Rechte der Frauen in Gefahr?

Zu sozialpolitischen Aspekten im Zuge der deutschen Vereinigung erklärt die stellvertretende SPD-Vorsitzende, Angelika Barbe:

Nach den Regelungen des Entwurfs der Bundesregierung zum 2. Staatsvertrag sollen das Mutterschutzgesetz, das KJHG, das Bundeserziehungsgeldgesetz und das Bundeskindergeldgesetz auch in der DDR gelten. Die Übernahme der genannten Gesetze würde für die Frauen in der DDR bedeuten, Nachteile gegenüber ihrer bisherigen sozialen Situation hinzunehmen. Die Finanzierung der sozialen Leistungen für Schwangere und Mütter ist mehr als fraglich, da im Staatsvertrag die Finanzierung dieser Leistungen über die bisherigen sozialen Sicherungssysteme ausdrücklich ausgeschlossen wurde und daher zu befürchten ist, dass der Staatshaushalt der DDR diese Leistungen nicht aufbringen kann.

1. Mutterschaftsgeld

Für gesetzlich krankenversicherte Frauen muss sichergestellt werden, dass die Leistungen des Mutterschaftsgeldes durch die DDR-Krankenkassen finanziert werden können. Für die nicht gesetzlich Krankenversicherten ist der im Mutterschutzgesetz vorgesehene „Bundeszuschuss“ von der DDR zu erbringen, um Ausfälle zu Lasten der Mütter zu vermeiden.

2. Jugendhilfegesetz

In dem am 1. Januar 1991 in Kraft tretenden Kinder- und Jugendhilfegesetz sind keine Regelungen enthalten, die einen Rechtsanspruch auf einen Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz begründen. In der DDR standen bisher flächendeckend ausreichend Kindertagesstätten zur Verfügung. Der Fortbestand dieser Einrichtungen ist nicht gesichert. Zu befürchten sind Schließungen aus Kostengründen, so dass Mütter gezwungen würden ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Der Verlust des bisherigen Besitzstandes (kostenfreie Kinderbetreuung) könnte abgemildert werden durch eine monatliche Kostenbeteiligung der Eltern.

3. Kündigungsschutz

Nach § 11 Bundeserziehungsgeldgesetz trägt der Bund die Ausgaben für das Erziehungsgeld. Die Finanzierung in der DDR ist nicht sichergestellt. Der Kündigungsschutz während des Erziehungsurlaubs ist in der BRD durch eine Öffnungsklausel eingeschränkt. Dadurch ist zu befürchten, dass auch in Kleinbetrieben der DDR der Kündigungsschutz aufgehoben wird.

4. Unterhaltsvorschussgesetz

Soweit die finanzielle Unterhaltszahlungen eines nicht ehelichen Kindes nicht gewährleistet ist, werden öffentliche Unterhaltsleistungen in der BRD gewährt. Da die übergeleiteten Bundesgesetze Kosten verursachen, ist es auf jedes Fall erforderlich, in den Staatsvertrag die Regelung aufzunehmen, dass aus den der DDR wir Verfügung gestellten Mitteln die Finanzierung der Kindertagesstätten der DDR sowie der staatlichen Leistungen aus den übernommenen Gesetzen sichergestellt ist, da ansonsten die Sozialunion in diesen Punkten leerlaufen würde.

Tribüne, Mo. 09.07.1990

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