DDR 1989/90Brandenburger Tor

04.12. Der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft stimmt dem Einigungsvertrag zu

13.12. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wird in der französischen nationalversammlung ratifiziert

15.12. Auf den Frequenzen von DFF 1 sendet nun ARD und ZDF

15.12. In den Deutschen Sportbund werden die Landesverbände Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aufgenommen

15.12. Der Jugendherbergs-Hauptverbandes löst sich zum 31.12.1990 auf

22.12. Der Aufenthalts- und Abzugsvertrag der sowjetischen Streitkräfte aus der BRD sowie der Überleitungsvertrag tritt in Kraft


Mi. 18. Dezember 1990


• Am Dienstag gab es neue Demonstrationen vor Hochschulen, Universitäten und Fakultäten der neuen Bundesländer. "Abwicklung" heißt das Auslösungswort für lautstarke Protestaktionen von Studenten und Hochschullehrern

• Mehrere tausend protestierten vor dem Schöneberger Rathaus in Westberlin gegen Pseudosäuberung, Dezimierung und Aufgabe ganzer Einrichtungen der Humboldt-Universität und anderer Einrichtungen in Berlin-Ost

• Thüringer Studenten zogen vor das Landtagsgebäude und erzwangen Auskunft im Bildungsministerium

• Der sächsische Staatsminister des Innern, Dr. Rudolf Krause, räumte unterdessen allen Studenten der "abzuwickelnden" Studieneinrichtungen die Möglichkeit ein, ihre Abschlüsse an anderen Einrichtungen zu erhalten

• Einlenken musste die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der "Abwicklung" der Pädagogischen Hochschulen Güstrow und Neubrandenburg

Jetzt sind sie die "Wickelkinder" der Nation - die Studenten und Beschäftigten der Unis und Fakultäten in den fünf neuen Bundesländern. Nach den von den Landesregierungen unlängst angekündigten Maßnahmen werden sie jetzt "abgewickelt", wie es so schön in neudeutsch heißt.

"Monopoly mit der Uni? Nicht mit uns! Ossi denkt und Wessi lenkt. Gegen Abwicklung." So war es am Dienstagmorgen vor dem Schöneberger Rathaus auf Transparenten zu lesen. Ab neun Uhr tagte dort hinter fest verschlossenen Fenstern und Türen die Landesregierung zu genau diesem Thema. Trotz bitterer Kälte machten sich deshalb Studenten und Lehrer auf den Weg, um lautstark gegen die Machenschaften der Verantwortlichen zu protestieren. Frau Barbara Riedmüller, Wissenschaftssenatorin Berlins, mag sich belagert vorgekommen sein. Umzingelt dagegen waren mehr die Demonstranten. Polizeipräsenz in allen Seitenstraßen.

Auf der Freitreppe wechselten sich an diesem Morgen die Redner ab. Was sie sagten, wurde entweder mit Buhrufen, ohrenbetäubenden Trillerpfiffen oder Fanfarensignalen unterstrichen. Leider war auch deshalb kaum etwas zu verstehen. Zwischen den hin und her wogenden Massen waren die typischen Verkaufsstände des Schöneberger Marktes aufgereiht. Zwei strahlende Weihnachtsbäume dazwischen. Doch Friede wollte nicht und konnte nicht in die Herzen derer einziehen, die sich hier versammelt hatten.

Man verkenne nicht die Notwendigkeit, auch die Hochschulen in Berlin neu zu ordnen, war in einem verteilten offenen Brief von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus West-Berlin zu lesen. Aber man protestiere gegen das vorgesehene Verfahren und die Ziele dieser Politik. Die Pläne der Senatorin wurden als rechtsstaatlich bedenklich, organisatorisch unproduktiv und politisch kurzsichtig bezeichnet. Die Kunststudenten am Straßenrand sind aufgebracht, "Wir brauchen keine Wessis, die uns nun wieder sagen, wie was zu machen ist!" An der Humboldt-Uni sei seit dem Oktober 1989 ein Demokratisierungsprozess im Gange, der jetzt von der Senatsverwaltung für null und nichtig erklärt werde. Die jungen Leute würde schon interessieren, mit welchem Recht sich Senatoren derlei anmaßen. "Riedmüller raus", forderten sie immer wieder. Doch hinter den Fenstern rührte sich nichts. Ein Senatssprecher gab dann cool kund, dass man gar nicht daran denke, hier und heute Rede und Antwort zu stehen. Freilich haben die Damen und Herren im sicher gut geheizten Rathaus anderes zu tun. Nämlich durchzusetzen, dass Beschäftigte der HUB-Bereiche Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte, Philosophie und Kulturwissenschaften zu entlassen seien. Neubewerbungen des bestehenden Stellenrahmens wären dann ja wohl für West-Wissenschaftlers frei.

Erstaunlich war die Solidarität aller Studenten und Mitarbeiter. Ob Mediziner, Theologe oder Wissenschaftler - alle bestanden auf eine "Ent- statt Abwicklung" ihrer Berliner Uni.
Christina Fischer
(Tribüne, Mi. 19.12.1990)

Die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehören dem Verwaltungsrat der Treuhandanstalt an.

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