Gespräch mit Silke Bach, Mitinitiatorin des Frauenzentrums Prenzlauer Berg

die andere: Wie ist die Idee für dieses Frauenzentrum zustande gekommen?

Silke Bach: Im November haben sich ein paar Frauen zusammengefunden und darüber geredet, wie wir im Stadtbezirk für Frauen und mit Frauen arbeiten können. Also eine Art Treffpunkt und Kommunikationszentrum.

die andere: Welche Gruppe war das, kamt ihr vom Frauenverband?

Silke Bach: Nein, wir waren einfach eine Basisgruppe aus Prenzlauer Berg. Da ist die Idee für dieses Frauenzentrum entstanden.

die andere: War das die Gruppe, die sich jetzt EWA nennt?

Silke Bach: Ja, EWA heißt Erster Weiblicher Aufbruch. Wir haben auch als EWA Anträge an den Runden Tisch Prenzlauer Berg gestellt. Ich selbst saß als Vertreterin des Unabhängigen Frauenverbandes am Runden Tisch des Stadtbezirks. Dort haben wir versucht zu erklären, warum wir ein Frauenzentrum brauchen; was wir uns darunter vorstellen. Nach mehreren Beratungen wurde dort beschlossen, uns einen ehemaligen Betriebsjugendklub und eine sehr geräumige ehemalige Stasi-Zentrale - beides Prenzlauer Allee 6 - zuzuweisen.

die andere: Wer war am Aufbau dieses Zentrums beteiligt?

Silke Bach: Hauptsächlich unsere Gruppe, die EWA. Da sind viele Frauen, die das neben ihrer Arbeit bewältigen und ein paar arbeitslose Frauen, die sich natürlich mehr darum bemühen konnten, weil sie einen anderen Zeitfonds haben, zum Beispiel ich. Wir waren uns aber von Anfang an klar darüber, dass die Räumlichkeiten für uns allein zu groß sind und dass wir eine Vernetzung verschiedener Frauengruppen installieren wollen. Das ist ja auch eine Chance, ganz verschiedenartige Frauengruppen mit ihren Projekten hier arbeiten zu lassen.

die andere: Welche Frauengruppen sind das?

Silke Bach: Die LILA OFFENSIVE, eine Frauengruppe aus Prenzlauer Berg, die schon viel theoretisch gearbeitet hat zu Frauenthemen; die SOFIs, eine sozialistische Fraueninitiative; die LISA, linkssozialistische Frauengruppe; die ROTE ROSA-Gruppe von der Vereinigten Linken, das Berliner Autonome Frauenzentrum (BAF), das zum Teil unsere Räume mit nutzen soll.

die andere: Mit welchen Projekten will da welche Frauengruppe einsteigen?

Silke Bach: Die LILA OFFENSIVE will ein Bildungsprojekt machen, eine Art Frauenakademie, wo Vorträge zu solchen Themen wie "Ich fühle mich aber gar nicht unterdrückt"; "Das bisschen Hausarbeit"; "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen"; "Frauenrecht ist Menschenrecht"; "Ökonomie der Hausarbeit"; "Offene und anonyme Gewalt gegen Frauen und Kinder"; "Marxismus und Feminismus" laufen werden.

Einerseits sollen das theoretische Vorträge sein, andererseits auch Lesungen, Gespräche mit Schriftstellerinnen und Wissenschaftlerinnen; Filmvorführungen. Wir, die EWA-Gruppe, wollen ein Werkstattprojekt anbieten, d.h. kreatives Gestalten mit allen möglichen Werkstoffen. Wichtig ist uns dabei das Gestalten ohne Leistungsdruck; ein Projekt heißt direkt konkurrenzfreies Lernen für Mädchen. SOFI bietet Vorträge zu sozialen, politischen Themen an, die unseren Alltag betreffen, z.B. "Folgen des Staatsvertrages für Frauen"; LISA baut einen regelmäßigen Frauen-Stammtisch auf, wo beispielsweise über den Paragraphen 218 diskutiert wird; eine Anlaufstelle für Mädchen mit Partnerschafts- und Familienproblemen; eine Gymnastikgruppe für Frauen über 50; eine Bibliotheksgruppe schafft in den oberen Räumen eine Frauenbibliothek; andere wolle ein Kinderbetreuungsprojekt als Modell für andere Einrichtungen aufbauen, dafür sind Räume mit einer speziellen Innenarchitektur geplant; ein Therapiekeller soll Bewegungs- und Tanzkurse anbieten.

Hier unten soll donnerstags ein Frauen- und Kindercafé offen sein. Dieses Café versteht sich als Anlaufpunkt für Kommunikation und zum kennen lernen, wir sind damit nicht auf großartigen Gewinn aus. Wichtig ist dabei die Spielecke für Kinder, denn in den normalen Cafés sind Kinder einfach nicht vorgesehen.

Die ROTE ROSA will hier Kommunikations- und Treffpunkte für Ausländerlnnen aus umliegenden Betrieben schaffen; ebenso für ältere BürgerInnen.

die andere: Welche Konzeption hat Euer Zentrum?

Silke Bach: Wir wollen ein gesellschaftliches Bewusstsein schaffen für Probleme von Frauen, dafür, dass Frauen eigene Kommunikationsmöglichkeiten brauchen; eigene Selbsterfahrungsgruppen, um sich selbst in dieser und der kommenden Gesellschaft zu finden. Auch die anstehenden sozialen Probleme, die ja besonders auf Frauen zukommen wie Arbeitslosigkeit, wollen wir mit auffangen. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Nicht-Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft real existiert, z.B. dass Frauenberufe wesentlich schlechter bezahlt werden als andere. Da ist natürlich auch die Abteilung Gleichstellung im Magistrat unsere Anlaufstelle und unser Partner.

die andere: Versteht Ihr Euch auch als soziale Einrichtung, sprich Beratung und Kinderbetreuung?

Silke Bach: Was die Kinderbetreuung betrifft, so ist sie Bestandteil unserer Arbeit, denn den Müttern nutzt das beste Kommunikationszentrum nichts, wenn sie nicht wissen, wohin mit den Kindern. Da kämpfen wir noch um Planstellen. Hinsichtlich der Beratung mussten wir uns von unserem ursprünglichen Projekt der sozialen, psychologischen und juristischen Beratung für Frauen trennen. Das ist in die Breite Straße verlegt worden - also was Zentrales für die Stadt. Wir haben uns aber noch nicht von dem Gedanken verabschiedet, selbst hier ein eigenes Beratungszentrum für den Stadtbezirk aufzubauen; also Anlaufstelle im Prenzlauer Berg. Wir wollen, dass die Frauen der Umgebung zu uns kommen können mit ihren Problemen und, wenn wir sie hier nicht beraten können, weitervermitteln an GynäkologInnen, Psychologlnnen, Sozialstellen. Wir wollen auch eine Babysitter-Vermittlung einrichten, ein soziales Kontakttelefon, das auch Krisen-Öffnungszeiten hat für Frauen bis hin zur Vermittlung an Frauenhäuser.

die andere: Stichwort Abteilung Gleichstellung, Magistrat. Hilft sie Euch bei der Finanzierung? Oder finanziert Ihr Euch selbst?

Silke Bach: Bisher ist es so, dass wir kein Geld bekommen haben, von niemandem. Außer der Miete, die für diese Räume nicht gerade niedrig ist - sie wurde bis zum 30.6. ausgesetzt - haben wir keine finanzielle Unterstützung vom Magistrat bekommen. Wir haben aber damals Anträge an den Runden Tisch und an den Magistrat gestellt, weil wir der Meinung sind, dass wir für das zukünftig auszubauende sogenannte soziale Netz eine wichtige Arbeit leisten. Beim Magistrat wurden uns insgesamt sechs Planstellen genehmigt - zwei für die Bibliothek. Das Problem bei dieser Sache ist, dass das Frauenzentrum diese Planstellen nicht bezahlen kann, sondern dass das Frauenzentrum irgendwo angebunden sein muss und wir wohl eine Nachfolgeeinrichtung des Magistrats werden müssen. Damit hoffen wir, einen eigenen Haushalt zu bekommen, nicht nur Planstellen; sondern Mittel, um diese Projekte wirklich umsetzen und finanzieren zu können. Da wir nicht auf Gewinn aus sind und unsere Projekte für Frauen aus allen sozialen Schichten zugänglich machen wollen, sind wir auf den Magistrat angewiesen. Bisher ist es aber so, dass wir einfach kein Geld haben.

die andere: Eine letzte Frage: Haben Männer bei Euch Zutritt?

Silke Bach: Das Frauen- und Kindercafé ist für Männer in Begleitung von Frauen und/oder Kindern offen. Was die Vorträge und sonstigen Veranstaltungen betrifft, entscheiden die Frauengruppen selbst, ob sie das möchten oder nicht.

die andere: Danke für dieses Gespräch.

aus: Die Andere Zeitung, Nr. 24, 04.07.1990, Unabhängige Wochenzeitung, Herausgeber: Klaus Wolfram

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