Was für Frauen gut und nützlich ist, sollte im vereinten Deutschland Bestand haben

Es gibt mehr als die drei K

Angelika Barbe, stellvertretende Vorsitzende der SPD, meint, dass Küche, Kirche und Kinder nicht alleiniger Lebensinhalt sind


Seit März werden wir von einer konservativen Regierung gelenkt. Konservative Politik heißt unter anderem, Frauen können arbeiten, aber ihre Rolle als Hüterin der Familie wird sehr betont. Frauen zählten zu den ersten, die blaue Briefe erhielten, werden mit als erste von Kurzarbeit betroffen, sollen sich in minder qualifizierten Berufen zufriedengeben. Bleibt künftig also nur der Kochtopf?


Das will ich nicht hoffen, und ich bin auch dagegen. Ich sehe allerdings, dass augenblicklich eine große Anzahl von Frauen ihren Arbeitsplatz verlieren. Und ich glaube, dass die Gefahr sehr groß ist, dass sie generell mehr davon betroffen sind und sein werden als Männer. Dagegen muss es Konzeptionen und Programme der Parteien geben. Und was besonders wichtig ist, es müssen rechtliche Grundlagen geschaffen werden. Das verlangt aber auch mehr Engagement durch die Frauen selbst, um ihre Forderungen durchsetzen zu können. Es läuft eben nicht mehr wie bisher.

Es gab in der Vergangenheit viele Rechte für Freuen und die möchten wir nicht verlieren. Das ist die eine Seite der Medaille. Andererseits war die Mehrfachbelastung so stark, dass es für den einzelnen nur wenige Möglichkeiten gab sich politisch einzubringen.


Familie, Beruf, gesellschaftliches Engagement - wenn eine Frau das nicht unter einen Hut bekam, wurde es oft als persönliches Versagen dargestellt. Ist das nicht heute ähnlich? Nur von vornherein unter dem Deckmantel, dass sie vorrangig als Frau und Mutter für die Familie da sein soll?


Das sehe ich nicht so. So kritisch wie ich dem ersten Staatsvertrag gegenüberstehe, in ihm ist erst einmal geregelt worden, dass alle Rechte, die die Frauen betreffen, bis Ende des Jahres erhalten bleiben. Das ist deshalb sehr wichtig, weil damit ein Gefälle gegenüber der BRD geschaffen wurde. Nun entsteht ein Druck, dass diese rechtlichen Regelungen, die besser sind als in der BRD, in den Einigungsvertrag eingebracht werden sollen. Und darüber muss man verhandeln. Unser Konzept ist, dass für eine Übergangszeit alle Rechte fortbestehen, und zwar solange, bis ein gesamtdeutsches Parlament darüber befunden hat. Die Aufgabe ist dann, das, was für die Frauen gut und nützlich ist, auf Gesamtdeutschland auszudehnen.


Da baut sich doch aber eine Reihe Schwierigkeiten auf. Allein wenn man die Diskussion um den Paragraphen 218, um Krippen, Kindergärten und Horte sieht. Im Jugendhilfegesetz der BRD gibt es für letztere keine rechtlichen Regelungen.


Ich sagte schon, bis zum Ende des Jahres sind die rechtlichen Regelungen gültig, und wir versuchen, sie für eine Übergangszeit festzuschreiben. Wir brauchen dazu natürlich die Hilfe und die Forderungen aus der Bevölkerung und die entsprechenden Wahlergebnisse. Man kann Gesetze nur mit Mehrheiten durchbringen. Das ist vielleicht eine bittere Erkenntnis, aber es ist eine. Man sollte sich deshalb die Programme der Parteien sehr genau ansehen. Das gilt für Frauen und Männer.

Um bei dem Beispiel Paragraph 218 zu bleiben. Der geht beide Seiten an, gegen ihn müssen sich Mann und Frau engagieren. Unsere Forderung ist, die Fristenregelung in ganz Deutschland zu übernehmen. Ein Problem dabei - und dies wird in Diskussionen auch angeführt -, es gibt in unserem Paragraphen 152 eine Passage, die missbräuchlich ausgelegt werden könnte. Und zwar meine ich, die Passage, in der steht, der Abbruch kann zur Familienplanung verwendet werden. Studien beweisen aber, dass die Masse der Frauen den Abbruch nur in Konfliktsituationen in Anspruch genommen hat. Es ist ein demütigendes Gerede, so zu tun, als ob der Abbruch leichtfertig zur Regelung der Kinderanzahl genutzt wird.


Man würde sich mit Übernahme des Paragraphen 218 ja ohnehin im Kreise drehen. Wenn Frauen alle Kinder bekommen müssen oder kriminalisiert werden einerseits, andererseits Betreuungseinrichtungen nicht garantiert werden . . .


Das meine ich auch. Wenn wir das schaffen, und das hoffe ich, einfach, die Betreuungseinrichtungen zu erhalten - natürlich qualitativ verbessert -, dann können Frauen weiterarbeiten und haben auch für gesellschaftliches Engagement eine ganz andere Ausgangsbasis. Des heißt - ich kann es nur wieder betonen -, wir müssen um die sozialen Einrichtungen kämpfen, des nimmt uns niemand ab. Und dazu brauchen wir im Grunde genommen jede Frau.


Kindereinrichtungen zu erhalten kostet Geld. Wer soll sie bezahlen? Es schwirren Gerüchte von horrenden Kindergartenpreisen durch die Bevölkerung, so dass mancher sich in der Praxis dann überlegt, ob er sich das leisten kann oder einfach gezwungen wird, es sich nicht zu leisten . . .


Frauen dürfen sich da nicht Angst machen lassen. Zunächst - nach unseren geltenden Gesetzen hat jedes Kind ein Recht auf einen Kindergartenplatz. Das bedeutet, jede Frau, Mann oder Familie, die es möchten, können diesen Recht in Anspruch nehmen. Darauf kann man bestehen. Es gibt eine Pflicht des Staates, diese festgeschriebenen Rechte den Kindern angedeihen zu lassen. Und wenn jetzt beispielsweise Stadträte gibt oder auch Kommunen, die behaupten, sie können Kindereinrichtungen nicht mehr finanzieren, dann ist das falsch. Im Moment wird viel ausgenutzt, dass keiner so richtig Bescheid weiß. Es wird schlicht versucht, Unsicherheit zu schüren. Das Geld für Betreuungseinrichtungen muss aufgebracht werden. Ich sage noch einmal: es existiert eine Pflicht des Staates, wenn etwas erst einmal rechtlich fixiert ist. Deshalb wehren sich die Konservativen ja so dagegen, diese Rechte in die Verfassung und künftigen Gesetze aufzunehmen. Wir kämpfen dafür, dass es geschieht.

Nun kann man natürlich über die Finanzierungsmodelle nachdenken. Und euch darüber muss man verhandeln. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit einer Drittelfinanzierung, also zahlen die Länder, die Kommunen und die Eltern. Das muss austariert werden. Dann gäbe es die Möglichkeit, dass Frauen oder Männer, die Anspruch auf Sozialhilfe haben, weil nie nicht genügend verdienen, das Geld für den Kindergarten bekommen. Es müssten dann die Sozialhilfe oder die Kommunen bezahlen.


Aber die Kommunen klagen doch ebenfalls über Geldmangel?


Sicher, das hängt mit der Eigentumsfrage zusammen, die ebenfalls noch zur Debatte steht. Die CDU-West möchte gerne, dass unser gesamtes Treuhandvermögen, also auch Land und forstwirtschaftliche Flächen, zur Sanierung unserer eigenen Wirtschaft genommen wird. Und dagegen wehren wir uns, weil wir meinen, im Grunde genommen müsste dieses Land den Kommunen übergeben werden. In dem Moment, wo die Kommunen wenigstens etwas Land haben, können sie es an Betriebe verkaufen, können Investoren motivieren und sich damit finanzielle Mittel schaffen. Leider ist dieses Problem noch nicht geklärt.


Bleiben wir noch ein wenig bei Gesetzen und Finanzen. Stich-Wort Mutterschaftsgesetz, Erziehungsgeld, Babyjahr . . .


Bei uns, das weiß jeder, wird jungen Müttern das Babyjahr gewährt mit einer Unterstützung entsprechend ihrem Verdienst. Und auch diese Regelung gilt ja noch. In der BRD werden den Frauen seit dein 1. Juli diesen Jahres 600 Mark Erziehungsgeld gezahlt. Und zwar für 18 Monate. Es wurde nun vorgeschlagen - und das halte ich für diskutierenswert, dass die Frauen bei uns ab 1. Januar 1991 wählen können. Entweder sie nehmen das Babyjahr in Anspruch oder für 18 Monate das Erziehungsgeld. Die Frau müsste also verantwortungsbewusst überlegen und entscheiden. Ich wünschte mir, dass auch Männer in dieser Überlegung eine Chance haben. Ein Grund, warum wie eine Verordnungsänderung beim Ministerrat beantragten.


Bis zum dritten Lebensjahr der Kinder gibt es in der BRD für Frauen einen Kündigungsschutz. Aber auch fünf- oder zehnjährige Kinder müssen versorgt werden. Und ganz besonders prekär wird eine Entlassung bei Alleinerziehenden, gleich ob Mann oder Frau.


Das ist wirklich ein großes Problem. Der sozialen Sicherheit geschuldet, wie immer sie aussah, gibt es bei uns viele alleinerziehende Frauen, die auch wirklich alleine leben. Es ist wichtig, dass gerade Alleinerziehende Arbeitsförderung erhalten, indem sie geschult und qualifiziert werden. Kurzarbeit muss hier ebenfalls greifen. Die SPD-West, mit der wir in diesen Fragen gut zusammenarbeiten, macht auf diesem Gebiet schon seit Jahren viel. Wir haben vor, ein Gleichstellungsgesetz einzubringen. In ihm soll beispielsweise enthalten sein, dass alleinstehenden Frauen oder Männern ein Ausgleich gezahlt wird. Ein Gleichstellungsgesetz wäre auch insofern wichtig, weil man dadurch Betriebe verpflichten könnte, Frauen zu beschäftigen. Es gibt Modelle, nach denen solche die Betriebe vom Staat Unterstützung erhalten werden, aber wie gesagt unter der Voraussetzung, dass sie Frauenarbeitsplätze schaffen oder Betreuungseinrichtungen für Kinder.

Eine andern Möglichkeit wäre, Fonds einzurichten, in die jeder Betrieb pro Beschäftigten eine bestimmte Summe zahlt. Der Fonds wird denn zur Ausbildung genutzt. Es geht hierbei wohlgemerkt um die berufspraktische Ausbildung - die Theorie übernimmt ja der Staat. Das ist eine wichtige Frage, die in der BRD nicht geregelt ist. Dort existiert ein Rechtsanspruch auf Studienplätze aber nicht auf einen Ausbildungsplatz. Und bei der Berufsausbildung benachteiligt werden ja doch wieder die Mädchen.


Viele Überlegungen, die ein Diskussion wert sind, die für die Frauen gut wären. Haben sie eine Chance im geeinten Deutschland?


Ich denke schon, wenn man nicht wenigstens eine Chance sieht, kann man sich nicht dafür einsetzen. Das muss man natürlich, auch wenn es nicht leicht ist. Nicht umsonst haben sie solche Interessengemeinschaften wie "Streitfell Kind" gebildet. Von diesen Initiativen laden wir übrigens regelmäßig Leute in unseren Ausschuss ein.

Natürlich stehen wir im Moment vor der Situation, dass manche Gesetze, die bei uns Geltung erlangen, nur Teile von Gesetzen sind, die in der BRD im Zusammenhang wirken. Daneben spielt eine Rolle, dass es oft schwer ist, sich in Rechtsfragen Rat und Hilfe zu holen. Die entsprechenden Einrichtungen werden ja erst aufgebaut. Außerdem werden in vielen Fragen Kompromisse gemacht und wie bei jedem Kompromiss bleiben Wünsche offen. Trotzdem kann man die Frauen nur ermutigen, sich für ihre Rechte einzusetzen, dafür in Parteien oder Interessenvertretungen zu kämpfen. Der ehemalige Bundestagspräsident Heinemann hat einmal gesagt: Geschriebenes Recht ist die Magna Charta des kleinen Mannes. Recht ist einklagbar. Und darum sehe ich die parlamentarische Arbeit als so wichtig, weil man dadurch Gesetze festschreiben kann.

Ilona Möser

Tribüne, Nr. 141, Mi. 25.07.1990

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