Alleinerziehende helfen sich selbst

Wahlprüfsteine der SHIA an alle

Wirtschaftliche Entscheidungen dürfen nicht nur Wirtschaftsexperten überlassen werden und der Produktion dienen. Sie müssen auch dem Reproduktionsprozess gerecht werden. Dazu ist die ständige Zusammenarbeit von Wirtschaftsfachleuten, Soziologen, Psychologen, Ärzten, Pädagogen ... erforderlich. Dies ist notwendig, um in einem Zusammenhang zu bedenken, welche Spätfolgen aus aktuellen Entscheidungen erwachsen. Was wird aus Kindern, deren Eltern weder ausreichend Kraft noch Zeit und Mittel haben, um ihnen die notwendige Zuwendung zu geben!?

Alle Parteien und Organisationen, die am 18.3.1990 zur Volkskammerwahl antreten, fordern wir auf, sich zu folgenden Punkten zu äußern:

1. Wir brauchen die Garantie für einen zumutbaren Arbeitsplatz. Zumutbar heißt: das legitime Bedürfnis der Kinder nach elterlicher Zuwendung darf dabei nicht unter den Tisch fallen. Es sind staatlich gestützte Kindereinrichtungen notwendig, die für Kinder aus Einelternfamilien in jedem Fall Platz haben müssen.

2. Die Staffelung des Pflegegeldes bei Krankheit des Kindes je nach Krankheitsdauer empfinden wir als unsozial.

3. Bei der Umverteilung von produkt-gebundenen auf personen-bezogene Subventionen darf nicht übersehen werden, dass in Einelternfamilien ein/e Verdiener/in für zwei oder mehr Personen aufkommen muss.

4. Die Regierung muss (z. B. durch Sozialwohnungen) gewährleisten, dass Einelternfamilien mit ausreichendem und zumutbarem Wohnraum versorgt werden.

5. Die momentan geltende Unterhaltsregelung orientiert sich nur am Einkommen des Unterhaltsverpflichteten und beachtet das Realeinkommen der/des Alleinerziehenden nicht. Ein staatlicher Ausgleich muss möglich sein, wenn ein Mindestfamilieneinkommen nicht erreicht wird. Eine rechtliche Anerkennung von Lebensgemeinschaften (auch außerhalb der Ehe) ist unbedingt zu realisieren. Dann kommen Regelungen für Alleinerziehende nur diesen und ihren Kindern zugute.

6. Unser Verband zur Selbsthilfe für Alleinerziehende möchte unabhängig von Parteien und Organisationen arbeiten. Er will sich für die Interessen der Einelternfamilien einsetzen.

Wir erwarten Ihre Stellungnahme bis spätestens 15.3.1990 über die Tagespresse.
Greifenhagener Str. 15 Berlin 1058

aus: Berliner Zeitung, Jahrgang 46, Ausgabe 59, 10.03.1990. Die Redaktion wurde mit dem Karl-Marx-Orden, dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnet.