Antwort auf Leserfragen

Was ist, was will die Vereinigte Linke?

Mehrere Leser fragten uns im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Vereinigten Linken beim Besuch von Bundeskanzler Kohl in Dresden, welche Linie diese Vereinigung verfolgt. Ein Beitrag der Pressegruppe der VL Dresden, den wir gekürzt veröffentlichen, gibt Antwort.

Die Initiative für eine Vereinigte Linke (Initiative VL) stellt den Versuch dar, Linkskräfte gleichberechtigt und basisdemokratisch zu einen. Dabei geht es nicht um Führungsanspruch; die Koordinierung der Aktivitäten der Linkskräfte und deren Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen und Parteien ist dringend geboten. Gegen Stalinismus. Gegen Monopolisierung.

Die Initiative VL bekennt sich zu sozialistischen Alternativen und sieht als letztliches, utopisches Ziel aller sozialen Bewegung die "grüne" Aufhebung der Entfremdung des Produzenten. Die Überwindung der Spaltung der Welt. Die Initiative VL will utopiefähig bleiben. Offen für neue Impulse und Strömungen einer uralten, aus dem Frühchristentum bis in die Postmoderne reichenden Utopie, den Sozialismus. Der demokratischen, selbstverwaltenden, entmonopolisierten Gesellschaft.

Aus dieser Position heraus bezogen gerade auch viele Linke, seltener systematisch und ausdauernd genug, Position gegen das administrative System. Die Initiative VL begrüßt den revolutionären Aufbruch der DDR und will demokratisch am Prozess der Umgestaltung für eine sozialistische Alternative teilhaben.

Um diese Utopie demokratisch in unserer Gesellschaft umzusetzen, bleibt die Existenz einer politisch selbständigen DDR notwendig. Zu sehr ist die Spaltung Europas mit der Spaltung Deutschlands verbunden. Das freie Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes darf nicht auf Kosten Europas, der vor Jahren gedemütigten Völker durchgeboxt werden. Neuerliche Polarisierung, eine unabsehbare Destabilisierung des bisher ausbalancierten Pulverfasses Europa wären die Folgen. Der europäische Integrationsprozess schafft die Grundlage für eine deutsche Wohnung mit oder ohne zwei getrennte Wohnbereiche im Europäischen Haus. Für die Initiative VL Dresden sind gesellschaftliche Strukturen das Ziel, die geprägt sind:

sozialistisch, d.h. entmonopolisiertes und entbürokratisiertes Volkseigentum, in wirklicher Selbstverwaltung; Sicherung der politischen und sozialen Menschenrechte;

demokratisch, d.h. umfassendes System der gesellschaftlichen Selbstverwaltung, das die ungeteilten Menschenrechte und freie Entfaltung der Individualität jedes einzelnen verwirklicht;

ökologisch, d.h. die Priorität der natürlichen Umwelt in vollem Umfang zu sichern;

emanzipatorisch, d.h. allseitige und freie Entwicklung jedes einzelnen, insbesondere die Lösung der Frauenfrage und die Integration aller Randgruppen;

internationalistisch, d.h. die Spaltung der Welt in reichen Norden und hungernden Süden ökologisch zu überwinden.

Die Initiative VL Dresden vertritt folgende Forderungen:

politisch:

- Neufassung der Verfassung und Verabschiedung eines einheitlichen dementsprechenden Gesetzwerkes (Sicherung Menschenrechte, Rätegesetz, Gesetzpaket Ökologie, Streikgesetz)

- administrative Gliederung nach dem Länderprinzip und damit verbunden Dezentralisierung und Entmonopolisierung. Stärkung der Kommunen

- Ausbildung eines Rätesystems in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zur Sicherung der Mitbestimmung und Kontrolle aller Werktätigen, bei Beibehaltung des Prinzips der Einzelleitung

- Schaffung einer demokratischen Kultur der Bewältigung von Interessenkonflikten und sozialen Spannungen

ökonomisch:

- Konzeption für radikale Umgestaltung der Wirtschaft zu einem selbstregulierenden ökonomischen System in relativ kurzer Zeit

- volle Entfaltung des Marktes als Regulator und Sicherung der Einflussnahme der Zentrale zum Interessenausgleich der verschiedenen Interessengruppen mittels zu schaffenden finanzpolitischen Instrumentarismus und Staatsaufträge

- Gesetzpaket zur Schaffung des selbstregulierenden Systems, in dem Unternehmen der verschiedensten Eigentumsformen, bestimmend bleiben dabei vergesellschaftete, über den Markt im Wettbewerb miteinander stehen. Ziel ist die effektive Befriedigung der Bedürfnisse des Konsumenten.

- Die Zentrale sichert mittels Staatsaufträge und Gesetze die soziale und Umweltverträglichkeit.

- juristische Anbindung der Werktätigen an das Volkseigentum (Obligationen, Aktien).

Der DDR kommt auf Grund ihrer historischen und geographischen Voraussetzungen die Rolle eines Bindegliedes zwischen Ost- und Westeuropa zu. Dies muss durch die Zentrale mit Unterstützung des Westens durch entsprechende Gesetzesrahmen und geeignete Finanzpolitik gesichert werden.

Pressegruppe der VL Dresden

aus: Sächsische Zeitung, Nr. 9, 11.01.1990, 45. Jahrgang, Sozialistische Tageszeitung für den Bezirk Dresden, Herausgeber: Geschäftsführender Bezirksvorstand Dresden der SED/PDS

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