Für März peilen wir erst einmal einen Vertrag an

Kollegen des Zentralvorstandes der IG Druck und Papier im gewerkschaftlichen Dachverband FDGB waren vorige Woche beim Geschäftsführenden Hauptvorstand der IG Medien des DGB in Stuttgart. Noch Abschuss der Verhandlungen sprach "Tribüne" mit den Vorsitzenden dieser Industriegewerkschaften, Werner Peplowski und Erwin Ferlemann

• Was war der Anlass dieses Treffens?

Erwin Ferlemann: Gespräche von Vertretern beider Vorstände zu den normalen Kontakten der IG. Diesmal kamen wir auf ausdrücklichen Wunsch der DDR-Kollegen zusammen, um unsere Standpunkte über weitere Schritte der Zusammenarbeit und eines allmählichen Zusammenwachsens der IG hüben und drüben auszutauschen.

Werner Peplowski: Die atemberaubende Entwicklung zu Hause zwingt uns, schnellstens zweckmäßige Formen gemeinsamer Interessenvertretung abzustecken bis hin zur Fusion der Organisationen.

• Was wurde erreicht?

Werner Peplowski: Eine Fusion natürlich noch nicht. Das entscheiden ausschließlich die Mitglieder hier und bei uns. Beispielsweise in Urabstimmungen. Einigung erreichten wir, Anfang März zu unserer außerordentlichen Zentraldelegiertenkonferenz einen Kooperationsvertrag zu unterzeichnen. Die IG Medien hilft uns u. a. mit ihren Erfahrungen in der Schulungs- und Bildungsarbeit. Dazu haben wir engere Bindungen ihrer Landesvorstände zu unseren festgelegt, die der kommenden Länderstruktur in der DDR Rechnung tragen.

Erwin Ferlemann: Wir eröffnen eine Kontaktstelle in Ost-Berlin. Dort liegen dann auch Fragenkataloge und Modelle für eine Selbstverwaltung der Betriebe aus. Bei Arbeitskämpfen wollen wir uns gegenseitig unterstützen, an der Kommissionsarbeit sowie an solidarischen Aktionen teilnehmen.

• Die Strukturen beider IG sind unterschiedlich. Auf welcher Seite sind Korrekturen, notwendig?

Erwin Ferlemann: Bei allen Veränderungen und Zersplitterungen von Gewerkschaften in der DDR ist die IG Druck und Papier eine der relativ beständigen. Jetzt sollte dort schnell auf eine Erweiterung zur IG Medien hingearbeitet werden, um annähernd gleiche Interessengruppen zu vertreten wie wir.

Werner Peplowski: Verhandlungen mit dem Verband der Journalisten der DDR und der Gewerkschaft Kunst für einen Zusammenschluss laufen. Ein nicht unproblematischer Prozess. der in der BRD übrigens 14 Jahre brauchte. Die Zeit heben wir nicht. Das Kapital hält Einzug bei uns. Eile ist also geboten. Bestrebungen des Abdriftens in Splitterorganisationen aber mindern gewerkschaftliche Kampfkraft. So eindeutig muss ich das sagen.

• Was wird mit den Mitgliedern in den Betrieben der Verpackungs-, Zellstoff- und Papierindustrie?

Werner Peplowski: Wir bleiben der Interessenvertreter der Kolleginnen und Kollegen dieser Industriezweige. Gerade für sie fordern wir von dieser und jeder anderen Regierung zukunftssichere, für Mensch und Umwelt verträgliche Arbeitsplätze.

• Wird es nun einen schrittweisen Zusammenschluss oder ein Einverleiben der IG Druck und Papier durch die IG Medien im DGB geben?

Erwin Ferlemann: Weder ein Okkupieren noch ein bloßes Anschlussverfahren wird es geben. Nennen wir es verzahnen. Im Gegensatz zu Politikern der BRD bestehen wir nach wie vor auf dem Selbstbestimmungsrecht der Kollegen in der DDR. Sie haben zu entscheiden, ob sie mit uns zusammenkommen wollen oder nicht. Unsere Hilfe bedeutet Erfahrungsvermittlung bis in die Betriebe. Also Bestärkung der Selbstbestimmung, nicht aber Entmündigung, damit sie eines Tages kompromisslos mit fliegenden Fahnen in die IG Medien der BRD kommen und die eigenen Rechte vergessen. Die drüben haben doch etwas einzubringen.

• In den Verhandlungen war von einem Frühwarnsystem die Rede. Was ist darunter zu verstehen?

Werner Peplowski: Wir müssen geeignete Formen der Information für die BGL finden, damit Kontakte von BRD-Firmen zu unseren Betrieben nicht unbemerkt an ihnen vorbeigehen. Unser Vorstand organisiert dann eine verstärkte Beratung durch Fachleute der IG Medien für die zweckmäßigsten Schritte in der Interessenvertretung. Der Wind weht härter in den Betrieben, Verlagen und Redaktionen. Den kann unsere lG sicher nicht abwenden, doch mit sachkundigem und hartnäckigem gewerkschaftlichen Einsatz mindern.

Manfred Kofferschläger

Tribüne, Mo. 19.02.1990

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