F.D.P. tritt für liberale Politik im Parlament ein

BZ-Gespräch mit dem Parteivorsitzenden Dr. Bruno Menzel

Die Freie Demokratische Partei konstituierte sich im Januar mit Blick auf die FDP in der Bundesrepublik. In ihrem Gründungsauftrag hatte sie sich als politische Kraft der Mitte zu freiheitlich demokratischen Traditionen bekannt. Im Februar schlössen sich F.D.P., LDP und DFP zum Bund Freier Demokraten zusammen. Über Ziele und Grundsätze liberaler Politik in der DDR sprach BZ mit dem Parteivorsitzenden Dr. Bruno Menzel (58 Jahre, Arzt, verheiratet, 2 Kinder).

BZ: Die F.D.P. strebt eine ideologiefreie moderne Politik an. Wie ist das zu realisieren, worin sieht die Partei ihre besondere Verantwortung?

Dr. Menzel: Wir wollen dafür sorgen, dass im kommenden freigewählten Parlament liberale Politik zum Tragen kommt. Die beste Ideologie läuft Gefahr, Selbstzweck zu werden. Wir haben 40 Jahre erlebt, wie der Mensch der Ideologie dienen musste. Das darf sich nicht wiederholen.

Unser Ziel ist, Freiräume für das Individuum zu schaffen, eine Politik für den Menschen zu machen. Der Mensch muss endlich Mittelpunkt der Politik sein, die Möglichkeit haben, sich so frei wie irgend möglich zu entfalten. Natürlich nur in dem Rahmen, in dem er die Freiräume anderer nicht bedrängt, eingebunden in soziale, gesellschaftliche Verantwortung.

Staatliche Eingriffe müssen nach unserer Meinung auf ein Mindestmaß begrenzt und ökonomische Voraussetzungen für die Verwirklichung des Menschen geschaffen werden. Das gewährleistet die soziale, ökologisch gebundene Marktwirtschaft am besten.

BZ: Vorausgesetzt, die Liberalen erreichen eine Regierungsbeteiligung - welche konkreten Schritte wollen sie in Richtung Marktwirtschaft gehen?

Dr. Menzel: Zunächst müssen die gesetzlichen Bedingungen so geändert werden, dass freie Marktwirtschaft einziehen kann. Wir brauchen ein florierendes Handwerk, kleine und mittlere Betriebe, die Rückführung unrechtmäßig enteigneter Betriebe in die alten Eigentumsverhältnisse, die Schaffung von Kapitalbeteiligungen, Aktienmärkten usw. Das muss mit Blick auf die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik nach den Wahlen so schnell wie möglich geschehen. Nur so können wirtschaftliche Impulse greifen und den Menschen andere Ziele und Motive geben, als es jetzt der Fall ist.

BZ: Schnelles Handeln ist ohne Frage dringlich. Aber lassen sich damit ebenso schnell alle Probleme lösen?

Dr. Menzel: Niemand sollte auf eine gezielte Politik der Angst jener hereinfallen, die unser Land heruntergewirtschaftet haben, sondern auf verantwortungsvolle parlamentarische Arbeit im Interesse der Menschen vertrauen. Unsere Botschaft muss klar sein. Die Entfaltung aller Möglichkeiten der Marktwirtschaft wirkt unmittelbar regulierend auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Das schafft die Bedingungen, dass jeder Bürger seinen Platz in der Gesellschaft finden und ausfüllen kann. Gleichzeitig garantiert eine starke Marktwirtschaft, dass niemand zurückbleibt.

Als wichtigen Schritt betrachten wir den Abbau mit der Zuckerdose gestreuter Subventionen. Statt dessen brauchen wir gezielte, personengebundene Subventionen, wie Kinder- oder Wohngeld.

BZ: Wie denkt sich die F.D.P. eine Sicherstellung sozial gefährdeter Bevölkerungsgruppen?

Dr. Menzel: Für die soziale Sicherung sehen wir zwei Komponenten. Die erste - der einzelne hat die Möglichkeit, entsprechend seiner Stellung in der Gesellschaft persönliche Vorsorge zu treffen. Es gibt aber Situationen, wo dies nicht ausreicht. Hier greift die zweite Komponente - der Staat. Er garantiert die Absicherung bei unverschuldetem Notstand, für Kranke und Behinderte, für Arbeitslose. Zugleich halten wir die Dynamisierung der Renten für notwendig. Das alles gelingt um so besser, je besser die Wirtschaft funktioniert. Übrigens sollten wir dabei den Blick nicht immer nur auf die Bundesrepublik richten auch Japan hat Beachtliches erreicht. Unter liberaler Führung.

BZ: Die Vereinigung beider deutscher Staaten beherrscht die Tagesordnung. Mit welchen Prämissen geht die F.D.P. darauf zu?

Dr. Menzel: Wir wollen Vereinigung nicht im Sinne der Allianz. Das ist unser klarer Standpunkt von Anbeginn. Wir wollen zwar die Einheit Deutschlands so schnell wie möglich, aber unverzichtbar bleibt, dass bei diesem Prozess niemand Schaden nimmt. Es ist auf diesem Wege eine Reihe von Fragen zu klären, entstanden auch in 40 Jahren unterschiedlicher Entwicklung. Das betrifft u. a. Wohnrecht und Mieten, Grundstücke und Liegenschaften, unterschiedliche Rechtspositionen.

Wir gehen zwar davon aus, dass das Grundgesetz die derzeit freiheitlichste Ordnung repräsentiert, aber es blickt auf einige Jahrzehnte zurück und ist verbesserungsbedürftig. Auch durch Erfahrungen der DDR. Ein weiterer Aspekt - die Vereinigung bedarf eines Willensaktes der Bevölkerung beider Länder.

BZ: Das Bündnis der Liberalen soll nicht nur Zweckverband zu den Wahlen sein, sondern es ist bestimmt von der Idee einer großen liberalen Partei in ganz Deutschland.

Dr. Menzel: Diese Idee trage ich mit. Wenn wir schon angetreten sind, ein einheitliches Deutschland zu schaffen, dann liegt eben die Zukunft der Liberalen nur in einer einheitlichen Partei. Ich sehe keinen Hinderungsgrund, der uns veranlassen könnte, mit der Bildung einer einheitlichen Partei zu warten, bis die staatliche Einheit erreicht ist.

BZ: Konnte das nicht durch Querelen, wie es sie unlängst zwischen den F.D.P.-Landesverbänden gab, zumindest erschwert werden?

Dr. Menzel: Diese Unstimmigkeiten sind normal, wenn Sie an die Kürze der Zeit denken, in der wir uns etablieren mussten. Vieles war den sich überstürzenden Ereignissen in unserem Land geschuldet. So mancher traute der LDP keine Erneuerung zu. Es musste erst die Erkenntnis reifen, wenn man eine neue, demokratische Gesellschaft errichten will, darf man nicht im Zorn nach hinten schauen. Diese Erkenntnis hat sich jetzt durchgesetzt. Der Bund Freier Demokraten wird von allen getragen. Das bietet die Gewähr für eine geschlossene liberale Politik nach den Wahlen.

Das Gespräch führte
Bettina Urbanski

aus: Berliner Zeitung, Jahrgang 46, Ausgabe 61, 13.03.1990. Die Redaktion wurde mit dem Karl-Marx-Orden, dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnet.

Δ nach oben