Einfach über den Runden Tisch gezogen?
Die erste Runde des Runden Tisches hat Mängel an demokratischer Kultur offengelegt. Zweifellos waren alle guten Willens. Aber das allein reicht eben nicht aus, um die Krise zu bewältigen. Das deutliche Zeichen für unser Land, auf das die Menschen gewartet haben, ist vom Runden Tisch noch nicht ausgegangen.
Das, was vorrangig ist, wurde halbherzig und an letzter Stelle gefordert: Die Schaffung rechtlicher Grundlagen für die Arbeit der Bürgerkomitees. Der rechtsfreie Raum, in dem das gegenwärtig geschieht, ist unerträglich brisant. Rechtsfreie Räume begünstigen den Tod der Demokratie. Hier hätte es praktische Vorschläge, einen Gesetzentwurf geben müssen. So bleibt auch das Verlangen, das Amt für Nationale Sicherheit aufzulösen, nichts anderes als ein frommer Wunsch, auch wenn er einstimmig ausgesprochen wurde.
Ungenügend waren auch die Vorbereitungen, unerfreulich das Verfahren. Da wurden weitere Teilnehmer kooptiert, die einen, weil sie lautstark demonstriert hatten, die anderen, weil sie rechtzeitig im Saal waren. Andere, die zufällig zugegen waren, wurden zu Beobachtern erklärt. Rundfunk und Fernsehen hingegen sahen sich auf Wunsch der kirchlichen Gastgeber von den Sachgesprächen ausgeschlossen. Demokratische Offenheit? Nach Protest durfte wenigstens fürs Archiv gefilmt werden. Auch Sachverständige waren nicht zugelassen, die aber hätten gerade die Oppositionellen dringend gebraucht, denn sie, wie alle Beteiligten, sind doch noch Dilettanten auf demokratischer politischer Bühne.
Vertreter der Opposition haben auch nicht darauf bestanden, sofort und vor jedem weiteren Disput endlich gleichberechtigte Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Das soll nun zwar an die Regierung herangetragen werden, aber Garantien hat man dafür nicht ausgehandelt.
Berliner Zeitung, Sa. 09.12.1989