NDPD zum Weg zur deutschen Einheit

Erklärung der Volkskammerfraktion

Der Vorsitzende der NDPD-Fraktion, Günter Hartmann, entwickelte in seiner Stellungnahme zur Regierungserklärung Modrow am 17. 11. 1989 in der Volkskammer als erster Politiker der DDR den Vorschlag einer Konföderation beider deutscher Staaten auf dem Weg zur Lösung der deutschen Frage

Ein diese Linie ausbauender und präzisierender Maßnahmeplan zur deutschen Einheit wurde dem 14. Parteitag der NDPD in dessen erster Sitzung am 20. 1. 1990 vom Volkskammerabgeordneten und Parteitagsdelegierten Dr. Manfred Goedecke zur Diskussion unterbreitet. Der Parteitag billigte ihn in den Grundvorstellungen. Gemeinsam mit weiteren Fraktionsmitgliedern wurde der Entwurf überarbeitet, insbesondere die sicherheitspolitischen Aspekte und die Einbindung des Prozesses in die gesamteuropäische Entwicklung stärker ausgebaut sowie in Anbetracht der Entwicklung auf die Terminisierung der einzelnen Schritte verzichtet.

Die Fraktion bekräftigt die Auffassung der NDPD, dass die Herstellung der deutschen Einheit ein wesentlicher Motor beim Bau des europäischen Hauses sein muss. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Antrieben ist es, in der sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und menschlich hochsensiblen deutschen Frage Emotionen mit bedachtsamem und politisch verantwortungsvollem Augenmaß in ein vernünftiges Handeln beider deutscher Staaten und aller am europäischen Friedens- und Einigungsprozess Beteiligten einzubinden.

Als Ergebnis der Überarbeitung und in nunmehriger Kenntnis des Modrow-Planes - mit dem wir in Grundpositionen übereinstimmen - legt die Volkskammer-Fraktion dem zweiten Teil des NDPD-Parteitages und der Öffentlichkeit folgende Fassung unseres Maßnahmeplanes zur Herstellung der deutschen Einheit vor.

1. Baldigstmöglichste Herstellung einer Wirtschafts- und Währungsunion beider deutscher Staaten sowie Beitritt der DDR zur Europäischen Gemeinschaft.

2. Umfassende Abrüstungsschritte beider deutscher Staaten (zunächst 50 %ige Reduzierung ihrer Streitkräfte, Verzicht auf neue Rüstungsprojekte). Umwandlung der beiden Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt von militärisch-poIitischen in politisch-militärische Bündnisse.

Eine Ausdehnung der NATO auf das Territorium der DDR halten wir für nicht richtig. Das Forum zur Beratung aller internationalen Aspekte bei der Lösung der deutschen Frage sollte eine KSZE-Konferenz II in Helsinki Ende 1990 sein.

3. Nach der Wiederherstellung der föderalistischen Länderstruktur in der DDR sind wir für die Einrichtung einer gesamtdeutschen Länderkammer aus gewählten Vertretern aller deutschen Landtage bei einer Sperrminorität von 5 Landtagsvertretungen für Beschüsse dieses Gremiums.

4. Diese Länderkammer sollte die Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten mit gemeinsamen politischen Organen bewirken, verbunden mit einem Volksentscheid über die zeitlichen und inhaltlichen Vorstellungen zur Herstellung eines gesamtdeutschen Staates.

5. Bei positivem Ergebnis des Plebiszits sind wir für die Durchführung von Wahlen in beiden deutschen Staaten zu einer deutschen verfassunggebenden Versammlung, die Erarbeitung einer deutschen Verfassung und deren Inkraftsetzung durch Volksentscheid.

6. Wir sind anschließend für Wahlen zu einem gesamtdeutschen Parlament, die Wahl eines deutschen Präsidenten, die Bildung der deutschen Regierung und die Ausrufung der deutschen Republik.

7. Diese deutsche Regierung muss Verhandlungen zum Abschluss eines Friedensvertrages mit den Siegermächten des zweiten Weltkrieges durchführen einschließlich von Verhandlungen über den Abzug aller fremden Truppen von deutschem Boden.

8. Wir erwarten von dieser deutschen Regierung weitere Initiativen zur weitestgehenden Verminderung der deutschen Streitkräfte um Rahmen der Auflösung der beiden Militärblöcke und der Schaffung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems.

Die mit diesem Plan angestrebte deutsche Einheit ist in Anbetracht des untrennbaren Zusammenhanges von Außen- und Innenpolitik nur möglich durch eine in der DDR zu schaffende soziale Marktwirtschaft (bei Erhaltung von sozialen Sicherheiten) einerseits, wie durch den Ausbau und die Vervollkommnung der sozialen Komponente der Marktwirtschaft in der Bundesrepublik andererseits. Die Erreichung der jeweils nächsten Stufe des außenpolitischen Zusammenwachsens beider deutscher Staaten setzt also auch derer innen-, besonders wirtschafts- und sozialpolitisch dynamische Annäherung voraus. Außenpolitisch erfordert der deutsch deutsche Einigungsprozess seine Einbindung und Synchronisierung in den Bau des europäischen Hauses, die weltweite Abrüstung und die Erhaltung des Friedens in der Welt.

Berliner Allgemeine, Di. 06.02.1990

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