AUFRUF ZUR GRÜNDUNG
DES LINKEN HOCHSCHULBUNDES "ROSA LUXEMBURG"

An den Universitäten wie in der Gesellschaft insgesamt vollzieht sich ein politischer Differenzierungsprozess. In diesem Zusammenhang lehnen wir den Versuch einer Reorganisation der FDJ als "Sozialistischer Studentenbund" ab. Die Studentenräte betrachten wir als legitime Vertretungen übergreifender studentischer Interessen. Wir sind aber zugleich der Meinung, dass unterschiedliche politische Orientierungen in eigenen Organisationen ihren Ausdruck finden müssen. Unser Ziel ist die Sammlung linker Kräfte im LHB "Rosa Luxemburg", der sich als autonom gegenüber allen Parteien versteht. Wir stellen uns in die Tradition eines breiten Spektrums linker Bewegungen unabhängig von weltanschaulichen Positionen (denkbar vom religiösen Sozialismus über Marxismus bis zum Anarchismus).

Potentielle Mitglieder (Studenten und junge Wissenschaftler) können sich unserer Meinung nach auf folgender Grundlage zusammenfinden:

- Für alle Formen gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln, die die Aufhebung entfremdeter Arbeit herbeiführen

- Für die Unterstützung aller sozialen und wirtschaftlichen Experimente, die neue Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens praktizieren

- Für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit

- Für die Beschränkung staatlicher Präsenz auf Gebiete gesamtgesellschaftlichen Interesses (z.B. Landesverteidigung, nationale Sicherheit, Außenpolitik)

- Für die Entwicklung von Formen direkter Demokratie (Volksentscheid, Vollversammlungen etc.) unter der Voraussetzung der prinzipiellen Verfügbarkeit aller relevanten Informationen für alle Bürger, gegen eine Gleichsetzung von Demokratie und bürgerlichem Parlamentarismus

- Für die Entwicklung neuer demokratischer Formen der Austragung politischer Konflikte (Wahrung der Interessen von Minderheiten)

- Für ein linkes Konzept internationaler Integration mit dem Ziel der Überwindung globaler Probleme (eingeschlossen europäische Einigungsprozesse)

Wir wenden uns gegen eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten unter kapitalistischem Vorzeichen. Wir sind für politische und weltanschauliche Toleranz, aber gegen alle Formen von Nationalismus, Rassismus und Neofaschismus.

Wir sind für eine freie Wissenschaft, die diesen Grundsätzen verpflichtet ist.

- Für die Schaffung demokratischer Strukturen der Entscheidungsfindung (Forschungskonzeptionen, Studieninhalte, Kaderfragen)

- Für die Unterstützung der sich neu formierenden sozialen Interessenvertretungen an den Universitäten und Hochschulen (unabhängige Gewerkschaften, Räte)

- Für die Sicherung einer sozialen und rechtlichen Stellung der Studentenschaft, davon ausgehend, dass das Studium als gesellschaftlich notwendige Arbeit zu betrachten ist

Die Gründungsversammlung des LHB "Rosa Luxemburg" findet am 9. Januar 1990 um 19.00 Uhr im Thälmannkabinett (Universitätsring 5) statt.

Wir laden alle ein, die die genannten Grundsätze als Basis für ihre politische Arbeit akzeptieren wollen.

Initiativgruppe: Gabriele A(...), Ralf E(...), Dirk H(...), Christiane K(...), Thomas K(...), Peter P(...), Manfred S(...), Lutz S(...), Petra S(...), Silvia W(...).

Kontaktadressen: Gabriele A(...) (Sekt. Germ./Kunstwiss.), Block (...), 4090 Halle-Neustadt. Lutz S(...) (Sekt. Germ./Kunstwiss.), (...)str. 18, 4020 Halle-Saale.

aus: Die Aktion, Zeitschrift für Politik, Literatur, Kunst, Heft 60/63, Januar 1990

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