Gemeinsame Erklärung "Für eine offene Zweistaatlichkeit"

Berlin (ADN). Persönlichkeiten beiden deutschen Staaten aus sprechen sich in einer gemeinsamen Erklärung "Für eine offene Zweistaatlichkeit" aus. Das dem ADN am Freitag übergebene Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Das Volk der Deutschen Demokratischen Republik hat sich die Chance erstritten, sein Staatswesen umfassend zu demokratisieren. Mit der Öffnung der Landesgrenzen wurden zugleich die Grenzen von Machtmissbrauch und dogmatischem Starrsinn aufgesprengt. Diese haben den Sozialismus bis heute daran gehindert, sich zur gerechten und freiheitlichen Gesellschaftsordnung auszubilden. So wurde versäumt, das Beispiel einer Lebensart zu üben, die der Menschheit die Weiterexistenz ermöglichen könnte. Der Prozess einer gewaltfreien Revolution, die einer zur Gewalt bereiten Macht ihre Sitze entzieht, ist in der deutschen Geschichte neu und einmalig. Zukunft, die veruntreut schien, kann damit wieder eingeholt werden.

Mit allen Kräften wehren wir uns dagegen, dass diese Bewegung fremdbestimmt und der Wiedererrichtung eines erloschenen Deutschen Reiches nutzbar gemacht werden soll. Wir fordern eine offene deutsche Zweistaatlichkeit und die Anerkennung der Staatsbürgerschaft zweier deutscher Staaten ohne den Wahn der Obhut oder Aufsichtspflicht des einen über den anderen. Die ökonomische Stärke der Bundesrepublik Deutschland befähigt sie zur fairen Wirtschaftshilfe an die Deutsche Demokratische Republik. Die Erfahrung der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik im Erleiden und Erkämpfen neuer Formen menschlichen Zusammenlebens liegt auf der anderen Waagschale. Das Gleichgewicht beider dient dem Weltfrieden."

"In der DDR haben bisher unterzeichnet:

Prof. Dr. Helmut Abel (Physiker), Annekathrin Bürger (Schauspielerin), Daniela Dahn (Schriftstellerin), Prof. Dr. Evelyn Dölling (Doz. für Philosophische Logik), Jürgen Ecke (Komponist), Hinnerk Einhorn (Schriftsteller), Prof. Dr. John Erpenbeck (Physiker/Schriftsteller), Dr. Heinz Hirdina (Kunstwissenschaftler), Dr. Karin Hirdina (Literaturwissenschaftlerin), Heinz Kahlau (Schriftsteller), Prof. Dr. Hermann Klenner (Rechtsphilosoph), Heinz Knobloch (Schriftsteller), Jurij Koch (Schriftsteller), Dr. Gisela Kraft (Schriftstellerin), Werner Liersch (Schriftsteller), Steffen Mensching (Schriftsteller), Joachim Nowotny (Schriftsteller), Barbara Thalheim (Liedermacherin), Prof. Dr. Horst Völz (Physiker), Hans-Eckardt Wenzel (Liedermacher/Schriftsteller), Prof. Dr. Siegfried Wollgast (Philosophiehistoriker)

In der BRD haben bisher unterzeichnet:

Inge Aicher-Scholl (Schriftstellerin), Otl Aichinger (Grafiker/Designer), Heinrich Albertz (Theologe/Politiker), Prof. Dr. Karl Bonhoeffer (Sprecher der IPPNW), Christine Brückner (Schriftstellerin), Axel Eggebrecht (Schriftsteller), Bernt Engelmann (Schriftsteller), Uwe Friesel (Schriftsteller/Vorsitzender des Verbandes Deutscher Schriftsteller), Günter Herburger (Schriftsteller), Robert Jungk (Zukunftsforscher), Dieter Lattmann (Schriftsteller/Politiker), Gudrun Pausewang (Schriftstellerin), Prof. Dr. Dorothee Solle (Theologin/ Schriftstellerin), Inge Stolden (Publizistin), Gerhard Zwerenz (Schriftsteller)."

Neues Deutschland, Sa. 02.121989, Jahrgang 44, Ausgabe 284

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