Wir veröffentlichen heute erstmals einen zugesandten Beitrag von Mitgliedern des Neuen Forum in Halle

Mocambiquaner - black and white in GDR

Im Lied heißt es "black and white werden ändern die Welt...". Wir haben Mocambiquaner bei uns. Wir wollen dem afrikanischen Land helfen und so ein Stück dazu beitragen, die Welt zu verändern. Tut das die DDR, tut das die Regierung Mocambiques, wenn sie zur Zeit insgesamt 14 000 junge Mocambiquaner unter der Losung "Lernen und arbeiten" in Betrieben der DDR einsetzt? Zumindest erscheint es uns fraglich, dass dieses Ziel effektiv und im Sinne der Humanität, Solidarität und Völkerverständigung angesteuert wird. Zweifel daran kamen auf, als wir am 4. Januar das Mocambiquaner-Internat "Am Sommerbad" des Waggonbau Ammendorf besuchten. Dort leben in drei noch unfertigen, in eine Ödland-Wüste gestellten Typen-Neubauten 308 Afrikaner. 27 Mocambiquanerinnen arbeiten und leben getrennt in der Textilreinigung Ammendorf, abgeschieden von der übrigen Stadt. Die Dezentralisierung fand statt, nachdem lärmempfindliche Bürger aus der Silberhöhe per Staatsratseingaben die "Absiedlung" der Mocambiquaner verlangt hatten.

Vier Jahre mindestens verbringen diese Jungen und Mädchen aus Afrika bei uns, werden in Betrieben in einer Mischung von Arbeitern und Lehrlingen beschäftigt, um den Abschluss eines Fach- bzw. Teilfacharbeiters zu erlangen. Dann fliegen sie wieder nach Hause, wenn ihr Vertrag nicht um weitere vier Jahre verlängert wird. Zwei Jahre Verlängerung sind dann später noch einmal möglich, neuerdings können sie sogar unbegrenzt verlängern.

Was bringt das ihnen? Sie müssen in dieser Zeit nicht in einem Land leben, dessen Alltag noch immer von einem mörderischen Bandenkrieg gekennzeichnet ist. Zum anderen haben sie materielle Vorteile: ihren Verdienst, der zwischen 650 und 1 200 Mark liegt, können sie in Waren umsetzen, die sie bis zu einem Gesamtwert von 20 000 Mark bei der Rückkehr in die Heimat mitnehmen können. Allerdings müssen die Einkommen ab 350 Mark zu 40 Prozent auf ein Heimatkonto transferiert werden. Dadurch wird wegen der hohen mocambiquanischen Inflationsrate das hier verdiente Geld enorm abgewertet. Das macht den Vorteil nun auch nicht mehr so vorteilhaft. Darüber hinaus ist ihre Situation in der DDR nicht beneidenswert. Sie führen in der übergroßen Mehrheit ein isoliertes Lagerleben in der Fremde, kaum akzeptiert von ihren deutschen "Gönnern" und Mitmenschen, am Rande der Stadt, am Rande der Gesellschaft. Sie kommen schlecht vorbereitet in unser Land, kaum einer weiß, was ihn beruflich und lebenspraktisch hier erwartet, wenn er vielleicht gerade aus der Armee entlassen auf dem Flughafen Schönefeld an seine zukünftigen Gruppenleiter "verteilt" wird, die ihn in irgendeine Stadt, in irgendeinen Betrieb bringen werden. Drei Monate "Intensiv-Kurs" sollen Sprache und Kenntnisse des Landes und der bevorstehenden Berufsausbildung vermitteln, fehlende schulische Vorbildung nachliefern und damit alle Voraussetzungen schaffen, dass der anschließende Einsatz in den deutschen Arbeitskollektiven "reibungslos" erfolgen kann. Reibungslos läuft dann natürlich nichts. Bei manchem geht es doch ganz gut, bei anderen aber hören die Anpassungsprobleme nie auf. In manchen Brigaden gibt es viel Verständnis und Hilfsbereitschaft, andere Kollektive verleiern die Augen, wenn sie ihre zugestellten "Schwarzen" sehen. Insgesamt sieht man im "Moci" einen "unberechenbaren Faktor" - der kann schon mal in der Kantine am Rand stehen oder sitzen, wenn er nicht den "Stammplatz" eines deutschen Kollegen besetzt. Nein - Rassismus ist das sicher nicht, eher eine von den Verhältnissen vorgezeichnete, fixierte Distanz zum "Fremden". Na klar, manche "Mocis" sind auch faul, verspielt, reizbar, unvernünftig, manchmal ein bisschen theatralisch, viele sind aber eifrig, willig, nett und bescheiden. Bei Deutschen soll es ja mitunter auch gewisse Charakterunterschiede geben! Bei den Mocambiquanern scheinen die "schwarzen Schafe", die schwärzesten der Schafe, also die Deutschen leicht zum schwarzen Gesamturteil über die ganze "exotische Truppe" zu verleiten. Dies gilt nicht für die Einschätzung im Betrieb, wo sie dann nur für Hilfsarbeiten und Gelegenheitsbeschäftigungen eingesetzt werden, sondern auch für die Freizeit. Der Jugendklub "um die Ecke" (vom Internat 20 Minuten Fußweg) lässt jetzt keine "Mocis" mehr rein, weil neulich einer von denen (es war ein Gast aus Wernigerode) betrunken randaliert hat. Andere Klubs verlangen: Mocis kommen nur rein, wenn sie eine Freundin mithaben, sonst gibt es die lästige "Anmache" deutscher Mädchen. Viele Gaststätten verfahren wegen "schlechter Erfahrungen" nach dem Motto: "Nicht für Mocis!". Natürlich heißt das nicht so, sondern: "Alles reserviert!". Nein, Rassismus ist das nicht . . .

Vielleicht kann man manches durchaus verstehen: 300 junge Männer, ihrer "Mentalität" entsprechend die meisten temperamentvoll, südlich ungezwungen "natürlich", spontan - dauernd unter sich, interniert.

300 Deutsche in dieser Lage - denken wir nur an den Lebensstil bei der NVA! - würden die nicht auch gewisse Freiheit-Gewohnheiten annehmen? Trinken zum Beispiel. Und das Bedürfnis nach Sex? Was bleibt dem "Moci" eigentlich übrig? Er könnte anfangen zu trinken und sich irgendwann bei einem scharfen Schmuddelkind den Tripper holen. Aber so darf man das nicht sagen, viele wissen nämlich, wo und wie, sie leben müssen, z.B. meidet man den Schnaps und geht nach sexuellen Kontakten flugs vorsorglich zum Hautarzt.

Dieser Artikel ist ein sehr subjektiver - wir sehen ein Problem aus unserer Sicht. Wir sind dafür, dem Land Mocambique und den Mocambiquanern in der DDR so gut zu helfen, wie es uns möglich ist. Am 24. Februar 1979 hat die DDR mit Mocambique ein Regierungsabkommen getroffen, in dessen Folge die jetzt hier lebenden Afrikaner, in letzter Zeit in steigender Zahl, zu uns kamen. Günter Mittag und seine Crew haben manchen Karren in den Dreck gefahren. Auf diesem speziellen Karren der SED-Entwicklungshilfe sitzen nun die 14 000 jungen Afrikaner, die für Jahre unsere Gewerkschaftskollegen, unsere Nachbarn, unsere Mitbürger sind. Ihre Probleme sind unsere Probleme. Die werden wir weder vertagen noch verschicken können, auch wenn mancher von den Mocambiquanern lieber morgen als übermorgen wieder zu Hause sein möchte. Es gibt Deutsche in der DDR, die schmeißen nicht nur mit Steinen nach den Internatsfenstern, es gibt "Nigger-Beschimpfungen" und Prügel für sie, den "gerechten" Volkszorn. Wir finden: wir sind das Volk und unsere "Mocis" mit! Machen wir uns gemeinsam Gedanken!

Peter Jeschke,
Katrin Eigenfeld,
Neues Forum

aus: Bahn frei, 4, 1. Februar 1990; 40. Jahrgang, Herausgeber: Leitung des VEB Waggonbau Ammendorf

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