Schaffung von Betriebsräten mit Vetorecht
Alle Macht den Generaldirektoren? Der Reformentwurf der SPK ist beispielhaft für Bestrebungen, der gesellschaftlichen Selbstbestimmung, noch ehe sie sich entwickeln konnte, schon wieder den Garaus zu machen. Seine Autoren verlangen, die freie Entwicklung des Unternehmertums mit der "demokratischen Kontrolle des Volkes hinsichtlich der sozialen Orientierung der Produktion" und der "Mitsprache der Belegschaften in den Wirtschaftseinheiten" zu verbinden. Doch reduziert sich dort erstens auf das Recht der Regierung, ökonomische Rahmenbedingungen festzulegen und in einigen Bereichen Programme zu verwirklichen, letzteres auf die Möglichkeit, über die Gewerkschaften Löhne und Gehälter auszuhandeln.
Der Schutz der Belegschaften vor negativen Folgen der konsequent auf "Erhöhung von Produktivität und Effizienz" hinarbeitenden Betriebsleitungen verlangt jedoch die Schaffung von Betriebsräten, die auch über die Arbeitsbedingungen, das Arbeitszeitregime und die Personalpolitik mitentscheiden können und bei einschneidenden Änderungsplänen ein Vetorecht haben. Die Ökonomen der SPK schlagen statt dessen vor, "zur Ausprägung des Eigentümer-Bewusstseins Formen der Gewinnbeteiligung der Belegschaften (einschließlich des Verkaufs von Aktien)" einzuführen - ein hervorragendes Mittel, die Betriebskollektive im Konfliktfall zu spalten. Was kümmert den Besitzer eines Aktienpakets die kostenaufwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Nachbarabteilung? Sie läuft seinen Interessen als Kleinaktionär ja völlig zuwider. Mehr noch: Teile der Arbeiterschaft würden durch ihre Aktien zu Komplizen der Verfechter zukunftsgefährdenden Wirtschaftsstrategie werden.
Die Befriedigung der konsumtiven Bedürfnisse, um die es im Entwurf der SPK geht, ist zumeist nicht vom Umfang des Verbrauchs, sondern des Gebrauchs abhängig: Wie oft ich mir einen Stuhl kaufe, hat nichts damit zu tun, wie oft ich darauf sitze. Nur ist es dem Möbelproduzenten im Interesse seines Gewinns lieb, wenn ich den Stuhl schon recht bald durch einen neuen ersetze. Doch das widerspricht angesichts der Verknappung vieler Ressourcen unserem Zukunftsinteresse, das hier weitgehend unberücksichtigt bleibt. Eine dem Gesamtinteresse der Gesellschaft entsprechende Wirtschaftsentwicklung setzt somit gesellschaftlich erarbeitete Zielbestimmungen voraus, die im Zusammenwirken öffentlichen Gremien und Betriebsleitungen weiter zu konkretisieren wären.
Dr. Erhard W(...)
Initiative Vereinigte Linke
aus: Berliner Zeitung, Nr. 3, 04.01.1990, 46. Jahrgang. Die Redaktion wurde mit dem Karl-Marx-Orden, dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnet.