FVP

Fortschrittliche Volkspartei

- Gründungsthesen -

Am 14. 12. 89 wurde in Falkensee die Fortschrittliche Volkspartei (FVP) gegründet, deren Hauptziel ein Wahlbündnis aller Kräfte der DDR ist, die weitere Experimente mit Modellen sozialistischer Planwirtschaft ablehnen. Sie ruft hiermit zur republikweiten Diskussion der folgenden acht Gründungsthesen der FVP auf:

1. Die wichtigste historische Aufgabe besteht gegenwärtig in der Bewahrung und Weiterentwicklung der Ergebnisse der antistalinistischen Revolution in der DDR durch Besonnenheit und durch Einigung aller Kräfte die sich für eine Realpolitik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung einsetzen.

2. Nur die schrittweise, aber konsequente Einführung der Marktwirtschaft sichert die Überwindung der bestehenden Wirtschaftskrise. Alle intellektuellen Visionen von einem dritten Weg sind in der heutigen Epoche wirklichkeitsfremd, setzen das uneffektive Experimentieren fort, verlängern den Aufenthalt in der Talsohle und erfordern weitere unnütze Opfer, zu denen das Volk nach den bitteren Erfahrungen nicht mehr bereit ist!

3. Die FVP ist für eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten! Aus politischen und aus wirtschaftlichen Gründen ist das aber nicht sofort möglich: Es gibt zwei Militärbündnisse, die seit Jahrzehnten auf Stabilität durch Gleichgewicht setzten; es gibt Alliierte und den Nachkriegsstatus; unsere Territorien sind mit atomaren und chemischen Massenvernichtungswaffen vollgestopft; es gibt zwei völlig verschiedene Wirtschaftssysteme, die sich in der Effektivität, im technologisch-organisatorischen Niveau sowie in den Steuer- und Kontrollmechanismen und in der Gewinnverteilung unterscheiden.

4. Aus dem vorgenannten Punkt ergeben sich Etappen der zielstrebigen, geordneten Annäherung, die wie folgt aussehen konnten:

DDR: Schaffung von fünf möglichen Bundesländern (Verwaltungsreform)

DDR: Durchführung einer marktwirtschaftlichen Reform in Stufen

DDR/BRD: Abstimmung der Produktions- und Infrastruktur, Koordinierung eine zwischenstaatlichen Arbeitsteilung mit Anpassung der Währungen, Subventionen, Verkehrsverbindungen usw.

DDR/BRD: Volksentscheide zum Abzug aller Atomwaffen und Hinwirken auf den gemeinsamen Austritt aus den Militärbündnissen bzw. auf deren Auflösung

BRD: Eindeutiger Verzicht auf jede Art von Gebietsansprüchen an andere Völker

DDR/BRD: Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs, Volksabstimmungen zur Vereinigung, Friedensvertrag mit den Alliierten und anderen Staaten.

Dieser Prozess der Annäherung dauert voraussichtlich noch Jahre und erfordert in der DDR harte Arbeit, denn wir warten nicht untätig auf Almosen.

Ein neutrales Deutschland als Bindeglied statt wie bisher als Barrikade zwischen Ost und West, fördert die europäische Stabilität und Einigung, ohne eine Gefahr für andere Völker zu bilden.

5. Die FVP kam gegen den wirtschaftlichen Zusammenbruch, gegen Gewalt und gegen den Missbrauch. der Demokratiebewegung durch Extremisten, um unübersehbare militärische, innen und außenpolitische Folgen zu verhindern. Sie setzt sich für die Sammlung aller Kräfte zur möglichst raschen Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein und bietet dafür ein klares Ziel an. Je stärker wir sind, um so mehr Können wir auf dem Weg der deutsch deutschen Annäherung mitreden! Setzen wir uns ein

- für weitgehende soziale und ökonomische Sicherungen in der aufzubauenden Marktwirtschaft,

- für einen kinderfreundlichen und kinderfördernden Staat,

- für einen Staat, der die älteren Bürger achtet, der ihnen Verständnis und Sicherheit gewährt und

- für einen Staat, der Frieden und Völkerverständigung zum Schwerpunkt seiner Politik macht.

6. Im Bereich des Umweltschutzes, wo viele alte Sünden wiedergutzumachen sind, ist eine Konzentration auf die Schwerpunkte Energie/Braunkohle, Müll/Abwässer und auf die Schaffung einer eigenständigen Umweltschutzindustrie nötig. Zusätzliche Mittel dafür können nur aus Kürzungen im Verteidigungshaushalt gewonnen werden. Es gibt Gegenden in unserem Land, da geht es nicht mehr um den Schutz der Umwelt, sondern schon unmittelbar um den Schutz des Lebens bzw. der Gesundheit der Anwohner!

7. Die FVP steht allen Bürgerinnen und Bürgern der DDR offen, gleich welcher Weltanschauung oder Religion, gleich welcher sozialer oder politischer Herkunft. Sie grenzt aber undemokratische und extremistische Ideologien aus. Mitglieder aus den Oppositionsgruppen, die für diesen Abschnitt der Wahlvorbereitung unsere klare Zielstellung akzeptieren sind ebenso willkommen, wie ehemalige Mitglieder etablierter Parteien oder noch unentschlossene Parteilose! Wir streben darüber hinaus ein Wahlbündnis in kürzester Zeit mit allen Parteien und Gruppierungen an, die den dritten Weg der SED-PDS nicht mitgehen wollen.

Nicht das Betonen von Unterschieden ist für all diejenigen, die eine echte Wende erzwingen wollen, heute wichtig, sondern das Erkennen der Gemeinsamkeit!

8. Wir fordern eine eigene Wochenzeitung, den gerechten Zugang zu allen Medien und eine kollektive Wahlkontrolle durch alle Bewerber!

Zentrale Kontaktadresse:
(...)

FORUM – die offene Seite – für neue Parteien und Bewegungen, Positionen und Meinungen in der National-Zeitung, Nr. 15, Do. 18.01.1990

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