"Gegen Verweigerung sind alle allergisch"

Bärbel Bohley ist Mitinitiatorin eines Aufrufs an Frauen zur Kriegsdienstverweigerung

INTERVIEW

taz: Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Bärbel Bohley: Für die Frauen in der ehemaligen DDR ist das eine lange Geschichte. Wir haben schon 1982 zum ersten Mal den Kriegsdienst verweigert. Da gab es in der DDR ein neues Wehrdienstgesetz und danach konnten Frauen zur Vorbereitung der Mobilmachung, also jederzeit, eingezogen werden. Es war dabei völlig offen, ob damit auch ein Waffendienst gemeint war.

Frauen in der Bundesrepublik sind explizit vom Waffendienst ausgeschlossen. Sie haben daher auch kein Kriegsdienstverweigerungsrecht. Welchen Sinn hat also eure Aktion?

Frauen müssen sich dem Golfkrieg auch stellen und dürfen das nicht allein den Männern überlassen. Wir müssen diskutieren, wie wir uns verhalten, wenn Verwundete kommen, ob wir sie dann pflegen. Ich begreife diese Aktion als Zeichensetzung: Mit uns könnt ihr im Kriegsfall nicht rechnen.

Wie rigoros ist Ihre Verweigerung? Wie argumentieren Sie gegenüber ÄrztInnen und Krankenschwestern, die sagen: Ich kann doch meine Hilfe nicht den Opfern - möglicherweise Frauen und Kinder, die in Israel oder anderswo Giftgas abbekommen haben - verweigern.

Das ist natürlich eine Situation, in der ich mich wahrscheinlich nicht verweigern würde, wenn ich im medizinischen Dienst tätig wäre. Man muß eben vorher was tun, damit es nicht soweit kommt.

Und die Verweigerungsaktion kann dazu beitragen?

Wir werden von allen Ereignissen immer überrascht und geben unsere Stimme erst hinterher ab. Dieses Mal sollten wir sie vorher abgeben. Bevor Frauen das Problem Kriegshilfsdienst gestellt wird, müssen sich die Regierenden damit auseinandersetzen, daß die Frauen verweigern.

Auf die Kriegsdienstverweigerung der Frauen, damals in der DDR, folgten erhebliche Repressalien wie Verhaftungen zum Beispiel. Befürchten Sie in der Bundesrepublik ähnliches?

Ich habe noch nicht so viel Erfahrungen mit dem Leben hier. Ich ahne, dass das hier alles etwas weicher läuft, ich ahne aber auch, das das sehr wohl registriert wird. Wie das in einem Ernstfall wäre, ist eine andere Sache. Da werden sich die Systeme nichts nehmen. Auf Verweigerung reagieren die alle allergisch.

Interview: Ulrike Helwerth

Kontakte und Infos:
Unabhängiger Frauenverband (UFV),
Friedrichstr.165, O Berlin 1080

Kampagne gegen Wehrdienst, Zwangsdienste und Militär, AG Frauen,
Badensche Str.29, W 1000 Berlin 31

die tageszeitung, Ausgabe 3 345, 01.03.1991

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