Betriebe vielleicht unrentabel

Der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruch, Wolfgang Schnur, zur deutschen Einheit

DIE ANDERE: Herr Schnur, die Vereinigung beider deutscher Staaten ist erklärtes Ziel Ihrer Partei. Welcher Zeitrahmen schwebt Ihnen vor?

Schnur: So schnell wie möglich das will ich ganz deutsch sagen. Eine andere Losung der Situation gibt es nicht, und ich denke, unsere Menschen wollen es auch so Der Zeitraum, in dem alles, was dazu nötig ist, abgewickelt sein muss, liegt meines Erachtens im Jahr 1991.

DIE ANDERE: Also von jetzt an in nicht einmal zwei Jahren?

Schnur: ja.

DIE ANDERE: Wesentlich für die Stabilisierung in der DDR ist der Ablauf der Vereinigungsschritte. In diesem Zusammenhang spielt die Diskussion um die Wirtschafts- und Währungsunion die entscheidende Rolle. Wann soll sie kommen?

Schnur: Sie soll möglichst so fortkommen. Aber es geht nicht nur um die Wirtschafts- und Währungsunion sondern auch um die kulturelle Union und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ökologie. Außerdem wird auch noch eine Sozialcharta gebraucht. Unser Ziel ist der mögliche Kapitalfluss aus der Bundesrepublik und an deren Ländern in die DDR.

DIE ANDERE: Das Thema Ökologie ist von der Grünen Partei und die Sozialcharta vom Unabhängigen Frauenverband in die Diskussion gebracht worden. Was aber passiert mit den Löhnen, mit den Preisen, mit der unvermeidlichen Massenarbeitslosigkeit?

Schnur: Ich kann mir vorstellen, dass die Löhne entsprechend denen in der Bundesrepublik an gehoben werden.

DIE ANDERE: Werden dann die Betriebe nicht noch unrentabler?

Schnur: Vielleicht, aber solche Löhne können ja auch eine Motivation bedeuten für diejenigen, die sie erhalten.

DIE ANDERE: Es bleiben die Preiserhöhungen und die Gefahr der Arbeitslosigkeit für viele. Wie kann man die Menschen in der DDR halten, solange die ökonomischen Probleme nicht gelöst sind und da mit die Lebensverhältnisse in der DDR deutlich schlechter bleiben als in der Bundesrepublik?

Schnur: Das wird ein Problem sein, aber nur mit der Vereinigung ist es überhaupt zu lösen. Es ist sicher notwendig, eine ganze Strukturpolitik zu entwickeln, angefangen mit der Verwaltungsreform.

DIE ANDERE: Und die Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik, ist deren Einführung dann nicht ebenfalls nötig, als Ergänzung zur Wirtschaftsunion?

Schnur: Doch, ja. Das ganze Paket von Maßnahmen muss schrittweise eingeführt werden, und das Ziel ist, dass die Menschen in der DDR bleiben. De staatliche Einheit wird der Schlusspunkt sein.

Die Andere Zeitung, Nr. 6, 01.03.1990

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