Mo. 10. Dezember 1990

• • Protest gegen drohende Schließung in Premnitz

    • Premnitz/Berlin. (ND-Staude) Vor dem Betriebstor protestierten am Montag Arbeiter und Angestellte der Märkischen Faser AG gegen eine mögliche Schließung des Werkes. Empörung unter der Belegschaft hatten von der Treuhand aufgegebene Annoncen ausgelöst, in denen an Geschäftsführung und Betriebsrat vorbei ein Käufer für den Betrieb gesucht worden war.

      "Mit dem Protest wollen wir erreichen, dass am 21. Dezember, wenn in der Treuhand über unser Schicksal entschieden wird, die Entscheidung zugunsten des Werkes fällt", sagte Betriebsratsvorsitzender Mathias Homann gegenüber ND. In die akuten Schwierigkeiten sei der Betrieb, der einst 75 Prozent seiner Produktion im Inland absetzte, mit dein Niedergang der ostdeutschen Textilindustrie geraten. "Man muss uns einfach die Chance geben, die Märkte neu zu erschließen", sagte Homann.

      Die Treuhand hatte dem Unternehmen für das 4. Quartal nur einen Teil des beantragten Kredits bewilligt, womit es am Rande der Zahlungsunfähigkeit ist. Eine Schließung würde rund 5 000 Chemiewerker arbeitslos machen, was auf Premnitz mit seinen rund 11 000 Einwohnern verheerende Auswirkungen hätte. Betroffen wären aber auch Arbeitsplätze in Zulieferunternehmen wie dem PCK Schwedt.

      Das von der Faser AG vorgelegte Sanierungskonzept erfordert bis 1993 einen Aufwand von 118 Millionen D-Mark. Diese auf den ersten Blick hohe Summe sei aber, so Homann, typisch für die kapitalintensive Chemieindustrie. Mit dem Geld ließen sich im Werk 2 500 Arbeitsplätze erhalten, die zukunftsträchtig seien und für die strukturschwache Premnitzer Region eine Entwicklungsbasis bieten würden.

      An eine schnelle Privatisierung der Faser AG, wie von der Treuhand gefordert, sei vorläufig nicht zu denken, betonte auch Vorstandsmitglied Jürgen Stieler. Ei gebe zur Zeit keine Käufer. Erst müsse saniert werden. Dazu seien bereits alte Anlagen stillgelegt worden. Ziel sei es, die Produktion von Textil- auf technische Fasern umzustellen.

      Für die Annoncenaktion hat sich die Treuhand, wie deren Sprecher Wolf Schöde bestätigte, inzwischen bei der Faser AG entschuldigt. Allerdings will Schöde die Kritik an der Treuhand eingeschränkt wissen. Bei Premnitz seien beide Seiten nicht mit dem nötigen "Geschick" vorgegangen. Es gehe nicht an, jetzt bei drohenden Konkursen der Treuhand den Schwarzen Peter zuzuschieben.
      (Neues Deutschland, Di. 11.12.1990)

  • Soziale Mauer zwischen dem West- und Ost-Teil der Bundeswehr droht

    • Bonn (ADN/ND). Die für Wehrpflichtige unterschiedlichen finanziellen und Urlaubsregelungen drohten, eine "soziale Mauer zwischen dem West- und Ost-Teil der Bundeswehr" zu errichten. Das spalte die Truppe und hätte "verheerende Konsequenzen", erklärten die Beisitzer der Wehrpflichtigen im Bundesvorstand des Bundeswehr-Verbands am Montag in Bonn. Man betrachte mit Sorge die "gravierende Schlechterstellung" der Kameraden aus dem Osten. Diese würden mit nur einem Fünftel des im Westen gezahlten Entlassungsgeldes (2 500 DM) "abgespeist". Außerdem erhalte ein Soldat in Brandenburg fünf Tage weniger Urlaub als jener in Nordrhein-Westfalen.
      (Neues Deutschland, Di. 11.12.1990)

  • Die Berliner Kulturakademie wird vollständig aufgelöst

    • (ADN). Die Berliner Kulturakademie wird nach Aussage ihrer Direktorin, Dr. Brita Meinecke-Kleint, vollständig aufgelöst. Auf Beschluss der Landesregierung sollten nur noch die derzeit laufenden Kurse beendet werden, sagte sie am Montag auf einer Pressekonferenz. Dies allerdings dauere beispielsweise bei einem berufsbegleitenden Lehrgang anderthalb Jahre.

      Die Akademie gehört zu den bislang dem Magistrat nachgeordneten Einrichtungen, die "abgewickelt" werden sollen. Die Direktorin und ihre Mitarbeiter fordern eine Übernahme durch die Bildungsverwaltung des Senats.
      (Neues Deutschland, Mi. 12.12.1990)

  • Bisher über 100 Agenten in der BRD enttarnt

    • Bis zum Dezember wurden durch die Aussagen von Überläufern aus dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit über 100 Agenten entlarvt. Weitere müssten mit ihrer Enttarnung rechnen, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Gerhard Boeden, gestern in einem Interview der Tageszeitung "Berliner Kurier am Abend". Boeden äußerte die Befürchtung, dass sich Ex-Stasimitarbeiter zusammenschlössen und auf Rache sinnen.
      (Berliner Zeitung, Di. 11.12.1990)

  • Verhandlungen über den deutsch-polnischen Vertrag über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft

    • Warschau, dpa Die Verhandlungen für den beabsichtigten deutsch-polnischen Vertrag über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft, der den bereits unterschriebenen Grenzvertrag ergänzen soll, sind gestern in Warschau fortgesetzt worden. Für Bonn verhandelt wiederum der politische Direktor im Bonner Auswärtigen Amt, Dieter Kastrup. Beide Seiten sind sich darüber einig, dass dieser Vertrag im Januar fertiggestellt werden soll. Er wird die Gesamtheit der künftigen Beziehungen zwischen beiden Ländern regeln und soll im Februar zusammen mit dem Grenzvertrag von den Parlamenten ratifiziert werden.
      (Berliner Zeitung, Di. 11.12.1990)

Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Stasi-Akten, Joachim Gauck, hat nach einem Bericht des "Spiegel" mit dem wachsenden Unmut seiner Mitarbeiter aus der Ex-DDR zu kämpfen. Ihnen gehe die Bevormundung durch die Bonner Bürokraten gegen den Strich. Ärgerlich sei die teilweise arrogante Behandlung durch das Innenministerium.
(Neue Zeit, Di. 11.12.1990)

Einem geschäftstüchtigen Oberstleutnant der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR verdanken die Berliner den ersten umfassenden Atlas der Gesamtstadt und ihrer Umgebung. Für 14 000 DM hatte die Bertelsmann-Tochter Reise- und Verkehrsverlag (RV) dem Offizier kürzlich zwei Kartensätze abgekauft, die das Gebiet des ehemaligen Arbeiter-und-Bauern-Staates auf 1 400 Blättern bis ins letzte Detail wiedergeben.

Damit konnte der Berlin-Plan fertiggestellt werden, der vor einer Woche in den Handel kam. RV-Geschältsführer Wolfgang Kundt stellte das Produkt in Berlin am Palast-Hotel der Presse vor: Der Stadtatlas reicht von Oranienburg im Norden bis Königs Wusterhausen im Süden, von Potsdam im Westen bis Strausberg im Osten.

Das Kartenwerk im Maßstab 1:20 000 erscheint in 17. Auflage und hat sich bereits vor der "Militärhilfe" als ein Bestseller erwiesen. Er enthält auf 125 Kartenseiten auch bisher nicht der Öffentlichkeit zugängliche Gebiete, die unter anderem von der Armee oder der Staatssicherheit genutzt wurden oder dem Grenzstreifen zufielen. Sonderkarten im Verhältnis 1:10 000 stellen die Stadtmitte sowie ausgewählte Stadtbezirke dar. Natürlich fehlen auch Verwaltungsgebiete, Nahverkehr- und Schnellbahnnetz nicht.
(ADN)
(Tribüne, Mo. 10.12.1990)

Auf dem Leipziger Augustusplatz am Mendebrunnen versammeln sich rund 100 Personen, um gegen die geplante Abschaltung des Deutschen Fernsehfunkes zu protestieren.

In Berlin-Pankow protestieren Anwohner einer S-Bahnstrecke vergeblich gegen den Abriss der Mauer. Sie diente ihnen als Lärmschutz. Im Sommer 1990 hatten sie eine Petition an den Pankower Bürgermeister gerichtet.

Δ nach oben