Diskussionsangebot des Verbandes der Freidenker der DDR (VdF)

Der Zentralvorstand des Verbandes der Freidenker der DDR übersandte uns sein Diskussionsangebot mit der Bitte um Veröffentlichung. Wir kommen dem gerne nach.

In Verantwortung für unsere Heimat, für einen humanen Sozialismus, der als Gesellschaftsordnung nicht zur Disposition gestellt werden darf, vertreten wir folgende Positionen:

1. Wir Mitglieder des Verbandes der Freidenker identifizieren uns durch engagiertes Mittun mit dem revolutionären und demokratischen Erneuerungsprozess in der DDR. Voraussetzungen dafür sind die Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit unseres Verbandes.

2. Wir suchen Dialog und größtmöglichen Konsens mit allen, die unsere Heimat als wirklich sozialistische Alternative auf deutschem Boden wollen. Wir suchen die Zusammenarbeit mit den erneuerten traditionellen Parteien und Organisationen ebenso wie mit den neuen basisdemokratischen Bewegungen, den Kirchen sowie allen anderen gesellschaftlichen Kräften.

3. Wir sind für Rechtsstaatlichkeit und umfassende Rechtssicherheit, gegen die Auflösung von moralischen Grundsätzen, damit Schieber und Spekulanten vor strenger Bestrafung öffentliche Verurteilung erfahren.

Wir treten ein gegen Chaos, jeglichen Terror und aufbrechende Anarchie. Wir verwahren uns gegen alte und neue Formen von Hochmut und Arroganz, gegen Inkompetenz und Korruption.

4. Die Menschenrechte müssen in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden. Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Reisefreiheit, Freiheit der Berufswahl, Glaubensfreiheit.

Im Einklang mit unserer Freidenkertradition fordern wir, dass Faschismus, Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Antikommunismus und Gewalt keinerlei Entfaltungsmöglichkeiten erhalten dürfen. Wir wissen uns hierin einig mit dem Volkswillen.

5. Humanistisches Ethos und tätiger Humanismus prägen unseren Verband. Wir treten für eine neue Kultur zwischenmenschlicher Beziehungen ein, für eine auf den einzelnen Menschen orientierte Sittlichkeit und Moral. Dazu gehört eine Sozial- und Wohnungspolitik, die Wärme, Geborgenheit und Zuwendung für jeden, besonders aber für Einsame, Schwache, Behinderte und ihre Betreuer sowie alte Menschen erlebbar macht.

Wir helfen jedermann, der unsere Hilfe In schwierigen Situationen benötigt.

Der VdF unterstützt in Zusammenarbeit mit den Parteien und mit Einrichtungen der evangelischen Kirche kameradschaftlich die Initiative von Behinderten für den Aufbau eines längst überfälligen Behindertenverbandes der DDR.

6. Die sozialistische Erneuerung bedarf der umfassenden Mitwirkung der Frauen.

Wir treten für wirkliche Chancen für die Jugend ein, damit sie zum aufrechten Gang und nicht zum Jasagen und Anpassen erzogen wird.

Der VdF will selbst auch ein Verband für die Frauen und die Jugend sein. Diesem Anspruch stellen wir uns.

7. Wir treten für die freie Entfaltung einer im Volk fest verwurzelten und vorn Volke mitgestalteten Vielfalt in Kultur und Kunst ein.

Festkultur und Feiergestaltung gehören dabei zu den wichtigsten Anliegen des VdF.

Wir wollen an einem neuen Bildungs- und Erziehungskonzept mitarbeiten, in dessen Zentrum die Ausprägung kritischen, selbständigen Denkens und mitmenschlichen Verhaltens stehen.

8. Der VdF gehört In eine von Grund auf erneuerte Nationale Front. Humanistische und moralische Grundsätze in der Politik, praktizierte Lebenshilfe und Festkultur sollen dabei unsere Betätigungsfelder sein.

9. Die Basisgruppen sind die Lebensform des VdF - alle Leitungen haben dieses Prinzip zu fördern und zu respektieren. Wir sind gegen jeden Dirigismus von oben und unduldsam gegenüber jeder Spielart von Bürokratie, aber auch gegen verantwortungslose lähmende Kritikasterei.

Unsere Satzung wollen wir durch eine Basisdiskussion von unnötigem Ballast befreien, der heute noch manchem Sympathisanten den Zugang zum VdF erschwert.

10. Die auf Frieden und Abrüstung gerichtete Außenpolitik der DDR muss fortgesetzt werden. Systemübergreifende Kooperation ist nach ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten auszugestalten. Das gilt im besonderen für die Beziehungen zur BRD und zu Westberlin. "Wiedervereinigung" ist für uns kein Thema.

National-Zeitung, Mo. 04.12.1989

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