Der erste Juristentag der DDR mit mehr als 600 Teilnehmern aus beiden deutschen Staaten begann am Freitag in Strausberg. Im Zentrum der dreitägigen Veranstaltung stehen Probleme der Rechtsangleichung zwischen der DDR und der BRD im Zuge ihres Einigungsprozesses. Des weiteren wollen die Experten, eingeladen vom Richterbund, dem Bund der Staatsanwälte, dem Rat der Vorsitzenden der Kollegien der Rechtsanwälte und der Vereinigung demokratischer Juristen, über Bewahrenswertes in der DDR-Rechtsordnung und Konsequenzen der Übernahme bundesdeutschen Rechts diskutieren.
Wie im Vorfeld des Juristentages DDR-Rechtsexperten betonten, würde eine glatte Überstülpung der Rechtsgrundlagen der Bundesrepublik zu chaotischen Zuständen und erheblichen Benachteiligungen für die DDR-Bürger führen.
(Neue Zeit, Sa. 21.04.1990)
Der gegenwärtige Zustand des Rechts und der Justiz in diesem Lande lässt viele Fragen offen, schafft Unmut und Unzufriedenheit auf der einen, Ignoranz über bestehende, noch gültige Gesetze auf der anderen Seite, da und dort gar Selbstjustiz.
Tägliche Beispiele von Verstößen gegen das Arbeitsrecht gibt es Iandauf, landab viele. Man denke nur an die Entlassung Behinderter, werdender oder aus dem Babyjahr kommender junger Mütter, von NVA-Soldaten. Im Straßenverkehr werden die besehenden Verordnungen ignoriert, vor Gericht erscheinen vorgeladene Bürger nicht.
"Wir nähern uns einer Situation der Rechtlosigkeit", fasst Rechtsanwalt Dr. Friedrich Wolff, Präsident der Vereinigung demokratischer Juristen in der DDR, die augenblickliche Lage in diesem deutschen Staat zusammen.
Hautaufgabe der neuen Regierung müsse es deshalb sein, schnell einen wirklichen Rechtsstaat zu schaffen.
Im Zentrum des am Freitag beginnenden dreitägigen Juristentages der DDR stet das Problem der Rechtsangleichung im Einigungsprozess beider deutscher Staaten.
Welcher Weg beschritten wird, sei nicht so entscheidend, wenn die Rechte der DDR-Bürger gewahrt bleiben, wenn
Artikel 23 des BRD-Grundgesetzes so zu verstehen ist, dass bewährte Rechte übernommen werden können, meint der Anwalt.
Erstmalig wird am DDR-Juristentag auch eine repräsentative Abordnung von Juristen aus der BRD und aus Westberlin teilnehmen. Denn die Veranstaltung solle den Menschen deutlich machen, dass sich der Prozess der Rechtsangleichung zwischen Ost und West über 10 bis 15 Jahre hinziehen wird.
Große Bedeutung komme somit eurem Rechtshilfeabkommen zwischen beiden deutschen Staaten zu, über das bisher bereits mehr als 17 Jahre erfolglos verhandelt wird.
(Junge Welt, Do. 19.04.1990)