KOMMENTAR

Enteignung der SED oder der PDS?

Man kann sich darüber nicht täuschen: Der Treuhandbeschluss der Volkskammermehrheit vom fetzten Donnerstag ist ein Enteignungsbeschluss über die PDS. Die Forderung aus dem Herbst, auf die er anspielt, lautete: Enteignung der Vermögen der SED und ihrer Blockparteien, soweit sie nicht aus Mitgliederbeiträgen abgeleitet werden können. Der Aufbruch des Herbstes wollte Enteignung der Staatsparteien zugunsten unmittelbarer Demokratie und realer Chancengleichheit. Die Diktatur sollte enteignet werden, die ihre unendliche Staatsübermacht hinter einem Medienmonopol an linken Phrasen verbarg. Von der ursprünglichen Forderung ist in ihrer jetzigen "Verwirklichung" fast nichts mehr übrig geblieben.

Jetzt beruft eine der alten Blockparteien - früher und heute staatstragend - durch ihren Ministerpräsidenten de Maizière eine Kommission, die so "unabhängig" sein soll, in die Vermögenslage von CDU und PDS mit gleicher kühler Strenge einzugreifen. Wäre dies wirklich die Absicht, dann dürfte es nicht der Regierungschef und CDU-Parteivorsitzende sein, der die Kommission beruft. Sie müsste überhaupt aus Nichtparteien, aus Bürgerbewegungen also, gebildet werden. Allenfalls Neuparteien hätten dabei mitzusprechen, wenn wirklich der Anspruch aus dem Herbst durchgesetzt werden sollte.

Jetzt stellt die Regierungspartei eine Oppositionspartei unter Staatsaufsicht und sperrt ihr die Konten. Das ist nicht nur eine unmögliche Situation innerhalb parlamentarischer Demokratie, die in jedem Falle einen besonderen Status der Kommission erfordert hätte. Es ist auch die entgegengesetzte Wirkungsrichtung, wie sie im Herbst vorgesehen war: Der Staat sollte von seiner Altmächtigkeit enteignet werden, um Opposition endlich möglich zu machen. Jetzt wird schon wieder die eben erst erkämpfte Gewaltenteilung verletzt. Hinter der guten alten Losung "Enteignet die SED!" steckt doch inzwischen die Politik einer neuen Regierung zur Schwächung der Opposition.

Die PDS unterscheidet sich von der SED dadurch, dass sie einen großen Teil ihres Vermögens und unrechtmäßige Eigentumstitel selbst abgegeben hat, dass sie mit ihren 16 % in der Volkskammer legitimiert sitzt und dass sie in der Opposition ist. - So viele Neuerungen hat die CDU nicht aufzuweisen.

Natürlich muss man nachrechnen, ob von der Staatspartei SED noch etwas im PDS- Vermögen anzutreffen ist. Das könnte der Demokratie nur helfen. Aber die vorgesehene Rechenart stimmt nicht, sie genügt den Formen parlamentarischer Demokratie nicht. Sie ist nicht "unabhängig", das lehrt das politische Einmaleins Sie wendet sich gegen die Opposition und sie geht gegen links. Da sitzen die Bürgerbewegungen auch.

KLAUS WOLFRAM

Die Andere Zeitung Berlin, Nr. 20, Fr. 08.06.1990

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