Ich meine
Neue Direktoren
Noch bin ich als Mitarbeiterin für Neuererwesen im VEB Großhandelsbetrieb WtB beschäftigt, allerdings nicht mehr lange. Mein Arbeitsplatz wird wegrationalisiert, das sei unwiderruflich beschlossen - so mein Betriebsdirektor in einem von mir geforderten Gespräch. Mir wurde eine andere Tätigkeit in einem anderen Betriebsteil angeboten mit der Bemerkung: entweder ja oder Kündigung!
So hatte ich mir immer einen kapitalistischen Unternehmer vorgestellt. Mit welchem Recht legt der Direktor eines volkseigenen Betriebes über die Köpfe der Betroffenen hinweg fest, wann welcher Arbeitsplatz eingespart wird?
Ich mach mir ernsthafte Sorgen um die Zukunft. Der weitere Bildungsweg meiner 16jährigen Tochter und unser ohnehin nicht hoher Lebensstandard sind gefährdet. Wenn Direktoren so tun, als seien die Betriebe ihr Privateigentum, wird wohl das verfassungsmäßig gesicherte Recht auf Arbeit so sicher nicht mehr sein. Es ist bedrückend zu erleben, wie wenig Unterstützung man als Betroffene erfährt, wollen die FDGB-Funktionäre nicht bei der Betriebsleitung anecken aus Angst, als nächste ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Deshalb haben meine Kollegin und ich uns an den Unabhängigen Frauenverband gewandt.
Was wir jetzt brauchen ist Solidarität gegen das Ellenbogenprinzip.
Monika K(...), 1142 Berlin
Berliner Zeitung, Sa. 23. Dezember 1989, Jahrgang 45, Ausgabe 302, Seite 13, Podium – Die Seite der neuen Parteien, Initiativen und Gruppierungen