Heute: Deutsche Jugendpartei

Die jüngste politische Vereinigung. Seit einer Woche gibt es sie landesweit. JW-Gespräch mit dem Parteivorsitzenden Karl-Heinz Eisenhauer

Mit uns nicht in diesem Trott

Über drei Millionen Jugendliche gibt es noch im Lande, fast alle meinen: Wir werden doch nur in den Ar ... getreten. Nun kommt ihr und sagt: Ohne uns geht nichts!

Stimmt, und Zuschriften wie aus Zingst von René K(...) geben uns recht: "Endlich mal jemand, der aufgewacht ist. Lasst uns nicht hängen."

Habt ihr so breite Schultern, um diese Bürde zu tragen?

Sonst hätten wir uns vor einer Woche nicht gegründet und würden nicht täglich Mitgliedskarten ausschreiben. Wer glaubt, die DJP sei nur ein Spleen á la Luckau, der irrt. Die Jugend darf nicht länger zwischen oder gar unter die Stühle der Parteien rutschen.

Aber die meisten haben keinen Bock mehr, sich jetzt politisch zu binden, gar einer Partei anzuschließen, zumal Statut und Programm bestimmte Disziplin erfordern.

Wer sich nicht politisch binden will, braucht es nicht. Er hat aber das unbedingte Recht, politisch vertreten zu werden. Das machen wir.

Das sagten und sagen schon andere und reden doch an der Jugend vorbei. Ihr wollt keinen links liegenlassen, wie geht das?

Indem wir uns von vornherein anmaßen, unsere eigenen Interessen und Rechte zu vertreten - Jugendpolitik zu machen. Wir sind offen für alle ab 14. Wir sichern außerdem, dass man bis 18 Jahre über die "Jüngsten-Räte" eine beschließende Stimme in allen Vorständen erhält. Und wir lassen uns nicht reinreden (die Mitgliedschaft endet mit 35), suchen aber den Rat der "Ältesten-Räte" und von Sympathisanten. Landesverbände arbeiten nach eigenen Programmen auf Statutenbasis. Beim Gründungstag brachten übrigens schon Schüler ihre Meinungen ein.

Ihr seht euch unabhängig von Jugendorganisationen und diese von euch. Nun aber habt ihr euch am Mittwoch mit dem Runden Tisch der Jugend zerstritten.

Es kam nicht mal zu einem produktiven Streit. Wir werden dort noch abgelehnt, haben nur beratende Stimme. Machen wir uns doch nichts vor: So gut es ist, in über 35 Jugendorganisationen endlich Demokratie zu üben, eigene Aktionen zu starten - landesweit kommt nichts in Gang. Die Jugend zersplittert sich, Jugendrechte werden beschnitten, keine Einigkeit ist da. Weltweit haben doch nur politische Parteien das wirkliche Sagen. Die DDR-Volkskammer mit FDJ-, Kulturbund-, VdgB-Fraktionen war schon immer ein Exot auf dem politischen Parkett.

Eure Partei ist also aus der Not geboren?

Klar, wir machen uns zum Anwalt der Jugend, was keine andere Partei derzeit tut. In allem und landesweit. Von bitteren Erfahrungen und nackten Tatsachen kann doch jeder berichten: Jugendklubs werden private Cafés, Pionierhäuser schließen, Studenten schmeißen ihr Studium hin, neue Jugendorganisationen fehlen an "großen" Runden Tischen, Absolventenplätze werden gestrichen, Jugendarbeitslosigkeit, Lehrlingsängste kommen auf, Schulessen ist in Gefahr. Zum Gründungstag kam auch einer aus Delitzsch; im evangelisch-lutherischen Glauben erzogen, findet er derzeit keine politische Heimat. Nun sucht er den annehmbaren Konsens mit der DJP. Damit wäre die Richtung klar: Wir sind demokratisch, der Jugend verpflichtet, progressiv.

Erhebt ihr den Anspruch auf einen Ministerposten?

Ja, zum Beispiel in Sachen Jugendpolitik, doch vor allem werden wir um Parlamentssitze ringen.

Ist dies bis 18. März zu schaffen?

Wir haben den Weitblick über den Frühling hinaus. In jeder Gemeindeversammlung, in jedem Kreistag, Betriebsrat lässt sich was bewegen.

Was steht auf euren Wahlplakaten?

Was wir sofort angehen: Ran an die Runden Tische, gegen Links- und Rechtsaußen, für grüne Welle der Vernunft, gegen Arbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel, Bildungsprivilegien, mit Verstand zur sozial unterlegten Marktwirtschaft, landesweiter Kongress am 24. 2.

Was für ein Deutschland wollt ihr?

Kein Wintermärchen nach Heine, kein Experiment Großdeutschland - eine Föderative Republik Deutschland, in der Länderstrukturen beibehalten werden, ein Parlament arbeitet und Länderkammern souverän wirken. Die DJP wirbt für Selbstbewusstsein, ja auch DDR-Stolz. Wir sind für einen anständigen Ton auf politischem Parkett.

Mancher denkt, ihr seid ein Ableger der FDJ …

Sind wir nicht. Aber wir verschweigen nicht, dass FDJ-Mitglieder bei uns programmatisch arbeiten. Ich selbst habe dort das politische Laufenlernen geübt.

Wovon träumst du – oder darf ein Parteivorsitzender nicht träumen?

Warum nicht. Ich träume von einem Büro in Berlin, von Spenden, dass das Parlamentsalter auf 16 Jahre gedrückt wird. Ich träume vom großen Frieden, der letzten, verrosteten Atombombenhülle als Mahnmal auf dem Mond ...

(Das Gespräch führte
Heidrun Meinhardt)

Junge Welt, Sa. 17.02.1990, Linke Sozialistische Jugendzeitung

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