"Vorstellung von, Wahlaussagen"
Markus Meckel 2. Sprecher
Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten!
Wer es bis jetzt noch nicht glaubte, aber Augen und Ohren hat zu hören und zu sehen, der weiß es jetzt nach der Delegiertenkonferenz: Die Sozialdemokratie ist nicht nur da in diesem Teil Deutschlands, sondern sie ist lebendig, kraftvoll und selbstbewusst. Wir sind nicht mehr nur eine handvoll belächelter Enthusiasten. Wir sind eine aufstrebende Volkspartei, sich ausbreitend wie eine ansteckende Gesundheit.
(Beifall)
Darüber sind wir froh und dankbar. Wir verdanken das auch den Menschen, die in den letzten Monaten mit Fröhlichkeit und Lachen, mit Ernst und Beharrlichkeit eine Revolution gemacht haben, wie es sie in Deutschland. noch - nicht gab. Und es wird gut sein, bei allen künftig notwendigen Anstrengungen. auch diese Fröhlichkeit, das Lachen und das Sich-in-die-Augen-sehen-können nicht zu vergessen und zu verlieren.
Der Wahlkampf beginnt.
Es geht um die Macht in diesem Lande. Denn Macht ist nötig für die grundlegenden Veränderungen, die wir bewirken wollen. Wir suchen sie nicht um jeden Preis, aber wir suchen sie! Wir wollen Macht übernehmen, weil wir niemanden sehen, bei dem sie besser aufgehoben wäre als bei uns.
(Beifall)
Wir wollen Macht nicht zu eigenem Nutzen, sondern zum Wohle für das Land und die Menschen. Politik, der Wille, Macht zu übernehmen, ist ein Akt der Verantwortung. Dies ist es was wir lernen müssen, was der DDR-Bürger nach 57 Jahren Diktatur - wenn auch verschiedene Diktaturen - verloren hat. Die politische Dimension seines Lebens: dass Macht da ist, dass sie notwendig ist, dass sie in die rechten Hände muss. Viele in unserer Partei, die heute oft Tag und die halbe Nacht für diese Politik aktiv sind, haben nie geahnt, dass sie einmal Politiker werden würden. Sie haben es getan und tun es aus Verantwortung und in der Erkenntnis: Wir brauchen einen radikalen Neuanfang in diesem Land und es braucht Menschen, die sich dafür bereitstellen.
Voraussetzung dafür aber ist die ebenso radikale Entmachtung der SED. Sie trägt die Verantwortung für den Ruin dieses Landes. Das gilt wirtschaftlich, ökologisch und moralisch. Es ist die Partei der Staatsbankbankrotteure, die die ganze Gesellschaft verfilzte und bis heute überall versucht, Machtpositionen zu erhalten.
Doch das ist nicht alles Schlimmer noch ist die systematische Zerstörung der Menschenwürde, die dem von ihr errichteten System innewohnte.
Wo Recht zum Mittel der Macht wird, wo jemand glaubt, die Wahrheit zu besitzen und der Zweck heilige die Mittel - und seien es Entmündigung, Unterdrückung, Betrug und Verfolgung - und "alles für das Wohl des Volkes", wo dies alles geschieht, da wird die Würde des Menschen getreten und verraten. Was hinter uns liegt, ist ein System organisierter Verantwortungslosigkeit, ein System der Angst.
Durch die gewaltfreie, ja fröhliche Revolution des Volkes in der DDR ist das jetzt vorbei. Die Angst ist fast weg. Wir hatten alle zusammen die Kraft, die Gespenster zu verscheuchen. Neues Leben ist erwacht in diesem Land und in uns. Und doch wissen wir alle, es ist noch nicht ganz vorbei. Die Menschen können frei atmen und aufrecht gehen. Sie können wirklich sagen, was sie denken, ohne vorher nach rechts und links zu sehen und es kostet keinen Mut mehr.
Nach 57 Jahren Diktatur mit nur kurzer Unterbrechung ist das ein völlig neues Lebensgefühl - selbst für alte Menschen.
Dabei soll es bleiben und es soll sich vollenden. Denn es ist noch gefährdet. "Der Schoß ist fruchtbar noch . . .". Es muss gesichert werden - nicht durch Verfassungsschutz oder gar Geheimpolizei, sondern durch Freiheit und Recht.
(Beifall)
Rechtssicherheit statt Staatssicherheit!
(Beifall)
Freiheit und Recht - das ist der beste Schutz für die Bürger und Bürgerinnen. Allein die wirkliche Zufriedenheit der Bürger aber ist die beste Sicherheit für den Staat.
Ein Neuanfang ist nötig. Wir Sozialdemokraten haben ihn mit anderen ermöglicht und wollen ihn auch weiter gestalten. Nach 57 Jahren hat nun die SPD auf dem Gebiet der heutigen DDR wieder die Chance und die Aufgabe, Staat und Gesellschaft zum Wohl und Nutzen der Menschen zu gestalten. Es gibt keine gesellschaftliche Kraft in diesem Land, die dafür so gute Voraussetzungen und Fähigkeiten hat wie wir Sozialdemokraten.
(Beifall)
Wir wollen und wir werden das nicht verspielen! Und die Menschen sollen wissen: Wo wir dies gegen alle Erwartungen doch tun sollten, da stehen wir als glaubwürdige Demokraten dafür ein, dass Regierungsmacht eben auch abwählbar sein muss und wird. Das ist demokratischer Grundsatz.
(Beifall)
Uns soll man vertrauen können, dass es mit rechten Dingen zugeht. Und wo nicht - weil auch Sozialdemokraten Fehler machen - wird es die demokratische Möglichkeit geben einzugreifen! Gerade darin unterscheiden wir uns von dem, was wir 40 Jahre lang kennenlernten.
Wir Sozialdemokraten stehen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Offenheit, Vielfalt und Toleranz. Es ist die erste Pflicht des Staates, die politischen Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen zu schützen und alles zu unternehmen, die sozialen Menschenrechte zu gewährleisten.
Wer Recht hat, soll zu seinem Recht kommen und wissen, wohin er sich zu wenden hat. Wir wollen unabhängige Gerichte und vertrauenswürdige und unabhängige Rechtsanwälte,
(Beifall)
kostenlose Rechtsberatung und eine durchschaubare Gesetzgebung. Wir wollen im Rahmen der neuen Verfassung Verwaltungsgerichte schaffen, die willkürliches staatliches Handeln kontrollieren und begrenzen können.
(Beifall)
Der Bürger und die Bürgerin muss wissen, wo von wem warum wie entschieden wird - in den Sachen die sie angehen. Und in Sachen des Staates geht uns und jeden alles an! Die Behörde ist für die Bürger da - nicht umgekehrt.
(Beifall)
Abschaffung des Behördendienstags! Schaffung der Behördenwoche!
(Beifall)
Wir Sozialdemokraten stehen ein für die Freiheit der Andersdenkenden, denn nur so geschieht wirkliche Freiheit!
(Beifall)
Wer anders ist als andere - der bei uns und mit uns lebende Ausländer oder der oder die sich anders verhaltende Jugendliche - sie sollen in der Gesellschaft, die wir gestalten wollen, in ihrer Menschenwürde anerkannt sein, sich wohl und zuhause fühlen und wissen, dass wir sie als Bereicherung unseres Lebens erfahren.
(Beifall)
Wir wollen für eine solidarische Gesellschaft eintreten, die Alte, Behinderte und Kranke nicht nur versorgt und gleichzeitig ausgrenzt, sondern hinein-nimmt in die vielfältigen Weisen unseres menschlichen Zusammenlebens.
Jede Entscheidung in Staat und Gesellschaft soll so bürgernah wie möglich gefällt werden. Deshalb traten wir schon im Juli, also in diesem Aufruf zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei formulierten, für die Einführung der alten Länderstruktur ein - inzwischen ist das schon vor unserer Regierungszeit mehrheitsfähig.
(Beifall)
Wir wollen wieder in Mecklenburg und Sachsen, in Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen leben.
(Beifall)
Das schafft mehr Heimaterfahrung und den Willen, diese zu gestalten. Das zerstört die zementierten SED-Strukturen des Verwaltungsapparates und baut den bürokratischen Wasserkopf erheblich ab.
(Beifall)
Wir wollen eine weitgehende Selbstverwaltung der Kommunen! Dafür brauchen diese mehr Geld. Ihnen wird unter anderem ein erheblicher Anteil der Steuern ansässiger Betriebe zustehen müssen. Dann sind sie interessiert an der Ansiedlung florierender und umweltbewusster Betriebe und fördern so die Möglichkeit kommunaler Gestaltung.
Demokratie braucht eine starke Öffentlichkeit und freie Medien!
(Beifall)
Weg mit dem monopolistischen Medienkonzern SED!
(Beifall)
Wir Sozialdemokraten wollen eine unabhängige und kritische Presse. Fernsehen und Rundfunk sollen vorrangig öffentlich-rechtlich, aber auch privat möglich sein.
(Beifall)
Wir treten für die Garantie innerer Pressefreiheit ein, d. h.: der Verleger und Eigentümer kann und darf nicht vorschreiben, was der Redakteur schreibt und sendet.
(Beifall)
Wir wollen ein Stiftungsgesetz. Es muss möglich sein, gemeinnützige Stiftungen zu gründen.
Bürgerinitiativen und Bewegungen müssen das öffentliche Klima und Bewusstsein mitbestimmen und gestalten. Eine solidarische Gesellschaft muss sich frei entfalten können. Nicht allein der Staat ist für soziale Hilfe und Kultur zuständig - obwohl er die Garantie und Rahmenbedingungen stellt.. Die Menschen in der Gesellschaft sollen vielfältige Formen der Solidarität, der kulturellen und sozialen Aktivität entwickeln und leben können.
Seit der ersten Initiative zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei, jetzt SPD, war klar: Wir wollen eine soziale Marktwirtschaft mit ökologischer Orientierung.
(Beifall)
Wirtschaft muss effektiv, sozial und ökologisch verträglich sein. Der grundlegende Fehler der dirigistischen Wirtschaft war der Ausschluss dieser Initiative und der Demokratie. Wirtschaft muss befreit werden aus solcher staatlichen Zwangsjacke. Initiative muss sich wieder lohnen in unserem Land!
(Beifall)
Aktivität und Können muss sich auszahlen. Sowohl der Gewinn als auch das Risiko betreffen erst einmal die eigene Person. Das wird Wettbewerb schaffen und von großer Effektivität sein. Unternehmer und freie Handwerker müssen sich zusammenschließen können, wie auch alle anderen gesellschaftlichen Interessenvertreter. Für Handwerker, kleine und mittlere Betriebe muss schnell de Möglichkeit geschaffen werden, privat gekauft oder genossenschaftlich organisiert zu werden.
(Beifall)
Das gleiche gilt für das gesamte Gaststättenwesen und den Dienstleistungsbereich.
(Beifall)
Für den Anfang und die Übergangszeit sollen Steuererleichterungen und Kredite bewilligt werden. Wir wollen eine grundlegende Preis- und Lohnreform und den Abbau von Subventionen auf den einzelnen Gütern. Diese verdecken wirtschaftliche Zusammenhänge und leiten zur Verschwendung an. Wir wollen keine Subventionen nach dem Gießkannenprinzip, sondern Ausgleichszahlungen für sozial Schwache.
(Beifall)
Wir treten ein für mehr Lohngerechtigkeit
- zwischen Berlin und Provinz
(Beifall)
- zwischen produktivem und akademischen Bereich
- zwischen Staatsapparat und allen anderen Bereichen und im Gesundheitswesen.
Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen treten seit jeher für starke unabhängige Gewerkschaften ein.
(Beifall)
Mehr noch als von der Bundesrepublik können wir das von Schweden lernen.
(Vereinzelt Beifall)
Wir werden jede Entwicklung zu solchen in unserem Land unterstützen und helfen wo wir können. Dabei wollen wir sie aber nicht vereinnahmen! Dringend erforderlich ist auch ein Betriebsverfassungsgesetz. Wir brauchen unabhängige und gewählte Betriebsräte in paritätischer Zusammensetzung als Ausdruck der innerbetrieblichen Demokratie und als wichtiges Instrument der Mitbestimmung.
(Beifall)
Wir werden dafür eintreten, dass hier schnell etwas geschieht. Eigentum ist sozialpflichtig! Dieser Grundsatz muss in die neue Verfassung. Er verpflichtet die Regierung zur entsprechenden Gesetzgebung und die Unternehmen zu sozialverträglichem Wirtschaften.
Der notwendige radikale Umbau unserer Gesellschaft wird wenigstens übergangsweise vermutlich auch zu Arbeitslosigkeit führen. Sozialdemokraten geben das - anders als andere, die jetzt auch von Marktwirtschaft reden - freimütig zu.
Wir wollen dem begegnen durch Umschulung, vorzeitige Berentung, wo sie gewünscht wird, durch die Einführung des 8-Stunden-Tages (eine alte SPD-Forderung)
(Beifall)
mit freiem Wochenende – all das ermöglicht durch gleichzeitige Erhöhung der Produktivität. Die Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung wird trotzdem notwendig sein.
(Beifall)
Arbeitslosigkeit in größerem Umfang zu verhindern wird wichtiges Ziel von Regierungspolitik sein müssen. Dazu stehen wir!
(Beifall)
Grund und Boden, wie Immobilien, müssen vor Spekulation und Ausverkauf geschützt werden. Dafür sind schnell gesetzliche Regelungen zu schaffen, noch vor dem 6. Mai, am Runden Tisch geprüft.
(Beifall)
Von einem realistischen Grundpreis ausgehend, darf Preissteigerung an Grund und Boden nur im Rahmen einer Inflationsrate möglich sein.
Land- und forstwirtschaftlich genutzter Boden darf nur mit Genehmigung, z. B. durch Bau- und Gewerbegenehmigungen, anderer Nutzung zugefügt werden. Für diese Genehmigungsverfahren bedarf es klarer Kriterien.
Das Jahr 1990 hat begonnen. Die friedliche Revolution in unserem Land hat die SED entlastet, den Beweis antreten zu müssen, dass das Wohnungsproblem gelöst sei.
(Gelächter)
Es ist nicht gelöst! Auch das war ein Leuchtfeuer des Selbstbetrugs. Die Städte zerfallen, jedenfalls die außerhalb Berlins und besonders wertvolle und alte Städte - ich denke nur an Greifswald oder Naumburg, und was da schon abgerissen wurde.
Tausende von Altbauwohnungen stehen leer. Tausende von Menschen suchen nach einer angemessenen Wohnung. Sozialer Wohnungsbau ist wichtiges Anliegen sozialdemokratischer Politik.
(Beifall)
Dies soll so bleiben. Privates und genossenschaftliches Eigentum an Wohnungen ist zu fördern. Die niedrigen Mietpreise die man uns immer lobte und die auch günstig waren, haben aber einen engen Zusammenhang mit dem Verfall der Gebäude.
(Beifall)
Mieten müssen perspektivisch kostendeckend sein.
(Beifall)
Soziale Ausgleichszahlungen sind je nach Einkommen einzuführen.
Wir Sozialdemokraten wollen unsere alten Stadtkerne und Städte sichern und erhalten.
Stopp mit allen Prestigeprojekten.
(Beifall)
Innerstädtisches Bauen wollen wir steuerlich fördern um die Zersiedlung der Landschaft zu verhindern. Energiesparende Bauweisen sind als Beitrag zum Umweltschutz steuerlich ebenfalls zu fördern. Das ist nur ein Beispiel für unsere grundsätzliche Absicht denke ich, eine Umweltsteuer einzuführen. Ökologisch verträglich zu produzieren muss so teuer sein, dass es sich nicht lohnt.
(Beifall)
Außerdem brauchen wir ein ökologisches Strafrecht.
Wir wollen alles tun, damit unsere Kinder und Enkel saubere Luft atmen und sauberes Wasser trinken können.
(Beifall)
Wir wollen und wir brauchen schnelles Wachstum, aber kein unkontrolliertes. Dabei ist uns allen klar: nur was wir erwirtschaften, können wir auch ausgeben. Dafür brauchen wir Kredite und ausländische Investitionen in großem Ausmaß. Die Bundesrepublik ist unser wichtigster Partner, wenn auch nicht unser einziger in dieser Frage.
Wir brauchen Hilfe zum selbständigen Überleben. Bei vielen sind Ängste da vor der Zukunft, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, den sozialen Abfall, die Angst vor dem Chaos.
Uns allen ist deutlich: Die wirtschaftliche Frage und die deutsche Frage hängen eng zusammen. Wir Sozialdemokraten erklären: Es wächst zusammen, was zusammen gehört.
(Beifall)
Wir bekennen uns zur deutschen Einheit, wir streben einen deutschen Bundesstaat an, in dem Mecklenburg und Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin-Brandenburg und Thüringen gleichberechtigte Länder sind und ihre Interessen in das gemeinsame Staatswesen voll einbringen können.
(Beifall)
Wir sind davon überzeugt: Nur die Sozialdemokraten in Ost und West können diese Einheit so organisieren, dass keiner sie befürchten muss.
(Beifall)
Wir werden alles, was möglich ist, schon heute tun. Dazu gehören schnell wirtschaftliche Schritte, für welche Voraussetzungen zu schaffen sind und das baldige Zugehen auf eine Wirtschafts- und Währungsunion.
Wenn wir die Einigung der beiden deutschen Staaten wollen, so nicht als Wiedervereinigung denn bei einer solchen mussten bei unserer Geschichte unsere Nachbarn sich fürchten. Wir wollen diese Einigung als einen Weg, den wir auch mit den Nachbarn gehen können und wollen ihn mit ihnen gehen.
Wir wollen keinen deutschen Sonderweg, sondern den deutschen Einigungsprozess als Teil und Motor des Europäischen.
(Beifall)
Wir wollen die Solidarität mit den Ländern Osteuropas nicht vergessen, die mit uns unter dem Stalinismus gelitten haben und sich nun befreit haben Ihre Grenzen sind für uns unantastbar.
(Beifall)
Wir wollen unsere Solidarität auch mit der Bevölkerung Albaniens aussprechen,
(Starker Beifall)
einer Bevölkerung die schon seit Jahrzehnten vom Rest Europas durch ein Terrorregime isoliert und unterdrückt wird. Hoffentlich hat das bald ein Ende.
Sozialdemokratische Politik setzt sich weltweit für die Beseitigung des Hungers ein und für eine gerechtere Weltwirtschaft. Dieser Einsatz wird für uns in der DDR umso wichtiger sein, da wir selbst verstärkt in den ungerechten Weltmarkt eingebunden werden.
Die DDR wird auch bei einer sozialdemokratisch geführten Regierung nicht einfach den Warschauer Vertrag verlassen dürfen Beide deutschen Staaten müssen in den Bündnissen zum Motor des Abrüstungsprozesses werden, damit diese sich sobald wie möglich auflösen.
(Starker Beifall)
Wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa als eine Kraft des gerechten Friedens in der Welt.
(Beifall)
Dafür muss auch in der Bundesrepublik noch sehr viel passieren, aber auch bei uns manches.
Wir wollen einstehen für:
- Radikalen Truppenabbau und Reduzierung der Rüstungskosten
- Verkürzung des Wehrdienstes auf 10 bis 12 Monate
- Einführung eines zivilen Ersatzdienstes als Alternative für Wehrdienstverweigerer
(Beifall)
Das ist alles nicht neu, aber es gehört zu unserer Tradition. Wir sollten dies so deutlich sagen, auch wenn andere dies inzwischen auch sagen.
(Beifall)
Wir brauchen eine neue Sicherheitskonzeption und alles, was damit auch strukturell nötig ist für strukturelle Nichtangriffsfähigkeit, solange wir noch Armeen haben. Und von einem Tag zum anderen sind die natürlich nicht weg.
Und auch die inneren militärischen Strukturen müssen so radikal verändert werden, dass auch ein Soldat nicht seiner Würde als Mensch beraubt wird.
(Beifall)
Niemand hat das Recht, Waffen zu besitzen, außer eine von dem Staat kontrollierte Armee und die Polizei.
(Beifall)
Wir fordern deshalb die sofortige Auflösung der Betriebskampfgruppen - und nicht erst zum Sommer.
(Starker Beifall)
Hier maßt sich eine Partei immer noch staatliche Funktionen an. Der Wahlkampf der nächsten Monate wird hart werden. Die SED lässt keinen Zipfel ihrer Macht freiwillig los. Wir sagen aber ganz klipp und klar: Wir verlangen die Offenlegung des gesamten Parteilebens der SED.
(Beifall)
Das sind die Finanzen Und da denken wir nicht nur an das, was wir als SPD da noch drinstecken haben, sondern grundsätzlich was da alles in den letzten 40 Jahren hingeflossen ist.
(Beifall)
Wir denken an die Verflechtung von SED und Staatssicherheit. Jeder Stasi-Mann war automatisch und immer Mitglied der SED, außer wenn er einen anderen Parteiauftrag hatte.
(Beifall)
Wir wollen die Offenlegung der Verflechtung mit der Wirtschaft, mit Wissenschaft und allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Wir wollen die Offenlegung von allem Terror und nicht nur gegen Sozialdemokraten. Schon all diese Offenlegungen werden einen Prozess in Gang bringen, bei dem wir dann nicht mehr viel tun müssen.
(Beifall)
All dieser Filz muss weg. Wir wollen keine Rache und keine Lynchjustiz Wir wollen Recht.
(Beifall)
Und wo nötig, auch das Strafrecht! Nichts darf unter den Teppich gekehrt werden, denn sonst ist Demokratie nicht möglich. Das gilt übrigens auch für die anderen Blockparteien!
(Schwacher Beifall)
Doch Demokraten wie wir, wissen zu unterscheiden. Wir unterscheiden zwischen der SED und einzelnen SED-Mitgliedern.
(Beifall)
Wir haben doch 40 Jahre hier gelebt und wissen, es gab viele Gründe in die Partei zu gehen und darunter neben manchen anderen, auch ehrenwerte und verzeihliche. Wir wollen einen Arzt oder einen Betriebsleiter nicht fragen, ob er SED-Mitglied ist, sondern ob er seine Aufgaben verantwortlich wahrnimmt.
(Beifall)
Und außerdem glauben wir, dass es nicht nur Wendehälse gibt, sondern auch wirklich Menschen, die sich ändern.
(Beifall)
Wir brauchen aber auch weitere Unterscheidungen. Wir unterscheiden zwischen der SED und den Blockparteien. Wir wissen diese haben viel, allzu viel mitgemacht und tragen mit an der Verantwortung der letzten 40 Jahre. Aber auch sie, das müssen wir anerkennen, sind von der SED entmündigt und gedemütigt worden. Und wir unterscheiden innerhalb der Blockparteien 1945 bei Kriegsende wurden 4 Parteien gegründet. Die CDU, die KPD, die LDPD und die SPD. Sie hissen, wie es unserer Partei ergangen ist. Aber viele von uns wissen nicht, dass auch die CDU und die LDPD von der sowjetischen Militäradministration viel Unrecht erfahren haben. Erst 1948 wurden zwei weitere Parteien gegründet, nämlich die DBD und die NDPD. Die Vorsitzenden beider Parteien, Lothar Bolz und Ernst Goldenbaum, waren zuvor Kommunisten. Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen werden in den nächsten Wochen und Monaten viele Menschen überzeugen müssen, dass unsere Politik Zukunft für die deutschen Länder bedeutet, die heute die DDR ausmachen. Wir werden sie überzeugen müssen und wir werden sie überzeugen wollen und hoffentlich auch viele überzeugen, dass es sich lohnt, im Lande zu bleiben und mitzutun.
(Beifall)
Wichtig dafür ist dass alle Sozialdemokraten in welcher Partei sie auch jetzt noch sind sich uns anschließen und an dieser Aufgabe mitarbeiten.
(Beifall)
Bei der Härte der kommenden Auseinandersetzungen soll man bei uns spüren: Bei der SPD ist die Politik, die Zukunft verspricht. Hier fallen Politik und Moral nicht auseinander.
(Beifall)
Hier wird die menschliche Wurde auch des politischen Gegners geachtet Und gerade das wird uns zur stärksten Partei im künftigen Parlament hier machen.
Danke.
(Langanhaltender Beifall)
Protokoll der Delegiertenkonferenz der Sozialdemokratischen Partei in der DDR 12.1-14.1.1990 Berlin, Kongresshalle Alexanderplatz