LEITSÄTZE

liberal-demokratischer Politik heute

Position der LDPD im Prozess der demokratischen Erneuerung des Sozialismus in der DDR

Blicken wir der Wahrheit ins Auge: Unser Vaterland, die Deutsche Demokratische Republik, ist in Gefahr. Nicht äußere Feinde, so sehr sie uns auch schaden wollen, haben die Republik in existentielle Not gebracht; innere Widersprüche, lange angestaut und verdrängt, brechen auf und bewirken soziale und politische Konflikte. Die DDR befindet sich in einer tiefen Krise. Unsere Wirtschaft ist in einem desolaten Zustand. Was wir als Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bezeichneten, erweist sich als höchst unzulänglich. Kultur, Bildung und Wissenschaften konnten sich seit langem nicht mehr entfalten. Die Jugend sieht für sich und das Land keine Perspektive. Heuchelei, Anpassung und politischer Opportunismus Haben großen moralischen Schaden angerichtet. Die Bürger haben kein Vertrauen mehr in die politische Führung.

"Das Volk sind wir" - mit diesem Sturmruf wendet sich die Bevölkerung unseres Landes gegen unerträgliche Machtarroganz und politische Ignoranz. Das Volk beginnt, seine Souveränität zu verwirklichen. Die Angehörigen aller Klassen und Schichten befinden sich im Aufbruch. Das hat es so in der deutschen Geschichte noch nicht gegeben. Damit erhält der Sozialismus auf deutschem Boden eine neue Chance: Die Bürger machen ihn zu ihrer Sache!

Die LDPD hat zu einer Zeit, da ihr Repressalien drohten, öffentlich erklärt, unser Land brauche eine neue Politik, es brauche den Umbruch von der Zustimmungs- zur Mitbestimmungsdemokratie, von Schönfärberei und Lüge zur politischen Wahrheit, von bündnispolitischen Proklamationen zur gleichberechtigten Zusammenarbeit der Parteien. Das spricht uns jedoch nicht frei.

Auch die LDPD trägt Mitverantwortung für die Lage, in der sich die DDR befindet. Sie hätte viel früher und nachdrücklicher die Politik der SED öffentlich kritisieren und zurückweisen müssen. Aber wir glauben, dass die rigorose Selbstüberprüfung der politisch-moralischen Positionen, die auch wir eingenommen haben, und die daraus folgende ebenso kritische Besinnung auf die Verantwortung einer Partei gegenüber dem Volk, uns, der LDPD, die Legitimation dafür gibt, nicht nur erneut die Stimme zu erheben, sondern noch kritischer, noch fordernder, noch drängender in die gesellschaftlichen Prozesse, in die politische Willensbildung, in die Entscheidungsabläufe und Gestaltungsvorgänge einzugreifen. Das ist der Auftrag der Mitglieder der Partei, der Bevölkerungskreise, die ihr besonders nahestehen, und darüber hinaus aller Bürger, die sich der LDPD verbunden fühlen.

Für die LDPD erhält die Verpflichtung, politischer Interessenvertreter zu sein, eine neue Sinngebung. Die Politik der LDPD ergibt sich aus ihrem erklärten Willen, Sozialismus auf deutschem Boden zu gestalten und ihm eine gesamteuropäische Perspektive zu eröffnen sowie aus ihrem Verständnis von der Deutschen Demokratischen Republik als einem Staat des ganzen Volkes.

Was wir schon für Sozialismus hielten, ist der Rohbau, sind die Grundmauern einer neuen Gesellschaftsordnung, die es möglich machen kann, die Verheißung der Französischen Revolution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" auch zu realisieren. Die Gestaltung des Sozialismus ist ein historischer Prozess. Wir stehen erst an seinem Anfang!

Daraus folgt für uns eine Politik, die sich so beschreiben lässt: Existenz und Gedeihen der DDR als sozialistischer deutscher Staat sind von fundamentaler Bedeutung für die Kräftekonstellation in Europa und damit für Frieden und Sicherheit, die auf dieses Kräftekonstellation beruhen. Was in der DDR geschieht, hat immer eine europäische Dimension. Das "europäische Haus", das wir anstreben, lässt sich nur errichten, wenn von der Lage auf deutschem Boden, so wie sie ist, ausgegangen wird. Europa hat mit Gegenwart und Zukunft zu tun, nichts mit der Rückkehr in die Vergangenheit. Das bestimmt auch unsere Position zur nationalen Frage.

Heute besteht der deutsche Auftrag darin, die Entwicklung gutnachbarlicher, kooperativer Beziehungen zwischen der DDR und der BRD als permanenten Prozess zu verstehen und eine Politik zu gestalten, die den Menschen dient.

Wir halten die kritische Aufarbeitung der Geschichte unseres Landes unter dem Aspekt, wie es wiederholt zu Machtmissbrauch, Stagnation und Personenkult kommen konnte, für dringend geboten. Es darf nicht zugelassen Werden, dass sich die dafür verantwortlichen Politiker aus der Verantwortung stehlen, ohne zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Von dieser Position aus wollen wir bewahren, was an Errungenschaften gemeinsam erkämpft und erarbeite wurde.

Diese Position bedeutet, dass sich die LDPD

1. für einen Sozialismus engagiert, der die politischen Rechte und Freiheiten jedes Bürgers genauso garantiert wie er seine sozialen Rechte und Freiheiten verwirklicht;

2. für einen Sozialismus einsetzt, der auf Leistung und Kompetenz beruht;

3. für einen Sozialismus eintritt, der Pluralismus und Demokratie verkörpert, ohne sie nicht sein kann, und der nicht gebunden ist an festgeschriebene "eherne" Machtstrukturen.

Der Aufbau des Sozialismus liegt im Interesse des ganzen Volkes und ist Sache des ganzen Volkes. Die Arbeiterklasse trägt dabei eine besondere geschichtliche Verantwortung. Politische Führung durch Parteien kann nicht vererbt und nicht in der Verfassung verordnet werden. Politische Führung hat zu tun mit der Fähigkeit, Vertrauen zu erwerben und Mehrheiten zu bilden, einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen. Kräfte des Volkes zu mobilisieren und zu integrieren und sich demokratischem Urteil zu unterwerfen.

Parteien und Staat müssen getrennt ihren von der Verfassung bestimmten Platz ausfüllen. Wirtschaft, Volksbildung, Kultur und Wissenschaft unterstehen allein den zu ständigen Volksvertretungen und den von diesen beauftragten Staatsorganen. Die Nationale Volksarmee dient der Republik, nicht nur einer Klasse. Milizeinheiten, die einer Partei unterstehen, sind aufzulösen.

Die LDPD wird in jedem gesellschaftlichen Bereich und auf allen Gebieten der Staatspolitik initiativ sein. Sie bezieht aus ihrer unteilbaren Verantwortung für die DDR heraus immer und überall Position. Unvermeidlich wird sein, dass sie sich in Widerspruch - Opposition - zu allen gesellschaftlichen und politischen Kräften und zu allen Absichten und Entscheidungen begibt, die der demokratischen Erneuerung des Sozialismus entgegenstehen, die sie behindern, die sie bremsen und zu hintertreiben suchen.

Unser Verständnis von Verfassungstreue schließt auch das Recht und die Pflicht ein, über Verfassungsbestimmungen nachzudenken und sie zur Disposition zu stellen.

Das Volk der DDR, dessen Willen sich in Demonstrationen und Bürgerbewegungen, auf der Straße und in Versammlungen und nicht zuletzt auch in den Wortmeldungen der LDPD so artikulierte, dass er nicht länger ignoriert werden konnte, hat die Tür zur Wende und grundlegenden Erneuerung der DDR aufgestoßen. War der Sozialismus in den Farben der DDR bisher hauptsächlich Erwartung, so ist jetzt die historische Chance da, ihm tatsächlich einen nationalen Charakter zu geben.


Für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
I.


Die Macht gehört dem Volk. Davon ausgehend erklärt die LDPD:

Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik ist das höchste Machtorgan. Sie trifft Entscheidungen, die für Bürger, Parteien und Staatsorgane gleichermaßen bindend sind. Alle entgegenstehenden Festlegungen und Regeln, auch und gerade die ungeschriebenen, sind wirkungslos; wer sie weiter durchzusetzen sucht, wird zur Verantwortung gezogen. Das gilt analog für alle Volksvertretungen; die in den örtlichen Volksvertretungen zu bildenden Fraktionen der LDPD werden eine wichtige Aufgabe darin sehen, die Autorität der Vertretungskörperschaften in diesem Sinne sichern zu helfen.

Stellung und Aufgaben der Regierung der DDR sind neu zu bestimmen. Maßstab ist die Verfassung. Sie legt fest, dass die Regierung allein der Volkskammer verantwortlich ist und durch sie kontrolliert wird.

Inhalt und Umfang der Regierungsverantwortung sind kritisch zu überprüfen und neu festzulegen.

Die Neubildung der Regierung und die Neubestimmung der Regierungspolitik durch die Volkskammer sind mit der Einleitung einer tiefgreifenden Verwaltungsreform zu verbinden. Die LDPD wird hierzu ihre Vorschläge und Vorstellungen einbringen. Stichworte sind: Vereinfachung der Strukturen, Durchschaubarkeit und Bürgernähe; rigorose Einschränkung des Verwaltungsaufwandes (Entbürokratisierung); Freistellung von Arbeitskräften (und deren vorrangiger Einsatz im Bereich des Dienstleistungssektors im weitesten Sinne); Durchsetzung des Leistungs- und Kompetenzprinzips beim Einsatz der Mitarbeiter.

Der Gedanke, ein Verfassungsgericht zu schaffen und Verwaltungsgerichte aufzubauen, entspricht Vorschlägen der LDPD. Sie gehen dahin, Machthandhabung zu kontrollieren, ihre Gesetzlichkeit und Rechtmäßigkeit zu prüfen und Machtmissbrauch zu verhindern.

Was die DDR braucht, sind demokratische Mechanismen (und die Gewährleistung ihres Funktionierens), die die Erhebung von Staatsorganen, Parteien oder Personen über die Souveränität des Volkes und der vom Volke gewählten Vertretungen künftig ausschließen. Gerade unter diesem Aspekt spricht sich die LDPD dafür aus, zu gegebener Zeit eine neue Verfassung auszuarbeiten. Die Wiederherstellung der Länder der DDR ist zu bedenken. Es sollte überlegt werden, im Zuge notwendiger Verfassungsänderungen wieder das Amt des Präsidenten der DDR zu schaffen.

Der demokratischen Kontrolle durch die Volksvertretungen und die Öffentlichkeit unseres Landes sind die Schutz- und Sicherheitsorgane zu unterwerfen. Das ist durch Gesetz zwingend vorzuschreiben.

Die LDPD betrachtet die Durchsetzung des Kompetenzprinzips als eine der entscheidenden Bedingungen für Innovationen auf allen Gebieten, insbesondere auch in den Leitungs- und Führungsetagen der Staatsorgane und der Wirtschaft sowie in den Bereichen der Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Das bedeutet: Überprüfung,und Neubestimmung der Kaderpolitik, die ebenfalls demokratischer Offenheit und Öffentlichkeit zu unterwerfen ist.


II.


Die LDPD ist für öffentliche Diskussion und rasche Verabschiedung von Gesetzen grundlegenden Charakters. Die LDPD schlägt vor:

1. ein Wahlgesetz, das die geheime Wahl garantiert, Manipulationen ausschließt und die Entscheidung zwischen Parteien, die für unterschiedliche Programme einstehen, zwingend macht. Die Wahrnehmung von Mandaten und Wahlfunktionen der Volksvertretungen sind zeitlich zu begrenzen. Es sind Regelungen zu treffen, die Ämterhäufung ausschließen. Die neue Wahlgesetzgebung korrespondiert mit der Legalisierung von Bürgerbewegungen und Initiativen zur Neubildung von Parteien;

2. ein Parteien- sowie ein Vereinigungsgesetz, das Zulassung und öffentliches Auftreten von Organisationen und Bürgerbewegungen auf der Grundlage der Verfassung regelt. Dabei ist von dem Prinzip auszugehen, dass politische Strukturen nicht festgeschrieben werden können;

3. ein Demonstrationsgesetz, das jedem das Bürgerrecht garantiert, sich gemeinsam mit anderen zu versammeln, auch auf öffentlichen Plätzen, um Interessen zu artikulieren und ins öffentliche Bewusstsein zu bringen;

4. ein Gesetz über die Meinungs- und Pressefreiheit, das Bürgern, Parteien, Organisationen und überhaupt allen gesellschaftlichen Kräften ungehinderten und gleichberechtigten Zugang zu den Medien garantiert;

5. ein Gesetz, das die kommunale Selbstverwaltung regelt und die Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen, ausgehend von der Verfassung, neu fixiert;

6. ein Richtergesetz sowie ein neues Gerichtsverfassungsgesetz; die Unabhängigkeit der Gerichte ist unter allen Umständen zu gewährleisten;

7. ein Gesetz über die Wirtschaftsreform.

Die LDPD hält es für dringend, das Strafgesetzbuch zu überprüfen und politische Strafrechtsbestimmungen zu eliminieren. Neofaschismus und Rassismus, Völkerverhetzung und Kriegsverherrlichung sind - auf der Grundlage genauer Definitionen - weiter auch strafrechtlich zu ahnden.

Die LDPD erachtet es für notwendig, höhere Befugnisse der Leiter im Arbeitsprozess sowie das Streikrecht als letztes Mittel von Werktätigen zur Durchsetzung berechtigtet Anliegen in das Arbeitsgesetzbuch aufzunehmen.


III.


Die LDPD ist für eine Schule, die sich auf das Prinzip der Weltlichkeit, Staatlichkeit und Einheitlichkeit gründet. Weltlichkeit schließt nach unserem Verständnis die Erziehung zu einer bestimmten Weltanschauung aus. Staatlichkeit bedeutet insbesondere bestimmenden und kontrollierenden Einfluss der Volksvertretungen auf Schule und Schulpolitik. Einheitlichkeit meint gleiche Bildungschancen für alle Kinder des Volkes, unabhängig von der sozialen Herkunft und vom weltanschaulichen Bekenntnis und auch unabhängig von den politischen Auffassungen der Eltern und der Schüler selbst. Nur die Leistung des Schülers zählt. Das gilt für den Übergang zur Erweiterten Ober schule und genauso für die Studienbewerbung.

Es sind Individuen zu bilden und Bürger zu erziehen, die sich bewusst und freiwillig für die DDR entscheiden und die Art und Weise ihrer Mitarbeit selbst bestimmen.

Für dringlich erachtet die LDPD:

1. die Neubestimmung des Inhalts der staatsbürgerlichen Unterweisung in den allgemeinbildenden Schulen;

2. die Neubestimmung des Inhalts des Geschichtsunterrichts. insbesondere, was die jüngere Geschichte des deutschen Volkes und die Geschichte der DDR angeht;

3. die Neubestimmung des Verhältnisses von Jugend beziehungsweise Kinderorganisationen zur Schule;

4. die Neubestimmung der Rechte der Elternbeiräte und die alsbaldige Neuwahl von Elternvertretungen.

Die LDPD tritt engagiert für die Belange der Jugend ein. Wenn heute von Wahrheit und politischer Moral die Rede ist, dann ist auch die ganze Wahrheit über die Grundbefindlichkeit junger Leute hierzulande gemeint. Die LDPD jedenfalls versteht das so.

Jugend stellt Fragen. Wir haben zu oft und zu lange agitiert, aber keine Antwort gefunden oder Antworten gegeben, die als nicht ehrlich, weil nicht die ganze Wahrheit umfassend, empfunden und daher zurückgewiesen wurden.

Jugend will die Welt nach ihren Vorstellung verändern. Wir erklärten aber, sie sei geborgen; und das empfanden viele als demütigende Verpflichtung, bloß vollenden zu sollen, was die Gründerväter der DDR vorgedacht und vorgeplant hatten.

Die LDPD unterstützt die Bildung eines Jugendverbandes liberaldemokratischer Orientierung.

Die LDPD hält es für richtig, die Jugend zu fördern, aber für ebenso geboten, die Leistung der Jugend nüchtern zu beurteilen und jeder euphorischen Überbetonung im Interesse des Konsensus aller Generationen entgegenzuwirken.

Für eine neue Stellung von Wissenschaft und Kultur

Die LDPD hält es für geboten, den gesellschaftlichen Status der Intelligenz entschieden anzuheben. Es genügt nicht. die Verantwortung der Intelligenz in Wissenschaft und Technik in Bildung, Kultur und Kunst, im Gesundheits- und Sozialwesen, der Leiter in diesen und anderen Bereichen gegenüber der Gesellschaft zu betonen. Notwendig ist auch, die Verantwortung der Gesellschaft für die Intelligenz neu zu bestimmen. Dem stehen Tendenzen der Nivellierung und der Gleichmacherei entgegen. Wir fordern und setzen uns dafür ein, dass das spezifische soziale Profil der Intelligenz mit ihren reichen Traditionen voll zur Entfaltung gebracht wird und dafür die erforderlichen Bedingungen materieller und geistiger Art geschaffen werden.

1. Der Wissenschaft ist für die gedeihliche Entwicklung unseres Landes und seiner Bürger höchste Priorität einzuräumen. Die Gesellschaftswissenschaften dürfen nicht länger "Magd der Politik" sein. Beschlüsse von Parteien und des Staates sind keine Grenze des Denkens. Von den Wissenschaften erwartet die LDPD geistigen Vorlauf.

2. Freiheit der Wissenschaft bedeutet auch Freiheit von bürokratischer Behinderung von Bevormundung, Forschung ohne Tabus, Vorrang von Kompetenz, offener und öffentlicher Meinungsstreit, ungehinderte Teilhabe am internationalen wissenschaftlichen Leben.

3. Die Selbstbestimmung der Wissenschaften gründet sich auf ein humanistisches Menschenbild und weiß um die Dialektik von Risiko und Verantwortung.

4. Kultur und Kunst sind im Verständnis der Gesellschaft auf ihre zivilisatorische, die menschliche Persönlichkeit maßgeblich prägende Rolle neu zu bestimmen. Schöpfertum, Phantasie sowie Wert und Größe kulturell-künstlerischer Leistungen können nicht dekretiert werden.

5. In diesem Sinne ist eine grundlegend erneuerte Kulturpolitik in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig. Mit den agitatorischen Verkürzungen und Vereinfachungen bei der Funktionsbestimmung von Kultur und Kunst, mit den Eingriffen in kulturell-künstlerische Prozesse der Vergangenheit ist Schluss zu machen.

6. Die Unersetzlichkeit der Künste ist nicht länger nur zu proklamieren. Den Besonderheiten ihrer Arbeit entsprechend ist den Künstlern der Freiraum zu geben, ohne den die Künste nicht gedeihen können. Zensur und Gängelei schaden ihnen wie der Gesellschaft. Die LDPD baut gerade auf die Künstler, um die geistige Erneuerung in unserem Lande voranzubringen. Deshalb brauchen wir ihre Leistungen zuerst hier.

Die LDPD fordert die Einleitung von Sofortmaßnahmen sowie die Ausarbeitung eines Programms zur Gesundung des Gesundheitswesens, die freie Niederlassung von Ärzten ist großzügig zu gewähren. Die LDPD tritt für die Bildung unabhängiger Ärztevereinigungen ein.


Für eine neue Wirtschaftspolitik
I.


Die demokratische Erneuerung des Sozialismus in der DDR muss einhergehen mit einer Wirtschaftsreform, die die Innovationskräfte unseres Volkes freisetzt, maßvolles Wachstum auf der Grundlage von Wissenschaft und Technik ermöglicht und soziale Besitzstände im Kern erhält. Ausgangspunkt, Grundlagen, Zielstellungen und Mittel der Wirtschaftsreform sind durch die Volkskammer zu beschließen und durch gemeinsame Anstrengungen zu verwirklichen. Die LDPD ist für eine entbürokratisierte Planung, die höchste Flexibilität gewährleistet, an sozialen Bedürfnissen und am Markt orientiert ist.

Vordringlich in Angriff zu nehmen sind folgende Aufgaben- und Problemfelder:

1. Volkswirtschaftlicher "Kassensturz"; die Lage, in der sich unser Land befindet, muss rückhaltlos offengelegt werden, um

a) die dringlichsten Aufgaben für das Jahr 1990 festzulegen;
b) damit in kommunalpolitischem Bereich realistisch geplant werden kann und
c) weil nur die Wahrheit die Werktätigen zu neuerlichen Anstrengungen motivieren kann.

2. Ausarbeitung einer langfristigen Wirtschaftsstrategie, die auf der nüchternen Einschätzung unserer Möglichkeiten und des ökonomischen, wissenschaftlich-technischen und intellektuellen Potentials beruht. Vorstellungen der LDPD lassen sich so zusammenfassen:

• Weiterführung der wissenschaftlich-technischen Revolution auf einem Niveau, das alle Vorzüge der internationalen Zusammenarbeit nutzt und auf eine hohe Lebens- und Umweltqualität gerichtet ist.

• Ausgestaltung des Sozialismus in der DDR als Leistungsgesellschaft. Das schließt neues Herangehen an die Durchsetzung des Leistungsprinzips, Neubestimmung der Subventionspolitik und damit der Preispolitik ein.

• Konzentration der zentralen Leitung und Planung auf Grundfragen der Wirtschaftspolitik. Uneingeschränkte Eigenverantwortung der Betriebe, Kombinate und Territorien im Rahmen notwendiger Planung. Drastischer Abbau der Verwaltungen.

• Sinnvolle Einordnung der Volkswirtschaft der DDR in die internationale sozialistische und weltwirtschaftliche Arbeitsteilung.

• Gesundung der Staatsfinanzen und der Währung und Ausbau ihrer Mechanismen; Schutz der Währung.

• Herausbildung eines gesunden Verhältnisses zwischen Großbetrieben in Gestalt der Kombinate und kleinen und mittleren Betriebe, vor allem in der Industrie und im Bauwesen. Das schließt die Entflechtung bestimmter Kombinate und die Überwindung von Produktionsmonopolen ein.

• Volle Entfaltung privater Initiative und anderer - neben dem Volkseigentum möglicher - Eigentumsformen, z. B. produzierende Genossenschaften, Privatbetriebe einschließlich Herausbildung von Mischformen, wie Aktiengesellschaften und GmbH.

• Neubestimmung der volkswirtschaftlichen Strukturen und der Investitionspolitik mit dem Ziel der Konsolidierung der materiell-technischen Basis, der Überwindung der Disproportionen und der Herausbildung von Erzeugnislinien, die den Bedingungen der DDR entsprechen.

• Ausbau der Infrastruktur, vor allem Sicherung dir notwendigen Transportaufgaben.

• Festlegung neuer Prioritäten im Bauwesen. Vorrang haben innerstädtisches Bauen, insbesondere Werterhaltungs- und Reparaturarbeiten. Die Bauwirtschaft ist entsprechend zu strukturieren und zu organisieren. Den Genossenschaften und dem privaten Baugewerbe sind neue Räume der Mitarbeit zu öffnen.

• Durchgreifende Reform des Großhandels, einschließlich des Aus- und Aufbaus des privaten Großhandels sowie Neugestaltung der Beziehungsmechanismen zwischen Produktion und Handel.

• Weitere Ausgestaltung der Agrarpolitik und umfassende Förderung einer engen Verbindung leistungsstarker landwirtschaftlicher Produktion mit der Entwicklung der Dörfer. Das bedingt Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit für LPG. Sofortmaßnahmen sind einzuleiten, um die Modernisierung der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft zu beschleunigen und die Ersatzteilversorgung zu verbessern.

• Ausarbeitung eines neuen Handwerks- und Gewerberechts, sowie Reformen der Preis-, Steuer-, Kredit-und Tarifpolitik in Handwerk und Gewerbe. Sicherung gleichberechtigter ökonomischer Beziehungen der Handwerker und Gewerbetreibenden in der Volkswirtschaft.

• Volle genossenschaftliche Selbstverwaltung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks; prinzipielle Erweiterung der Gewerbepolitik und Entwicklung der Handwerkskammer und Handels- und Gewerbekammer zu selbständigere Berufsorganisationen sowie weiterer spezifischer Formen wirksamer Interessenvertretung.

• Erarbeitung gesetzlicher und anderer Voraussetzungen für ausländische Kapitalinvestitionen, einschließlich der Herausbildung von joint ventures in der DDR.


II.


Die LDPD hält es bei der Ausarbeitung der Wirtschafts- und Sozialpolitik für unerlässlich, von einem neuen ökonomisch-ökologischen Denkansatz auszugehen. Umweltpolitische Erfordernisse nur zu berücksichtigen, reicht nicht länger aus. Dringlich sind

1. Umweltschutz als Bestandteil der Vorbereitung und Verwirklichung von Investitionsvorhaben gesetzlich vorzuschreiben. Um das ökologische Umfeld und die ökologischen Auswirkungen von Projekten transparent und damit bewertbar zu machen, bedarf es vom Projektanten unabhängiger Gutachter.

2. Bildung einer zentralen staatlichen Umweltinspektion, ausgestattet mit Rechten, die durch andere Staatsorgane nicht aufgehoben oder beeinträchtigt werden können.

3. Ökologische Aufgaben- und Problemstellungen haben im naturwissenschaftlichen Unterricht der Schulen und darüber hinaus in der Erziehung und Bildung dir jungen Generation ihren Platz zu erhalten.

Wie bisher schon, wird die LDPD ihre Möglichkeiten einsetzen und ihren Einfluss nutzen, um das öffentliche Bewusstsein für Umweltschutz zu schärfen.

Eine Grundsatzkommission, eingesetzt vom Politischen Ausschuss des Zentralvorstandes, ist dabei, unsere gesellschaftlichen und politischen Standpunkte und Zielvorstellungen zusammenzufassen und ein "Programm der LDPD" zu entwerfen. Ausgangspunkte sind Vorschläge, Forderungen und Ideen der Mitglieder, die hiermit aufgerufen sind, in die Programmarbeit aktiv einzugreifen; in der Grundsatzkommission entwickelte Entwürfe werden veröffentlicht und sind als Grundlage für die demokratische Mitarbeit aller gedacht.

Die LDPD handelt als Partei des Friedens, der Demokratie und des Fortschritts für den Bürger. Sie verfolgt eine Politik, die, gestützt auf den Willen der Mitglieder und getragen von der Sympathie vieler weiterer Bürger unseres Landes, darauf gerichtet ist, die demokratische Erneuerung der DDR voranzutreiben und unumkehrbar zu machen. In diesem Sinne wird sich die LDPD eine neue Satzung geben.

Der Politische Ausschuss des Zentralvorstandes der LDPD beschloss am 14. November 1989 das Dokument und unterbreitet es allen Parteimitgliedern sowie der Öffentlichkeit zur Diskussion.

Die endgültige Fassung der Leitsätze wird der Zentralvorstand der LDPD am 24. November 1989 beschließen.

Der Morgen, Zentralorgan der LDPD, Nr. 270, Do. 16.11.1989

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