Erklärung des Neuen Forum

Information 11/5

Der vorgezogene Wahltermin für die Volkskammerwahlen zum 18. März ist kein gemeinsamer Beschluss der Vereinigungen und Parteien des Runden Tisches.

Das NEUE FORUM hat in den Verhandlungen mit Ministerpräsident Modrow seine Bereitschaft erklärt, Regierungsverantwortung bis zum 6. Mai [bisheriger Termin für die Volkskammerwahl] in konkreten Bereichen (Justizministerium, Wirtschaftsministerium, Innenministerium, Energieministerium) zu übernehmen.

Wir hatten Vorstellungen über politische und wirtschaftliche Ziele dieser Regierung zu den folgenden Themen vorbereitet:

- innere Sicherheit

- Außenpolitik

- Schritte zur Annäherung beider deutscher Staaten

- Wirtschaft

- Stabilisierung der kommunalen Ebene

- soziale Fragen.

Die Weigerung der SPD, konkrete Verantwortung durch Regierungsbeteiligung zu übernehmen und die darauf folgende Erklärung der CDU, sich dann auch nicht an der Regierung zu beteiligen, führte zu der Entscheidung von Ministerpräsident Modrow, die Wahlen vorzuverlegen.

Das NEUE FORUM hielt seine Bereitschaft zur Übernahme von Regierungsverantwortung trotzdem aufrecht. Über dieses Angebot und die damit zusammenhängenden Fragen verweigerte die Regierung jedes weitere Gespräch.

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die Entscheidung über das Vorziehen des Wahltermins bereits vor Beginn der Verhandlungen gefallen war. Hiermit protestieren wir gegen dieses wahltaktische Manöver mit dem die etablierten Parteien und die von BRD-Parteien im Wahlkampf unterstützten Organisationen bevorteilt werden.

Nach Auffassung des NEUEN FORUM muss sich der Demokratisierungsprozess von unten nach oben entwickeln. Deshalb treten wir für die Durchführung von Kommunalwahlen noch vor der Volkskammerwahl ein. Wir fordern die Volkskammer auf, den Wahltermin nicht zu bestätigen.

 

Antrag des Neuen Forum zur Änderung des Wahltermins

Vorlage 11/5

Angesichts der Tatsache, dass durch die friedliche Revolution erstmalig in der DDR eine freie, geheime und unmittelbare Wahl der Volkskammer möglich geworden ist, beschließt der Runde Tisch, diese Wahl, wie ursprünglich vereinbart, am 6. Mai durchzuführen.

Begründung:

Bei dem jetzt in Umlauf gesetzten Wahltermin 18. März 1990 handelt es sich nicht um eine einverständliche Übereinkunft der an der Wahl teilnehmenden Parteien und politischen Vereinigungen, sondern um eine völlig einseitige und unbegründete Entscheidung.

Der vorgezogene Wahltermin schränkt das zur Diskussion gestellte Wahlgesetz, das aufgrund der geringen Zeit ohnehin einen umstrittenen Wahlmodus vorsieht, von Anfang an ein und gefährdet eine gleichberechtigte und faire Auseinandersetzung der zur Wahl stehenden politischen Kräfte und Programme.

Die Bürgerlinnen der DDR haben in Anbetracht der geringen Vorbereitungszeit nicht genügend Gelegenheit, sich ein reelles Urteil über die zur Wahl antretenden Parteien/ politischen Vereinigungen sowie deren Kandidaten zu bilden.

Mit dem Eintritt der Opposition in die Regierung und der heute zeitgleich stattfindenden Bildung einer Regierung der Nationalen Verantwortung wird eine vorläufige Stabilisierung der Verhältnisse erreicht, die eine gründliche Vorbereitung einer wirklich demokratischen Wahl am 6. Mai 1990 gestattet.


11. Sitzung des Runden Tisches am 05.02.1990
Dem Antrag, Vorlage 11/5, von Reinhard Schult verlesen, wurde eine Erklärung vorangestellt, die von Ingrid Köppe verlesen wurde.
Die Abstimmung ergab 7 Ja-, 22 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. Das Hauptargument gegen den Antrag war, ein verschieben des Wahltermins vom ursprünglich 6. Mai auf den 18. März und wieder zurück auf den 6. Mai vergrößere die Verunsicherung.


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