Unsere Landwirtschaft zum Sterben verurteilt?

Lübzer Bauern: Regierungen in Bonn und Berlin sollen ihre Versprechungen einhalten!

Was man uns Bauern in diesen Tagen und Wochen antut, ist in der bisherigen Geschichte einmalig. Die dafür verantwortlichen Regierungen in Bonn und Berlin, die zu recht auf die ungerechtfertigte Enteignung sehr vieler Bauern nach 1945 verweisen, bereiten Kraft gesetzlicher Rahmenbedingungen die physische und psychische Vernichtung der gesamten Bauernschaft in der Noch DDR vor.

Die seit Wochen angekündigten Förderungsmittel fließen nicht oder völlig unzureichend, der Absatz in der Tendenz steigend erfolgt zum Teil ohne Bezahlung oder erheblich unter den EG-Preisen.

Die Bereitschaft zur Auszeichnung notwendiger Überlebenskredite von dringenden Investkrediten ganz zu schweigen, ist bei den Banken wegen fehlender Garantien bzw. Burgschaften durch den Staat nicht vorhanden.

Ist das alles gewollt? Sind hier rein politische wahlpropagandistische Ziele und Absichten mit im Spiel?

Wir Bauern haben doch akzeptable Konzepte und viele brauchbare Ideen, um von der einstigen starren Planwirtschaft in die freie Marktwirtschaft zu gelangen, ohne alles vorher bis auf die Fundamente zu zerstören.

Ernstzunehmende Agrarexperten aus der BRD und anderen EG-Ländern räumen uns bei einer Anpassungszeit von 3-5 Jahren auf Grund der günstigen Strukturen große Chancen im Wettbewerb auf dem Agrarmarkt der EG ein.

Leider gewährt man uns diese Chance bisher nicht, im Gegenteil, alles bisherige sind mehr Sterbehilfen als echte Unterstützung. Dabei stehen nicht nur die nach dem § 1 des GG von 1989 umgebildeten künftigen Produktionsgenossenschaften auf dem Spiel, sondern aus heutiger Sicht alle sich bildenden landwirtschaftlichen Unternehmen, auch die wiedererstehenden Bauernwirtschaften.

In den letzten Tagen und Wochen machten die Bauern überall in unserem Land zunehmend auf ihre schlimme Situation aufmerksam. Wir geben uns nicht kampflos auf, wissen uns dabei solidarisch mit unseren Berufskollegen in der BRD und nutzen gern die vielseitig dargebotene Unterstützung.

Das gemeinsame verabschiedete Notstandsprogramm ist bis heute nicht erfüllt.

Unser Sonderverbandstag des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes der DDR am 26. 7. 1990 in Meißen hat einen letzten Appell mit klaren Überlebensforderungen an die Adresse beider Regierungen verabschiedet.

Viel steht auf dem Spiel! Ganze ländliche Regionen, ja Länder sind strukturell gefährdet. Unsere Interessen sind die Interessen der Bauern des ganzen Landes, und deshalb werden wir uns geschlossen und wirksam an den flächendeckenden Kampfmaßnahmen ab dem 15. 8. 1990 betätigen.

Landwirtschaftlicher
Genossenschaftsverband Lübz
Mecklenburg/Vorpommern

Deutsches Landblatt, Fr. 10.08.1990

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