Doppelte Kontrolle durch die Werktätigen
Für die Überwindung der Krise in unserem Land werden inzwischen die vielfältigsten Lösungsvorschläge unterbreitet. Eines haben sie alle gemeinsam: Die ARBEITENDEN werden nicht gefragt. Wieder soll Politik über die Köpfe der Menschen hinweg durch die alten und neuen Politprofis entschieden werden. Ein Unternehmerverband formiert sich, westliches Management gilt als Zauberformel, die ersten Verträge über joint ventures wurden abgeschlossen.
Wo aber bleiben die ARBEITENDEN? Ist ihre Kompetenz, die 40 Jahre ignoriert wurde, wieder nicht gefragt?
Natürlich sind auch wir, die VL, der Meinung, dass sich unsere Wirtschaft nicht wie auf einer Insel entwickeln kann. Deshalb sind auch wir für die Unterstützung durch westliches Management und für joint ventures. Aber Bedingung ist, dass dieser Prozess unter Kontrolle der Arbeitenden, der Arbeiter in der Produktion und der wissenschaftlich-technischen Intelligenz erfolgen muss. Schluss mit der Geheimdiplomatie in wirtschaftlichen Angelegenheiten! Was wir jetzt brauchen, ist nicht die "paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer", sondern die ÜBERNAHME DER PRODUKTION DURCH DIE ARBEITENDEN!
Die Vereinigte Linke engagiert sich für die Wahl von BETRIEBSRÄTEN. Sie sollen Organe der Werktätigen sein, mit deren Hilfe sie die Umgestaltung der Produktion zu einer höheren Effizienz vorantreiben. Eine saubere Umwelt, die soziale Sicherheit der Werktätigen - einschließlich das Recht auf Arbeit, eine funktionierende territoriale Infrastruktur und die Befriedigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung - das sind die wichtigsten Ziele solch einer Umgestaltung. Durch die Betriebsräte wären dafür Perspektivpläne zu erarbeiten, die sich folgenden Problemen zuwenden: Stabilisierung und Veränderung der Produktion, Sozialmaßnahmen für die notwendigen Qualifizierungen, Beteiligung von ausländischem Kapital, Neuregelung der Beziehungen zum Territorium usw.
Die GEWERKSCHAFTEN haben nach wie vor die volle Verantwortung für die ökonomische, soziale und politische Interessenvertretung der Werktätigen zu tragen. Damit sie nicht zum A & V der "Ware Arbeitskraft" werden, müssten sich die Gewerkschaftsfunktionäre durch das Vorhandensein von Betriebsräten in Zukunft eine doppelte Kontrolle durch die Werktätigen gefallen lassen! Einmal - durch die Wahl innerhalb der Gewerkschaft, zum andern - durch die Wahl der Gesamtbelegschaft zu den Betriebsräten.
Wir müssen gemeinsam verhindern, dass bei der Neufassung des Arbeitsgesetzbuches die Rechte der Werktätigen beschnitten werden!
Was sollte unserer Meinung nach im Mittelpunkt einer echten gewerkschaftlichen Interessenvertretung stehen?
- Kampf um DIREKTE GEWINNBETEILIGUNG der Werktätigen und konsequente Anwendung des Leistungsprinzips für alle. Aber es darf keine subjektivistischen Einschätzungen geben - das Kollektiv hat zu entscheiden! Und: Die Kriterien für Leistung und Löhne müssen für alle durchschaubar sein.
- Kampf um GERECHTE NORMEN in allen Bereichen - Normen dürfen nicht unter künstlich produzierten Idealbedingungen abgenommen werden!
- Kampf um SOZIALE SICHERHEIT der Werktätigen.
- Kampf um das Zurückdrängen gesundheitsgefährdender Arbeit. Dazu müssen alle Angaben über Materialien und Arbeitsprozesse mit gesundheitsschädigendem Einfluss veröffentlicht werden. Entschädigung, Erschwerniszuschläge, Anerkennung von Berufskrankheiten müssen neu geregelt werden.
- Kampf für die GLEICHBERECHTIGUNG DER FRAUEN im Arbeitsprozess, insbesondere bei Entlohnung und Übernahme von Leitungsfunktionen!
Der Betriebsrat, in den Kolleginnen und Kollegen unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden, muss schnellstens mit umfassenden Rechten, einschließlich des Veto-Rechts bei der Planung der Produktion, versehen werden.
Auch wenn es für die Gegenwart darum geht, dass für die Zukunft darüber nachgedacht werden müsste, wie die Arbeitszeit verkürzt, der bezahlte Urlaub verlängert und die Altersversorgung neu geregelt werden kann!
aus: Leipziger Volkszeitung, Nr. 306, 30./31.12.1989, 45.(96.) Jahrgang, Organ für die Interessen des werktätigen Volkes, Herausgeber: Bezirksleitung Leipzig der SED-PDS