Runder TischVorlage Nr. 12/29

12. Sitzung
12. Februar 1990

 

Freies Forschungskollegium "Selbstorganisation"
für Wissenskatalyse an Knotenpunkten

Mitglieder des Gründungsvereins: Gerd Gebhardt 1, Matthias Artzt 2, Rainer Schönfelder 3, Wolfgang Ullmann 4, Janos Wolf 5, Hans Blüher 6, Hans Lehmann 7

Potsdam, den 11.02.1990
Tel. (...)

Beauftragt: Dr. Gerd Gebhardt (...)

An den
Ministerpräsidenten der DDR,
Herrn Dr. Hans Modrow

und an
die Vertreter am "Runden Tisch" der DDR
B E R L I N

Vorschlag der umgehenden Bildung einer "Treuhandgesellschaft (Holding) zur Wahrung der Anteilsrechte der Bürger mit DDR-Staatsbürgerschaft am "Volkseigentum" der DDR"


Offenbar ist statt einer deutschen Fusionslösung eine baldige Angliederung der DDR an die Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich geworden. Damit 40 so schrecklich fehlgeleitete Lebensjahre voller Arbeit und Mühen für die Bürger der DDR nicht gänzlich ergebnislos bleiben, wird der o.g. Vorschlag unterbreitet. Durch die sofortige Schaffung der o.g. Kapital-Holding-Treuhandgesellschaft als neues Rechts-Subjekt würde dafür Sorge getragen werden, dass das in Volksbesitz befindliche Eigentum - soweit es sich als demokratisch legitimiert bzw. durch Kriegsergebnisse zustandegekommen erweisen wird - in der DDR nicht herrenlos wird und einfach verloren geht (an wen mit welcher Berechtigung?)

Die Verlustgefahr resultiert daraus, dass die Rechtskonstruktion "Volkseigentum" nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, dessen Geltungsbereich ja vermutlich auf das Territorium der DDR ausgedehnt werden wird, enthalten ist.

Deshalb muss umgehend das Volkseigentum in eine Form transformiert werden, die den Rechts- und Eigentumsformen der Bundesrepublik entspricht.

Als erste Handlung müsste diese Holding-Gesellschaft gleichwertige Anteilsscheine im Sinne von Kapitalteilhaber-Urkunden an alle DDR-Bürger emittieren. Ausgabe-Stichtag sollte der 18.3.1990 sein, um die Legitimitäts-Kontinuität aus der Vergangenheit in die Zukunft zu gewährleisten.

Die Rechtskonstruktion sollte sich am Modell der Nachlassverwaltung eines Erblassers zugunsten der legitimen Erbberechtigten orientieren und sollte bewusst an dementsprechende Rechtssätze des bürgerlichen Gesetzbuches der Bundesrepublik angepasst werden.

Die Entscheidungsbefugnis zur Verwendung dieses Grundkapitals (zum Beispiel hinsichtlich der ordnungs- und ökologiepolitischen Kardinalfrage des Eigentums an volkseigenem Grund und Boden oder die Verkäuflichkeit sowie die spätere Gewinnausschüttung betreffend) dürfte nur demokratisch durch die Bürger der DDR bestimmt worden.

Das heißt, dass die Kompetenzen und Aufgaben definierende Statut dieser Treuhandgesellschaft müsste durch die neu gewählte Volkskammer (solange es diese gibt) oder später durch Volksentscheide der Bürger in den Ländern der ehemaligen DDR definiert werden.

Diese Treuhandgesellschaft hat zum Beispiel die Aufgabe, sicherzustellen, dass die Wertbestimmung jedes einzelnen, konkreten Volkseigentums wirklich frei über dein Markt erfolgt: eine Wertbestimmung insbesondere im Hinblick auf das qualifizierte und kultivierte Zukunftspotential des Standortes DDR im Herzen Europas an der Nahtstelle zu Osteuropa kann nur über die Nachtrage konkurrierender Interessenten aus der Wirtschaft der ganzen Welt zustandekommen. Dabei ist nicht in erster Linie an Verkauf zu denken, sondern daran, dass bei Joint Ventures die Interessenten über Konkurrenz dazu stimuliert worden, der DDR-Holding möglichst hohe Beteiligungsquoten an den Unternehmen einzuräumen.

Weiterhin wären In allen derartigen Unternehmen Aufsichtsräte zu bilden, in denen das DDR-Interesse auf geeignete Weise entsprechend der Beteiligungsquote repräsentiert wäre (natürlich auch entsprechende Gewinnbeteiligung!).

Schließlich wären die Modalitäten festzulegen, wie mittels der Kapitalbeteiligungsurkunden Wohnungen, Gebäude, Betriebsstätten für private oder genossenschaftliche Firmengründungen durch DDR-Bürger (Vorkaufsrecht?) erworben werden können.

Ferner sein empfohlen, die Holding als 15 gleichrangige, bezirksgebundene Rechtssubjekte zu gründen mit einem DDR Dachverband, so dass bei dessen Auflösung mit derjenigen der DDR, die Bezirks-Holdings zu Länder-Holdings fusionieren können, die dann den betreffenden Länderparlamenten rechenschaftspflichtig wären.

Im übrigen sollten hinsichtlich des Managements während der Installationsphase nur nachweislich erfolgreiche Führungspersönlichkeiten über ein Ausschreibungsverfahren aus der Wirtschafts- und Finanzwelt z. B. der Bundesrepublik (bei bester Vergütung) geworben werden. Keine Experimente mehr mit sachlicher Inkompetenz!.

Es steht zu erwarten, dass bei einem grundsätzlichen "ja" zu diesem Vorschlag sofort Kapitalanbieter Schlange stehen werden, dass dann der Wirtschaftsaufschwung sofort beginnt und übersiedlungswillige DDR-Bürger nicht leichtfertig diesen Vermögensanteil auf's Spiel setzen werden.

Die Stabilisierungswirkungen eines solchen Schrittes sind unbestreitbar.

Außerdem hätte die DDR endlich einen konstruktiven Beitrag zur Ausgestaltung der deutschen Rechts-, Währungs- und Wirtschaftsunion geleistet, ohne dass erkennbar wäre, dass irgend jemandem Nachteile entstünden. Nach der viel zu langen Phase der Konzeptionslosigkeit hätte sich die DDR dem Gesetz des Handelns gestellt!

Bei all dem hätten der Runde Tisch und die Regierung in keiner Weise ihre Verantwortungsgrenzen überschritten, da ja die Verantwortung über die zukünftige Verwendung des Volkseigentums an die künftigen, demokratisch legitimierten Parlamente übertragen werden würde.

Nur im Falle weiterer Unentschlossenheit entsteht berechtigt der nachweisliche Vorwurf, eine letztmögliche Vorsorge zugunsten der DDR-Bürger unterlassen zu haben.

Deshalb wird vorgeschlagen, einen Antrag zu stellen, darüber abstimmen zu lassen, ob eine entsprechende Gesetzesgrundlage - unter breitester Einbeziehung aller sachkompetenten Institutionen - an die Volkskammer mit kurzmöglicher Friststellung in Auftrag gegeben werden soll oder nicht!

 

1. Geschäftsführer Institutsbereich Potsdam.
Dipl.-Phys. (wissenschaftliche Gutachter für Umwelthygiene, Bezirks-Hygieneinspektion u. -institut Potsdam) und: Dr. phil.: Selbstorganisationsprinzipien und Evolutionsdynamik in Natur u. Gesellschaft, z.Z. Humboldt Universität Berlin (B-Aspirant). Adresse: (...)

2. Geschäftsführer Institutsbereich Berlin.
Dr.-Ing. (dissipative Strukturübergänge fernab vom Gleichgewicht) und z.Z. stud.-theol. am Sprachenkonvikt Berlin; Forschungsgegenstand: Selbstorganisationsprinzipien in der Ideen-, Kultur- und Sozialgeschichte. Adresse: (...)

3. Dipl.-Ing., Systemanalytiker: Abteilungsleiter Softwareentwicklung, Robotron Export-Import.
Adresse: (...)

4. Dr. theol., Historiker, Dozent am Sprachenkonvikt. Mitinitiator vom "Demokratie Jetzt", Teilnehmer an Runden Tisch.

5. Philosoph (Wissenschaftshistoriker): Strukturumbrüche in den Wissenschaften, Akad. d. Wissenschaften ITV

6. Diplomwirtschaftler (Gold und Kredit) amt. Direktor d. Verbandes d. Genossenschaftskassen der DDR

7. Kunsthistoriker (Gebiet: Stilpluralität und Kunstmarkt im 20. Jh.). Verband Bildender Künstler d. DDR, Berlin.


Der Antrag zur Errichtung einer Treuhandstelle zur Sicherung der Rechte der DDR-Bevölkerung am Gesamtbesitz des Landes wurde von Gerd Gebhardt auf der 12. Sitzung des Zentralen runden Tisches am 12.02.1990 vorgestellt.

Zur Prüfung wird die Vorlage an die Arbeitsgruppen "Recht", "Verfassung" und "Wirtschaft" mit Mehrheit überwiesen.

Auf der 14. Sitzung wird ein Vorschlag der Arbeitsgruppe "Recht" mit Zweidrittelmehrheit angenommen. Der Vorschlag fordert die Regierung und die Volkskammer auch dazu auf, den Vorschlag zur umgehenden Bildung einer "Treuhandgesellschaft (Holding) in die arbeit einzubeziehen.

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