Die Mitorganisatorin der Gedenkfeier am 13.02.1982 an der Ruine der Frauenkirche in Dresden berichtete später, dass ihr bereits vier Stunden nachdem sie Flugblätter verteilt hatte, mit der Bitte den Text abzuschreiben und zu verbreiten, ein abgeschriebenes Flugblatt in die Hand gedrückt wurde.
Die Gruppe Wolfspelz wurde in dem Operativer Vorgang "Werkstatt" erfasst.
Gruppe "Wolfspelz"
seit wann existent |
als Gruppe seit Herbst 1985 |
wo tätig/an welche Kirche/ |
verschiedene VEB des Stadtgebietes, teilweise ohne Arbeitsrechtsverhältnis Fam. K(...): ev.-luth. Kirche Dresden andere Mitglieder nicht religiös gebunden |
Grad der Organisation der Gruppe |
- regelmäßige Zusammenkünfte in der Wohnung der Fam. K(...) (wöchentlich) - bei bestimmten Anlässen spontane Treffen - die Gruppe unterhält: Verbindungen zu den Berliner Friedens- und Ökokreisen durch Teilnahme an Veranstaltungen, persönliche Treffs und über Kuriere - zur Deckung von Ausgaben (Fahrtkosten, Ordnungsstrafen) wurde ein Konto für die Gruppe eingerichtet |
Zielstellung der Gruppe |
- Organisierung eigener öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten zur Verbreitung und Durchsetzung von Vorstellungen der Gruppe im Rahmen der "unabhängigen Friedensarbeit" - theoretische Auseinandersetzung mit Problemen der Friedensbewegung, Problemen des Umweltschutzes und der gesellschaftlichen Entwicklung im Sozialismus - Versuche der Vernetzung der Arbeit mit anderen Gruppen der so genannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung. |
Die Initiatoren der Gruppe, K(...), R(...) und K(...), A(...) traten bereits 1982 in das Blickfeld der Sicherheitsorgane, da durch beide am 13. 2. 1982 eine illegale Gedenkveranstaltung pazifistischer Kräfte an der Ruine der Dresdner Frauenkirche organisiert wurde. Auch in der Folgezeit waren durch die K. eine Reihe bedeutsamer Aktivitäten zu verzeichnen, wobei sie unter dem Deckmantel der Kirche ihre Mitarbeit in der "Dresdner Weinbergskirchgemeinde" nutzten, um die so genannte "staatlich unabhängige Friedensbewegung" im Dresdner Raum zu formieren und sich für die Einführung des sozialen Friedensdienstes einzusetzen.
Im November 1985 gab sich die Gruppe den Namen "Wolfspelz".
Wesentliche Aktivitäten der Gruppe, bei denen die Gruppenmitglieder arbeitsteilig oder gemeinsam handelnd, die Hauptaktivitäten entfalteten, waren:
- Teilnahme und eigene pazifistische Aktivitäten (Fertigung einer Ausstellung über antiautoritäre Erziehung) zu "Friedenswerkstätten" im November 1984 und Oktober 1985 in Dresden.
- Erarbeitung und abschicken einer provokatorischen "Eingabe" an den Minister- und Staatsrat der DDR, in der die Abschaffung von Militärparaden gefordert wurde, im November 1985.
- Teilnahme an einer Zusammenkunft pazifistischer Kräfte an der Ruine der Frauenkirche in Dresden, aus Anlass des 13. Februar 1986.
- Im Mai 1986 erarbeitete die Gruppe eine weitere Eingabe an die Wahlkommission der DDR mit der Forderung der Änderung des Wahlgesetzes und Erhöhung der Meinungsfreiheit. Gleichzeitig gaben die Mitglieder ihre Wahlbenachrichtigungskarten zurück.
- Ungesetzliche Herstellung und Verbreitung eines "Informations- und Kommunikationsblattes" der Gruppe im November 1986, dessen Inhalt teilweise pseudopazifistisch war und die Medienpolitik der DDR angriff (Parteinformation vom 24.12.1986).
- Als Reaktion auf das durch staatliche Stellen ausgesprochene Verbot der erneuten Herstellung derartiger Druckerzeugnisse ohne Druckgenehmigung erfolgte eine erneute Eingabe an das ZK der SED mit ultimativer Forderung der Zulassung ihrer Zeitung.
- Seit Beginn des Jahres 1987 baute die Gruppe die Verbindungen zu den Berliner Friedenskreisen zielgerichtet aus und beteiligte sich seit August 1987 mit eigenständigen Artikeln an der Untergrundzeitung "Grenzfall".
- Herstellung von rund 450 Flugblättern mit pazifistischem und die Politik der SED verunglimpfenden Inhalt (z.B. "Stahlhelm - Flügel in der SED") unter Mithilfe Berliner Personen der so genannten "Öko-Bibliothek" und Abwurf dieser Flugblätter während einer kirchlichen Veranstaltung im Rahmen des "Olof-Palme-Friedensmarsches" am 17.9.1987 in der Dresdner Kreuzkirche.
Herstellung und Verbreitung von ca. 1 000 Flugblättern der "Antinaziliga" im Stadtgebiet von Dresden. Die Herstellung dieser Flugblätter wurde wiederum unter maßgeblicher Mithilfe von Personen aus der "Öko-Bibliothek" Berlin realisiert.
- Teilnahme von K(...), A(...), T(...), A(...) an den "Protestbekundungen" und Mahnwachen in der Berliner Zionskirche, in der Zeit vom 25.-29.11.1987, als Reaktion auf die staatlichen Maßnahmen gegen die "Öko-Bibliothek".
- Durchführung einer Geldsammlung für die Unterstützung der Mahnwachen in Berlin, auf Initiative des K(...), R(...).
- Bestrebungen in Dresden, ebenfalls Mahnwachen durchzuführen, wenn dies in Berlin fortgesetzt wird.
- "Offener Brief" an das Politbüro des ZK der SED (Anlage 1).
bisher bekannte und identifizierte Mitglieder der Gruppe
Organisatoren/Inspiratoren
(...)
Zu diesen Personen wurde bereits in der Parteiinformation vom 3.12.1987 ausführlich informiert.
Aktive Mitglieder
(...)
Zu diesen Personen wurde bereits in der Parteiinformation vom 3.12.1987 ausführlich informiert.
(...)
Es wird vorgeschlagen zu prüfen, welche Möglichkeiten der gesellschaftlichen Einflussnahme und Auseinandersetzung über die Betriebe der genannten Personen bestehen. Kirchliche Angestellte sind in die Auseinandersetzung nicht mit einzubeziehen.
Abschrift
Offener Brief an das Politbüro des ZK der SED
Mit Genugtuung nehmen wir die Einstellung der Ermittlungsverfahren, die im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Umweltbibliothek Berlin gegen vier unserer Freunde eingeleitet wurden, zur Kenntnis. Wichtig war die breite Solidarität, die die Mahnwache aus der Bevölkerung erfuhr. Diese Erfahrung bestärkt uns, zur gesellschaftlichen Meinungsbildung beizutragen. Aus der Notwendigkeit des Dialoges für den Fortbestand und die Entwicklung der Gesellschaft fordern wir den Eintritt der Regierung in einen offenen Dialog. Eine weitere Entrechtung der Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsinitiativen verbietet sich dann von selbst. Deshalb erwarten wir eine Legalisierung auch nichtkirchlicher Publikationen dieser Initiative. Das schließt auch die Zeitung "Grenzfall" ein.
Mit der Rücknahme widerrechtlicher Entscheidungen geben wir uns nicht zufrieden. Wir werden uns für die Mündigkeit und die Rechte der Bürger in unserem Land einsetzen.
Dresden, 04.12.1987
Gezeichnet:
(...)
(Abschrift phonetisch)
BStU: MfS BV Dresden, AKG Nr. 9489
Link Roman Kalex berichten über rechte Gewalt in Dresden Ende der achtziger Jahre, Dresden im Januar 2020