Ihren Unmut über "Abwicklungs"-Pläne des Senats bekundeten am Mittwoch Studenten der Berliner Humboldt-Universität. Auf einer öffentlichen Vollversammlung, zu der der Studentenrat aufgerufen hatte, bezeichneten sie ein derartiges Vorhaben als .skandalösen Eingriffe in die Autonomie der Bildungsstätte. Es widerspreche dem Mantelgesetz, wonach die Universität dem Land Berlin unterstehe. Für kommenden Dienstag, 9 Uhr, hat der Studentenrat zu einer Protestdemonstration vor dem Schöneberger Rathaus aufgerufen.
Wie in Berlin rumort es auch in Sachsen. Das Land schließt zum 31. Dezember neben der DHfK weitere Hochschulen, Institute und Fachbereiche. Betroffen ist auch die stark vorbelastete Sektion Journalistik an der Leipziger Karl-Marx-Universität. JW sprach mit Sektionsdirektor Prof. Dr. Hans Poerschke.
Wie haben Sie vom Aus erfahren?
Aus dem Radio. Nicht einmal der Rektor der Universität wurde vorab informiert. Wie die sächsische Regierung hier vorgegangen ist, kann ich nicht billigen. Hintenrum gab's freilich Vermutungen . . .
Die Sektion Journalistik, einzige ihrer Art in der ehemaligen DDR, galt als eine der "Kaderschmieden". Was hat sich seit der Wende geändert?
Seit Oktober lehren wir noch einem neuen Ausbildungsprogramm, dessen Ecken und Kanten gemeinsam mit den Studenten abgeschliffen werden. Wir wollten auf dieser Grundlage den Diplomstudiengang Journalistik erhalten.
Welche Reaktionen gab's denn von der Universitätsleitung?
Wir haben dem Rektorat unsere Vorstellungen über die Bildung von Instituten für Kommunikationswissenschaft und für Medienarbeit eingereicht. Die Entscheidungsprozesse waren inzwischen soweit gediehen, dass die Sektion zum Fachbereich umgebildet werden sollte.
Wie soll's nun weitergehen? Ab 2. Januar sind Sie und ihre Mitarbeiter zunächst in den "Wartestand" versetzt.
Da wissen Sie schon mehr als ich. An und für sich müssten die Studenten Gelegenheit bekommen, ihr Studium zu beenden. Es ist bedrückend, dass nun so, ohne jegliche Analyse an Ort und Stelle, ohne Überprüfung der Veränderungen, entschieden worden ist.
Von unseren Berichterstattern Constanze Damm (Berlin) und Hendrik Thalheim (Leipzig)
(Junge Welt, Do. 13.12.1990)
Ihren Unmut über "Abwicklungs"-Pläne des Senats bekundeten gestern Studenten der Berliner Humboldt-Universität. Auf einer öffentlichen Vollversammlung, zu der der Studentenrat aufgerufen hatte, bezeichneten sie ein derartiges Vorhaben als "skandalösen Eingriff" in die Autonomie der Bildungsstätte. Es widerspreche dem Mantelgesetz, wonach die Universität dem Land Berlin unterstehe.
Studenten wie auch Rektor Prof. Dr. Heinrich Fink riefen auf, sich zu wehren und den bereits begonnen Erneuerungsprozess von innen zu forcieren. Die Einrichtung werde sich von einigen Lehrstühlen "befreien" und sich von einigen Wissenschaftlern und Hochschullehrern "verabschieden", versicherte Fink.
Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller informierte gestern in einer Pressemitteilung, dass alle an der Humboldt-Universität begonnenen Studiengange fortgeführt werden. Dem widersprechende "Gerüchte" im Ostteil seien „grundlos".
ADN/BZ
(Berliner Zeitung, Do. 13.12.1990)