Die Rechnung mit dem Kindergeld geht bei Preisvergleich nicht auf

Sozialabbau beginnt bei Frauen und Alleinerziehenden

Wieder einmal sind wir mit beschlossen Maßnahmen der Regierung konfrontiert, die einen ersten Schritt in Richtung Sozialabbau manifestieren, der vor allem zu Lasten der in der Regel ohnehin schlechter verdienenden Frauen mit Kindern geht. Die in den Zeitungen vom 13.1.1990 angeführten Beispiele für den Abbau der Subventionen bei Kinderkleidung und -schuhen sehen in der Mehrzahl Preiserhöhungen über 100 Prozent vor. Die beigefügten Erläuterungen suggerieren einen vollständigen finanziellen Ausgleich durch eine Erhöhung des Kindergeldes.

Die veröffentlichte Gegenüberstellung von 2,05 Milliarden Subventionen zu 2,1 Milliarden Zuschüsse zum Kindergeld lässt sich nicht erklären, wenn aus einem ersten Preisvergleich (Vergleichszeitraum 1 Jahr für ein Schulkind) ein Mehraufwand von 1 000,- M hervorgeht, dem ein Zuschuss von 340,- M Jährlich gegenübersteht.

Ganz besonders wird sich dieses Ergebnis verfehlter Wirtschaftspolitik auf die soziale Situation Alleinerziehender auswirken, die häufig auf Grund ihrer familiären Situation zu den schlechter verdienenden Berufsgruppen gehören (z. B. weil sie nicht in Schichten arbeiten können, begrenzte Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung haben und wegen Krankheit der Kinder finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen).

Da außerdem weitere Preiserhöhungen (z. B. Mieten und Grundnahrungsmittel) zu erwarten sind, die sie wiederum vorrangig belasten werden, protestieren wir entschieden gegen einen Abbau von Subventionen zu Lasten der sozial Schwachen.

Wir fordern:

1. Bevor entsprechende Maßnahmen und Verordnungen beschlossen werden, müssen die Betroffenen in Zukunft die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen und Vorstellungen in eine breite öffentliche Diskussion einzubringen.

2. Um soziale Härten für Alleinerziehende zu verhindern, verlangen wir eine den Preiserhöhungen entsprechende Anhebung der monatlich zu zahlenden Unterhaltskosten. Dabei sollte ein Mindestbetrag festgelegt und eine Staffelung entsprechend dem Nettoverdienst des/der Zahlenden erfolgen.

3. Darüber hinaus fordern wir für alle eine adäquate Anhebung des Kindergeldes, da die Preiserhöhungen bei Kinderbekleidung und Schuhen nicht durch den Zuschuss von 45,- M bzw. 65,- M ausgeglichen werden. Gegenüber dieser einfachen Staffelung schlagen wir vor:

  • 0 -   4 Jahre  70,- M
  • 5 -   8 Jahre  80.- M
  • 9 - 13 Jahre 100,- M
  • ab 14 Jahre 140,- M

Außerdem fordern wir eine automatische Anpassung des Kindergeldes an die Inflationsrate.

Lila Offensive (UFV)
Rote Rosa (VL)

(BZ vom 21./22.01.1990)
aus: gesammelte Flugschriften DDR `90, Heft 3, März 1990, erstellt von der Initiative für eine Vereinigte Linke, Technische Gestaltung, Produktion und Vertrieb: ASTA TU Berlin

Anmerkungen dazu von Olaf Staps


[In den 80ziger Jahren wurden die Subventionen für Kinderschuhe in der ČSSR und Polen abgebaut. In der DDR nicht. Wegen der niedrigen Preise kauften Bürger aus der ČSSR im Süden der Republik Kinderschuhe. Was zu erheblichen Spannungen dort führte.]