14. Sitzung Mo. 26.02.1990


Themen

Kulturpolitik

Militärreform

Ökologie

Künftige Rechtsform volkseigener Betriebe

weitere Anträge

Information der Prioritätengruppe

Appell an alle Parteien und Vereinigungen, die sich zur Wahl stellen

Freistellung für das zu wählende Parlament


Nachfolgend Berichte aus dem Neuen Deutschland, der Berliner Zeitung und der Berliner Allgemeinen Zeitung


Auf die Obhutspflicht des Staates für Kultur und Kunst verweist ein Positionspapier des Runden Tisches, das er auf der gestrigen Vormittagssitzung verabschiedete. Am Nachmittag ging es um die Militärreform und um Antrage zur Ökologie.

Zustimmung gab es für Bärbel Bohley, als sie während der recht zähflüssigen Diskussion forderte, das Positionspapier schnell zu beschließen, damit das kulturell Bewahrenswerte der DDR auch in neuen gesellschaftlichen Strukturen erhalten werden kann.

Wenn das Positionspapier des Runden Tisches auch trotz zahlreicher Umformulierungen, Einfügungen und Ergänzungen durch ein gebündeltes Problempaket von keinem als vollkommen angesehen wurde, formuliert es doch für die Zukunft Wichtiges. Dazu zählt z.B. das Kulturpflichtgesetz. Es soll von einer Kommission aus Vertretern des Runden Tisches sowie gemeinnützigen Kultur- und Kunstvereinen sowie -verbänden erarbeitet werden. Es wird den Rahmen geben für ein Kulturfinanzierungsgesetz und die verwaltungsrechtliche Ausgestaltung des Verfassungsgrundsatzes über den freien Zugang zur Kultur bzw. zur Kunstausübung.

Kulturminister Dietmar Keller begrüßte diese Aussagen im Positionspapier. Er unterstrich, dass die durch die Wende ermöglichte, von politischer und ideologischer Bevormundung freie Kulturentwicklung nun nicht durch ökonomische Zwänge eingeschränkt werden dürfe. Der Runde Tisch bestätigte den Antrag, den Palast der Republik in ein staatlich subventioniertes Zentrum experimenteller und alternativer Kunst umzuwandeln.

Verteidigungsminister Theodor Hoffmann äußerte sich nach der Mittagspause zur Militärreform. In diesem Zusammenhang konstatierte er Auflösungerscheinungen in der NVA, die zur Instabilität der Lage im Lande beitragen. Er rief dazu auf, mitzuhelfen, diesem Prozess Einhalt zu gebieten. Zukunftsungewissheit und soziale Ängste prägten bei vielen Armeeangehörigen das Denken und Handeln. Es gehe nicht an, dass Soldaten im Grundwehrdienst wider Recht und Gesetz der Arbeitsplatz gekündigt werde.

Verantwortungsvollem Handeln von Armeeangehörigen sei es zu danken, wenn bisher Waffen und Technik - die eigenen sowie die vom Amt für Nationale Sicherheit, den Kampfgruppen und der GST übernommenen - nicht in unbefugte Hände geraten sind. Minister Hoffmann betonte, dass die Waffen nicht zu einem Risikopotential werden dürfen. Er kündigte an, dass bis Jahresende die Grenztruppen in einen Grenzschutz umgebildet und dem Innenministerium unterstellt werden sollen.

Die Vertreter des Runden Tisches stimmten Anträgen der PDS zu, nachdem bei der Regierung ein Amt für Abrüstung und Konversion gegründet werden soll, das weitere Abrüstungsschritte mit dem Ziel der Entmilitarisierung befördern soll sowie jegliche Form eines deutschen Bundesheeres - in einem Denkmodell des Ministeriums konzipiert - abgelehnt wird.

Der Runde Tisch wies Paragraph 17 des Entwurfes des Wehrdienstgesetzes zurück, nach dem es Soldaten nicht gestattet ist, Mitglied von politischen Parteien und Organisationen zu sein.

Neues Deutschland, Di. 27.02.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 49

Angesichts des sich in rasantem Tempo vollziehenden Annäherungsprozesses drangt auch am zentralen Runden Tisch die Zeit. Das wurde gestern auf der 14. Sitzung deutlich.

Spürbar war das Bemühen um Konsens, ohne die zahlreichen Vorlagen nochmals in Arbeitsgruppen zu behandeln und damit wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Dies klappte recht gut bei grundlegenden Positionen zu den Schwerpunktthemen Kultur und Militärreform. Einig waren sich die Vertreter der 16 beteiligten Parteien, politischen Vereinigungen und Organisationen darin, dass die besten kulturellen Werte bewahrt und in die neuen gesellschaftlichen Strukturen eingebracht werden müssen. Im Zusammenhang mit den Darlegungen von Verteidigungsminister Theodor Hoffmann zur Militärreform herrschte Übereinstimmung, alles für die weitere Friedenssicherung und die Auflösung der Militärblöcke zu tun.

Der Teufel lag wie so oft im Detail - im Bereich Kunst und Kultur beispielsweise bei der Finanzierung. Am Ende der Debatte gab es ein klares Votum für die als überlebenswichtig erachteten Subventionierungen. Vor allem Konrad Weiß, Demokratie Jetzt, machte sich aber für eine neue Herangehensweise, für mehr Privatinitiative stark. Ein Ersticken von Kunst und Kultur im Kommerz - so die einhellige Meinung - dürfe es jedoch nicht geben. Dem trug auch die Überlegung von DEFA-Regisseur Heiner Carow Rechnung, ein neues Kulturförderungsmodell zu erstellen, welches auch in ein künftig einheitliches Deutschland eingebracht werden könnte. Zu den konkreten Ergebnissen gehörten die Vorschläge zur Ausarbeitung eines Kulturpflichtgesetzes und zur Umwandlung des Palastes der Republik in ein Zentrum alternativer und experimenteller Kunstproduktion.

Recht kompliziert sah es mit weitergehenden Überlegungen zur Militärreform aus. Keine Mehrheit fand die Forderung nach sofortiger Abschaffung des Wehrdienstes. Als Erfolg muss die dann doch noch erreichte Einigung auf ein gemeinsames Positionspapier zur Militärreform angesehen werden, in dem Platz, Rolle. Auftrag und Entwicklung der NVA sowie Fragen und Probleme ihrer Angehörigen als Bestandteil des demokratischen Prozesses in der DDR gewertet werden.

Berliner Zeitung, Di. 27.02.1990, Jahrgang 46, Ausgabe 49

Berlin (BA). Über Fragen der Kultur beriet gestern der Runde Tisch in Berlin. Das in den 40 Jahren DDR auf diesem Gebiet im guten Sinne Erreichte zu bewahren darin waren sich alle Beteiligten einig.

Wege und Möglichkeiten des Bewahrens kultureller Leistungen zeigte ein von der NDPD gemeinsam mit dem Unabhängigen Frauenverband vorgelegtes Positionspapier an, das von weiteren Gruppierungen mitgetragen wird.

Die Forderungen an den Staat nach einem Kulturpflichtgesetz mit der notwendigen Schaffung der strukturellen und materiellen Voraussetzungen für die freie Entfaltung des Individuums sind damit logisch verbunden. Ob es jedoch in absehbarer Zeit möglich sein wird, mit Hilfe eines Kulturfinanzierungsgesetzes den Mangel zu beherrschen, konnte selbst der Minister für Kultur, Dietmar Keller, nicht bestätigen. Er war verbalen Attacken ausgesetzt.

Sein Ministerium habe keinen Einfluss auf die Verwendung der Mittel in den Bezirken nehmen können, war eines der Argumente des Ministers. Das allerdings wollten die Teilnehmer des Runden Tisches so nicht hinnehmen. Die Grüne Partei forderte eine sachliche und personelle Bestandsanalyse der kultureller Infrastruktur, andere schnelle Wege zur Schadensbegrenzung in dem mittlerweile drastischen Abbau auf kulturellem Gebiet.

Auch wenn sich fast alle Vertreter einig waren, dass in Zukunft die Kulturpolitik in die Verantwortung der Länder übergehen wird, so muss es zumindest in der Übergangsphase eine Verteidigung des verfassungsrechtlichen Status der Kultur unter einem Schutzdach geben.

Wenn es allerdings Parteien und Gruppierungen, in der Vergangenheit entstanden, gibt, die alles kurzerhand wegwischen wollen, so werden wir morgen mit leeren Händen dastehen. In dieser Meinung sah sich Frau Bohley vom Neuen Forum einig mit den Vertretern der Initiative für Frieden und Menschenrechte und des Unabhängigen Frauenverbandes. Jetzt sei die letzte Möglichkeit, eine Kulturkommission zu bilden, die den Erhalt kultureller Werte zum Ziel haben soll.

Dr. Stief (NDPD) entwickelte die Vorstellung, dass mit der notwendigen Entstaatlichung der Kultur auch die Verpflichtung der Kommunen zu Kulturentwicklungsplänen als Bestandteil ihrer Selbstverwaltung einhergehen muss. Das kann jedoch nicht die gänzliche Abschaffung zentraler Aufgaben bei der Förderung der Nationalkultur, des auswärtigen Kulturaustausches und nationaler Projekte bedeuten.

Im Grundsätzlichen waren sich alle Vertreter einig, dass so schnell wie möglich gehandelt werden müsse, um den Ausverkauf der DDR-Kultur zu stoppen. Die Frage des Denkmalschutzes darf dabei eben sowenig vernachlässigt werden wie der Anteil der sorbischen Kultur. Die Streichung kommunaler und betrieblicher Kulturfonds muss genauso beachtet werden wie die derzeitige Tendenz zur totalen Kommerzialisierung.

Ob die nach dem 18. März regierenden Politiker sich noch an irre heutigen Aussagen erinnern werden, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Immerhin konnte dem vorgelegten Positionspapier eine breite Zustimmung nicht versagt bleiben.

Karl Heinz Schäfer vom Schutzverband der deutschen Künstler verriet dem Berichterstatter: "Neu wäre, wenn das Alte Wahrheit würde." Gemeint ist der Anspruch, den die DDR 40 Jahre lang vertrat, ohne ihn zu verwirklichen.

Im weiteren Verlauf stand die Militärreform in der DDR zur Debatte. Es wurde ein von der NDPD eingebrachtes Papier "Positionen des Runden Tisches zur Militärreform in der DDR" behandelt.
Es berichtet RALF NACHTMANN

Berliner Allgemeine, Di. 27.02.1990

Die Initiativgruppe der Berliner Kulturschaffenden fordert, jede Nutzung, Vergabe oder Veräußerung des Palastes der Republik in Berlin und vergleichbare Einrichtungen in anderen Städten für kommerzielle oder repräsentative Zwecke zu unterlassen.

Mit großer Mehrheit wird der Antrag angenommen.

Der Palast der Republik in Berlin war direkt dem Ministerrat unterstellt.

Einstimmig wird Antrag an die Regierung, ein "Haus der Begegnung" - kulturelles Zentrum für geistig behinderte Menschen und Andere in Berlin und anderen Städten zu realisieren, angenommen.

Demokratie Jetzt schlägt vor, eine Arbeitsgruppe "Wissenschaft" ins Leben zu rufen.

Die Prioritätengruppe hatte die Bildung einer AG "Wissenschaft" abgelehnt.

Mit großer Mehrheit wird der Antrag einen "Runden Tisch der Wissenschaften", anstatt eine AG "Wissenschaft" zu bilden, angenommen.

Der Antrag an die Regierung, zur Freistellung der Kandidatinnen und Kandidaten für das am 18.03.1990 zu wählendes Parlament von ihrer bisherigen Tätigkeit, wird einstimmig angenommen.

Der Antrag ab sofort zweimal wöchentlich zu tagen wird mit Mehrheit abgelehnt.

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