenden harten Auseinandersetzungen in der künftigen freien Marktwirtschaft Garant sein kann für das soziale Element, ohne das die ganze Herbstrevolution keinen Sinn machen würde.
Der Abend des ersten Tages, der die verschiedenen Beichte auf der Tagesordnung sah, verlief betont sachlich. Hartmut Bugiel, der den Bericht "Zu den Aufgaben der IG Metall" vortrug, setzte die Akzente auf konsequente Erneuerung der Gewerkschaftsarbeit, auf die deutliche Entwicklung der Kampfkraft der Arbeitnehmervertretung sowie auf den erklärten Willen der Gewerkschafter in Ost und West, sich zu einer schlagkräftigen Organisation zu vereinigen.
Die vorgelegten Berichte bildeten am Montag die Grundlage einer lebhafter Diskussion, die Zeugnis ablegte vom wachen Selbstbewusstsein der Gewerkschaftsbasis. Nach teils kontroverser Debatte wurden der Bugiel-Bericht und der Bericht zur Finanzarbeit bestätigt. Untersuchungs- und Revisionsbericht dagegen fielen durch, und so konnte der alte Vorstand nur mit knapper Not entlastet werden, was aber immerhin den Fortgang der Konferenz sicherte. Das war um so wichtiger, da die Konferenz mit der Diskussion und den Beschlüssen zum neuen Statut, der Wahlordnung der IG Metall sowie der Wahl des Vorstandes und der weiteren Gremien sozusagen über die Wiedergeburtsurkunde der DDR-Metaller zu entscheiden hatte.
Solidarische Grüße der Kollegen aus der BRD überbrachte den Delegierten IG-Metall-Chef Franz Steinkühler. Er hob in seiner Rede die grundsätzliche Interessengemeinschaft der Arbeitnehmer in Ost und West hervor und plädierte nachdrücklich für eine Währungsunion nach dem Verhältnis 1:1 für Renten, Löhne und andere Einkommen.
Zum Vorsitzenden des Geschäftsführenden Vorstandes der IG Metall wurde Hartwig Bugiel gewählt der der Gewerkschaft bereits seit Ende November 1989 vorgestanden und ihre Erneuerung eingeleitet hatte. Er setzte sich mit 282 Stimmen klar gegen die einzige Gegenkandidatin Karin Schubert durch, die 148 Stimmen erhielt.
Michael Richter
(Tribüne, Di. 10.04.1990)
Hartwig Bugiel heißt der neue (alte) Vorsitzende der IG Metall für die DDR. Mit 2-Drittel-Mehrheit bestätigte ihn die 12. Landesdelegiertenkonferenz der IG in Bernau in seinem Amt. Die Metaller beschlossen zudem ein Statut, Grundsatzanträge und wählten einen neuen Vorstand. Stark in Gespräch: Die beabsichtigte Vereinigung mit der IG Metall der BRD. Gegenüber ND sprach sich Bugiel dabei für ein etappenweises Vorgehen aus, denkbar wäre für ihn eine Gewerkschaftsföderation.
(Neues Deutschland, Di. 10.04.1990)
Berlin. ADN/BZ Deutsche Einheit muss mehr sein als die Vereinigung von Konzernen und Kombinaten. Deutsche Einheit darf nicht zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hüben wie drüben gehen.
Diese Ansicht vertrat Franz Steinkühler, 1. Vorsitzender der IG Metall der Bundesrepublik, auf der zentralen Delegiertenkonferenz der IG Metall der DDR gestern in Berlin. Er unterstütze entschieden die Forderung nach einem Umtauschkurs von 1:1 "nach vorne", also für Renten, Löhne und andere Einkommen. Steinkühler wies darauf hin, dass der Wohlstand der Bundesrepublik Resultat sozialer, vor allem gewerkschaftlicher Kämpfe ist. Die Arbeiter und Angestellten in einem geeinten Deutschland brauchen eine vereinte IG Metall, sagte er.
Für einen Prozess des Zusammenwachsens gleichberechtigter Partner mit "aufrechtem Gang" sprach sich der Vorsitzende der IG Metall der DDR, Hartwig Bugiel, aus. Ein künftiges Betriebsverfassungsgesetz der DDR müsse mehr hergeben als das der Bundesrepublik. Das Gewerkschaftsgesetz sei eine Zwischenstufe dafür.
Bugiel hatte am Vortag zur Eröffnung der zweitägigen Beratungen vor den 438 Delegierten von der Regierung gesetzliche Grundlagen für Sozialprojekte gefordert. Als tarifpolitische Ziele bezeichnete der IG-Vorsitzende schrittweise Einkommenssteigerung, kürzere Arbeitszeit und mehr Urlaub sowie verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen für die Metaller.
(Berliner Zeitung, Di. 10.04.1990)