Uns verbindet das Bewusstsein, eine eigenständige weltanschauliche Grundlage zu haben

CDJ erwachsen aus der spontanen Initiative politisch engagierter Jugendlicher

Der Anfang vom Ende des SED-Staates hat bei Jugendlichen in der DDR den Wunsch geweckt, alternative Jugendorganisationen zur FDJ zu bilden oder zu finden. Dieser Staatsjugendverband FDJ, anfangs von verschiedenen Gruppen als Einheitsbund gegen totalitären Missbrauch der Jugend gegründet - das Emblem wurde zum Beispiel von einem Pfarrer entworfen -, musste sich bald nach seiner Gründung dem totalen Machtanspruch der SED unterwerfen. Außerhalb der Kirchen bestanden für ein Nicht-FDJ-Mitglied bald praktisch keine Möglichkeiten eines Studiums oder einer normalen beruflichen Weiterqualifizierung mehr.

An verschiedenen Orten der DDR bildeten sich im Oktober vorigen Jahres unabhängig voneinander Gruppen junger Christen, die auch außerhalb des kirchlichen Rahmens politische Jugendarbeit leisten wollten und die bestehenden Strukturen der CDU zur Kontaktaufnahme nutzten.

So konnte, noch im Widerstand gegen die alte CDU-Führung, bereits am 9. November die Gründung der Christlich-Demokratischen Jugend der DDR öffentlich gemacht werden. Ein Datum, das sich als historisch erweisen sollte, allerdings aus einem etwas anderen Grund.

Dass wir der erste neue Jugendverband waren und auch schon am weitesten vorangekommen sind, trotz aller vorhandenen nicht unbeträchtlichen Probleme, liegt sicher daran, dass wir, im Gegensatz zu manch späterem, nicht auf Beschluss eines erlauchten Parteigremiums gegründet wurden, sondern dass wir uns durch die spontane Initiative politisch interessierter Jugendlicher zusammenfanden. Dabei verbinden uns nicht nur allgemeine politische Positionen, sondern das Bewusstsein, eine eigenständige weltanschauliche Grundlage zu haben, von der aus wir uns mit "ideologischen Konzepten" gleich welcher Couleur auseinandersetzen können. Bei der täglichen Jugendarbeit zeigen sich übrigens inzwischen gemeinsame Interessen und Anknüpfungspunkte mit jungen Leuten aus dem Demokratischen Aufbruch und jungen Liberalen.

Wie groß ist unser Potential nun einzuschätzen?

Zum ersten ist das generelle Bedürfnis der Jugend der DDR, nach der langen Zeit der dogmatischen Bevormundung und Gängelung sich politisch zu engagieren und dann noch zu organisieren, nicht überwältigend. Es besteht ein Misstrauen gegen alles, was eventuell erneute Vereinnahmung bedeuten könnte.

Zum zweiten ist für junge Christen, die sich engagieren, die Kirche ein vertrauter und bewährter Rahmen, über den hinaus sich zu organisieren für einen Teil kein Anlass besteht.

Zum dritten binden wir uns für manche zu eng an die CDU, obwohl wir uns nicht als Nachwuchsorganisation, sondern als eigenständig und unabhängig betrachten. Dass die CDU der DDR nicht mehr die alte Blockpartei ist, dass sie sich durch den Druck der Basis radikal erneuert und eine völlig neue Führung besitzt, ist vielen jungen Leuten, nicht zuletzt durch die Medienpolitik der SED-PDS, nicht bewusst geworden.

Zum vierten ist bei einer Gruppe derjenigen, die dies doch bemerkt haben, die Sorge verbreitet, die neue CDU nähere sich zu sehr der CDU/CSU der Bundesrepublik, dem "Agenten des Großkapitals, dem Interessenvertreter der Banken und Konzerne", an. Nur diejenigen, die nicht auf die Schwarz-Weiß-Gemälde der Ideologie hereinfallen, die keine Berührungsängste mit der CDU hüben wie drüben haben und die als junge Christen politisch arbeiten wollen, bilden unsere Basis. Diese Basis ist zum Glück immer noch breit genug, um optimistisch in die Zukunft sehen zu können.

Nachdem vierzig Jahre lang alle nichtkommunistischen moralischen und politischen Grundwerte systematisch bekämpft wurden und sich die der SED durch das eigene Verhalten und das installierte System als unglaubwürdig erwiesen, herrscht große Orientierungslosigkeit unter der Jugend. Wir sehen daher eine unserer großen Aufgaben in der politischen Bildungsarbeit für uns und für andere. Darauf aufbauend bzw. parallel dazu wollen wir durch konkrete Taten zeigen, was wir aus diesen politischen Inhalten praktisch herleiten.

Einen guten Partner, von dem wir viel lernen können und wollen, sehen wir dabei in der Jungen Union Deutschlands. Was wir in die Zusammenarbeit mit der Jungen Union einbringen können, ist die Erfahrung an der eigenen Person, was Totalitarismus, Diktatur, Unfreiheit, Indoktrination, Manipulation und Missachtung persönlicher Menschenrechte bedeuten. Wir haben ein starkes und waches Misstrauen gegen alle abstrakten ideologischen Gesellschaftsdiskussionen, die den Bezug zur Realität verloren haben; während manche Jugendliche der Bundesrepublik mitunter nicht mehr recht zu wissen scheinen, welchen Wert wesentliche Grundlagen ihrer Demokratie in Wahrheit besitzen.

Dadurch, dass wir eine intensive Zusammenarbeit mit der Jungen Union anstreben und uns einzelne CDU-Mitglieder auch gern als parteieigenen internen Verein sähen und denken, als Junge Union wäre dies der Fall, entstehen immer wieder Diskussionen um unseren Namen. Wir halten aber die Verbesserung der Lebenssituation und die Erlangung der staatlichen Einheit Deutschlands nur durch harte Arbeit unter den jeweiligen Bedingungen für erreichbar und nicht dadurch, dass sich Vereinigungen andere oder gemeinsame Namen geben. Ob es bald eine CDJU oder zwei oder nur noch eine Junge Union in Deutschland gibt, wird die nächste Zeit zeigen, das können wir heute noch nicht wissen. Wir wissen nur, dass wir uns auf jeden freuen, der uns kennenlernen und mit uns zusammenarbeiten will, im Interesse der Jugendlichen in ganz Deutschland.

Amt. Bundesvorstand der CDJ

Neue Zeit, Di. 23. Januar 1990, Jahrgang 46, Ausgabe 19

Δ nach oben