Berlinweite Aktivitäten zu brennenden Problemen
NEUES FORUM Westberlin ergreift die Initiative
Unter dem Motto "Parteien sind blöd!" gründeten wir, sieben Westberlinerinnen, Anfang November 1990 die erste Gruppe des NEUEN FORUM in Westberlin. Das, was uns zusammenführte, war die Erkenntnis, dass die bestehende Parteiendemokratie die Probleme, die auf unsere Stadt und damit auf jede(n) einzelne(n) von uns zukommen, in Zukunft nicht oder nur schlecht wird lösen können. Wir befürchten, dass die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerinnen vor Ort den Interessen der Wirtschaft zu stark untergeordnet werden. Wir sind der Ansicht, dass diese Probleme nur in Zusammenarbeit mit BürgerInneninitiativen und BürgerInnenbewegungen, durch Bildung von Runden Tischen zu Sachfragen unter gleichberechtigter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen und massiver Beteiligung der BürgerInnen gelöst werden können. Dazu müssen die Kompetenzen von der Stadt Berlin in die Stadtbezirke umverteilt werden. Diese Forderungen sind mehr als berechtigt: Wer lässt sich denn schon gerne eine Autobahn vor die Haustür bauen, ohne gefragt zu werden? Neuköllner, Treptower, Weddinger oder Prenzelberger?!
Wir jedenfalls haben Initiative ergriffen und einen Aufruf veröffentlicht, um die Idee der BürgerInnenbewegung nach Westberlin hineinzutragen. Diesem Aufruf folgten Mitte Dezember 20 InteressentInnen zu einem ersten Treffen.
Bei unserem zweiten Treffen am 14. 1. 1991 waren es dann schon ca. 50 Menschen. Wir wollten mit der Planung konkreter Arbeit in den Stadtbezirken beginnen, aber dieses Treffen stand, wie zu erwarten, ganz im Schatten der bedrohlichen Situation am Golf und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Baltikum. Wir haben darauf reagiert, indem wir beschlossen haben, eine Koordinierungsstelle im Haus der Demokratie, Friedrichstraße 105, einzurichten, die ab sofort rund um die Uhr besetzt sein wird, solange die beiden Konflikte nicht gelöst sind. Wir stellen uns vor, dass alle BürgerInnen, die wie wir der Meinung sind, dass es weder Krieg am Golf geben noch dass das Begehren eines kleinen Volkes nach Selbstbestimmung mit Panzern unterdrückt werden darf, hier Informationen zu den Aktivitäten der Friedens- und BürgerInnenrechtsbewegung finden können, die in nächster Zeit in Berlin und überregional stattfinden werden. Wir fordern deshalb alle BürgerInnen auf, uns über Anti-Kriegs-Aktivitäten, die ihnen bekannt sind, persönlich oder unter der Tel.-Nr. (...) (Ostberlin) zu Informieren, damit wir sie hier koordinieren können.
Wir hoffen, dass die Vernunft über die Barbarei siegt und dass wir unsere eigentliche Arbeit vor Ort aufnehmen bzw. weiterführen können, z. B.: die erste Gesamtberliner Arbeitsgruppe "KAIN ZWANG, AG gegen Wehrpflicht, Militär und Zwangsdienste" im NEUN FORUM!
Michael Baehr
Eckhard Häusgen
PODIUM – die Seite der und für die BügerInnen-Bewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Nr. 13, Mi. 16.01.1991