Die Studentenproteste in Leipzig und Berlin werden auch noch den Feiertagen fortgesetzt. Dabei werden die Teilnehmer an den Mahnwachen von der Bevölkerung unterstützt. So gehen nach Angaben des Studentenrates an der Humboldt-Universität täglich Lebensmittel- und Geldspenden für die etwa 60 Mahn-Wächter ein. Morgen trifft sich der sächsische Wissenschaftsminister Prof. Hans Joachim Meyer erneut mit Studentinnen und Studenten der KMU Leipzig. Es ist der Versuch einer Annäherung. Noch während der Weihnachtsfeiertage hatten sich die Studis mit der Uni-Leitung auf einen Katalog mit Minimalforderungen geeinigt, der gestern Abend auf einer Vollversammlung nochmals beraten wurde. Ein Kompromiss, mit dem man die Fronten zu überbrücken versucht. An den Gesprächen hatten sich auch Vertreter der Stadtverordnetenversammlung beteiligt.
Dessen Präsident, Friedrich Magirius, so Michael Gerdes vom Studentenrat, habe das Anliegen unterstützt. Ob es ein gutes Omen für den small talk mit dem Minister sein wird? Die Forderungen der Studenten und Professoren sind im Grunde nicht neu. Noch wie vor weit oben steht die noch einer Durchführungsbestimmung für die schrittweise Umprofilierung der Universität. Was auch bedeutet, den Abwicklungsbeschluss auszusetzen oder ihn zu modifizieren. "Der Kompromiss, den wir an der Uni erzielt heben, könnte eine Grundlage dafür sein", sagt Michael Gerdes. Neben der Besetzung aller Leitungspositionen für maximal ein Jahr sowie deren Legitimierung (gegebenenfalls durch eine Vertrauensfrage) geht es dabei unter anderem um den Einsatz von Berufs- und Gründungskommissionen in den Fachbereichen und Sektionen. Diese sollen viertelparitätisch mit Professoren und Dozenten aus den alten und neuen Bundesländern, Angehörigen des Mittelbus sowie Studenten besetzt werden. Zudem wird eine prinzipielle Gleichbehandlung ausländischer Studenten gefordert. Sofern sie es wollen, sollen sie - auch mit Blick auf ihre soziale Absicherung - die Möglichkeit haben, ihr Studium zu beenden.
Die sofortige Zulassung der Studentenvertretung schließlich dürfte eigentlich nur noch Formsache sein. An entsprechenden Zusagen von Prof. Meyer fehlt es nicht, nur die nötige Verordnung ließ bislang auf sich warten.
Dies, so Michael Gerdes, sei im übrigen ein generelles Problem. Um verbale Bekundungen sei die Landesregierung nicht verlegen gewesen. Amtlich ist bislang jedoch nur der Beschluss über die "Abwicklung".
Frank Pawlowski
(Junge Welt, Fr. 28.12.1990)
Berlin (dpa/adn/ddp) Mit Mahnwachen haben Studenten in Berlin und Leipzig auch nach Weihnachten ihre Proteste gegen die geplante Umstrukturierung ihrer Universitäten fortgesetzt. Studenten und Lehrkräfte der Berliner Humboldt-Universität treffen sich heute zu einer Vollversammlung, bei der gemeinsame Maßnahmen gegen die Schließung von Teilbereichen der Bildungsstätte beraten werden sollen. In der Diskussion sind zum einen rechtliche Schritte wie die von Rektor Heinrich Fink erwogene Verfassungsklage. Zum anderen geht es um weitere Protestaktionen. Zu Neujahr wird als Höhepunkt ein Demonstrationsmarsch von Berlin nach Leipzig gestartet.
"Die Studenten haben am besten begriffen, worum es derzeit geht nämlich um Würde und Ansehen der Universität", sagte Rektor Prof. Heinrich Fink. Bei der Ablehnung des Senatsbeschlusses über die "Abwicklung" der Alma Mater ab 1. Januar 1991 gehe es ihm genau so wenig wie den Studenten um die Erhaltung "alter Seilschaften und das Ausstellen von Persilscheinen" für die Mitarbeiter. Aber die Erneuerung, die auch mit Hilfe der Studierenden im vergangenen Jahr eingeleitet wurde, müsse von innen kommen. Natürlich, so räumte der Rektor ein, sei dies ein langwieriger, schwieriger Prozess.
Auch die 50 Teilnehmer der Mahnwache in Leipzig, die wie ihre Berliner Kommilitonen ihren Protest über Weihnachten fortsetzten, erhalten Geschenke und Sympathiebekundungen. Wie ein Leipziger Studentenratssprecher sagte, wird es von Gesprächen mit dein sächsischen Bildungsminister Hans-Joachim Meyer abhängen, ob die Blockade der Hochschule zu Beginn des Unibetriebes wieder aufgenommen wird.
(Der Morgen, Fr. 28.12.1990)