DDR 1989/90 Brandenburger Tor


Erklärung der Regierung der DDR zu den Eigentumsverhältnissen (1. März 1990):

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hält es im Zusammenhang mit dem angestrebten Zusammenwachsen beider deutscher Staaten sowie insbesondere mit den Verhandlungen zur Schaffung einer Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland für erforderlich, nachfolgende Erklärung zu den Eigentumsverhältnissen in der Deutschen Demokratischen Republik abzugeben.

Sie geht davon aus, dass es im unmittelbaren Interesse aller Bürger der Deutschen Demokratischen Republik liegt, aber auch Anliegen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sein sollte, die Eigentumsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grund völkerrechtlicher Abkommen, der Gesetze des Alliierten Kontrollrates für Deutschland und Bestimmungen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone sowie der Gesetze und Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik herausgebildet haben, nicht in Frage zu stellen.

Dabei handelt es sich letztlich darum, das von den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in über 40jähriger Arbeit geschaffene Volksvermögen in seinen wesentlichen Rechtskategorien zu wahren. Es geht um Rechtssicherheit, die mit wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit verbunden sein muss.

Die Herausbildung und Entwicklung des Volkseigentums auf dem heutigen Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik vollzog sich im Ergebnis des 2. Weltkrieges und hat seine Grundlage im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 mit der Zielrichtung der Entmilitarisierung und Entnazifizierung in Deutschland sowie der Bestrafung der Kriegsverbrecher. In Durchführung des Potsdamer Abkommens bestimmten Befehle der sowjetischen Militäradministration in Deutschland und Gesetze der Länder, die teilweise auf Volksentscheiden beruhten, die Überführung von Vermögenswerten in Volkseigentum. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um weitgehend kriegszerstörte Betriebe, Institutionen und Anlagen handelte.

Die von der damaligen Besatzungsmacht im Zusammenhang mit der Befriedigung von Reparationsansprüchen in sowjetisches Eigentum übernommenen Betriebe wurden bis 1953 in das Eigentum des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik übergeben.

Hauptquelle der Schaffung von Volkseigentum war und ist die produktive Arbeit der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Volkseigentum entstand weiterhin durch rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundstücken sowie im Wege der Inanspruchnahme auf gesetzlicher Grundlage.

Auf dem Lande werden die Eigentumsverhältnisse auf dem heutigen Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik maßgeblich durch die 1945 durchgeführte Bodenreform bestimmt Auf der Grundlage von Gesetzen bzw. Verordnungen der Länder wurden der Grundbesitz der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten sowie der gesamte ländliche Großgrundbesitz über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Die Bodenreform entsprach voll inhaltlich den Zielen des Potsdamer Abkommens.

Die demokratische Bodenreform ermöglichte, landarmen und landlosen Bauern, die zum großen Teil Umsiedler waren, 3,3 Millionen Hektar Grund und Boden zur Verfügung zu stellen. Der enteignete Boden und mit ihm Gebäude und Inventar gingen in das Eigentum der Kleinbauern und Landarbeiter über. Die Verfassungen der Länder garantierten den Bauern ihre auf dem Wege der Bodenreform erworbenen Eigentumsrechte. Diese Rechte wurden durch Artikel 24 der ersten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 ausdrücklich bekräftigt.

Gleiche Beachtung verdient der Schutz der Eigentums-, Mieter- und Nutzerrechte der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik an Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen. Entsprechend den international geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen unterliegen Grundstücke und Gebäude, die sich auf dem Territorium eines Staates befinden, ausschließlich seiner Rechtshoheit. Das bedeutet, dass alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die auf der Grundlage des in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Rechts in den vergangenen vier Jahrzehnten Eigentums-, Nutzungs- und Mietrechte begründet haben, einen legitimen Anspruch auf den Fortbestand und die Stabilität ihrer erworbenen Rechte haben und darauf vertrauen.

Auf der Grundlage der Verfassung und des Zivilgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik besteht für alle Wohnungsmietverhältnisse ein umfassender Kündigungsschutz. Er gilt auch für die Nutzung von Grundstücken und Gebäuden zum Wohnen und zur Erholung. Gegen den Willen der berechtigten Nutzer kann das Vertragsverhältnis nur durch Entscheidung ordentlicher Gerichte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben werden.

Diese im Zivilgesetzbuch festgeschriebenen Schutzvorschriften für Mieter von Wohnungen und Nutzer von Bodenflächen gehören zu den elementaren sozialen Rechten der Bürger. Jeder neue Eigentümer oder Verwalter muss. - unabhängig von der Art des Eigentumserwerbs und der Verwaltung - die Rechte und Pflichten der Mieter von Wohnungen und der berechtigten Nutzer von Bodenflächen wahren. Dazu kann jeder Bürger den Rechtsschutz durch die Gerichte in Anspruch nehmen. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik sieht diese Rechtsposition als unverzichtbaren Bestandteil der Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland über eine Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft sowie über die Schritte zum Zusammenschluss beider deutscher Staaten an. Bei einer Rechtsangleichung im Zuge der Vereinigung beider deutscher Staaten ist diesem historisch gewachsenen Rechtszustand Rechnung zu tragen.

Regierungspressedienst der DDR, 06.03.1990

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